«Deutlich mehr Leute als in den vergangenen Jahren»

So war der feministische Streik in Luzern

Die Spitze des Demonstrationszugs vor der Jesuitenkirche. (Bild: kok)

Am 14. Juni demonstriert die Schweiz für den Feminismus. Dieses Jahr waren deutlich mehr Menschen beim feministischen Streik in Luzern als in den vergangenen Jahren. Die Organisatorinnen sprechen von 3000 Personen.

Sie sind laut, und sie fallen auf. Nicht nur wegen eines Traktors mit angehängtem DJ-Pult und einem Meer an Transparenten, sondern wegen ihrer Botschaft. «Nieder dem Patriarchat» steht auf einem der Banner, umsäumt von Flammen. Es ist der 14. Juni in Luzern, die Sonne steht vor einem tiefblauen Himmel, und Hunderte laufen mit beim feministischen Streik.

Wer den langen Demonstrationszug sieht, wird zum Anhalten gezwungen. «Das ist nichts Religiöses, das ist für Frauen», erklärt eine Luzernerin einer sichtlich verwirrten Touristin am Reussufer. Junge Mädchen an der Kapellbrücke beobachten das Geschehen mit grossen Augen. Ein Rentner murmelt in sein Telefon: «Total linke Gesellen hier.»

Der fünfte feministische Streik in Folge

Seit fünf Jahren gehen an jedem 14. Juni Hunderttausende Menschen in der Schweiz auf die Strasse. Sie demonstrieren für Lohngleichheit und höhere Renten, gegen sexualisierte Gewalt und für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.  

Seinen Anfang nahm der Streik 2019. Auf dem Höhepunkt der internationalen #MeToo-Bewegung brachte der Frauenstreik, wie er damals hiess, landesweit eine halbe Million Frauen auf die Strassen. Es war die erste Demonstration dieser Art seit 1991.

«Es sind deutlich mehr Leute hier als in den vergangenen Jahren.»

Miriam Helfenstein, Teil des Streikkollektivs

Miriam Helfenstein hat als Teil des feministischen Streikkollektivs in Luzern schon vor fünf Jahren mit organisiert. Jetzt steht sie auf der Wiese des Vögeligärtli, wo es bereits seit dem Nachmittag Reden, Stände und Musik gibt. Sie blickt auf die Menge und stellt fest: «Es sind deutlich mehr Leute hier als in den vergangenen Jahren.»

Frauenstreik feministischer Streik
Miriam Helfenstein organisiert den Streik bereits seit 2019 mit. (Bild: kok)

Die 24-Jährige hat bereits einen vollen Tag hinter sich. An der Universität Zürich hat sie dem Rektor gemeinsam mit Studierenden und Mitarbeitenden einen Katalog an Forderungen überreicht für bessere Arbeitsbedingungen. Später ist sie nach Bern und hat sich am Inselspital für bessere Anstellungsbedingungen eingesetzt. In Luzern kommt Miriam Helfenstein erst um 18 Uhr an – kurz bevor sich die Demonstration in Bewegung setzt.

Ist der feministische Streik zu links geworden?

Neben ihrer Freiwilligenarbeit arbeitet die gebürtige Bernerin temporär bei der Gewerkschaft des öffentlichen Sektors VPOD. Dass es momentan Kritik gibt, dass der feministische Streik zu links geworden sei und die Gewerkschaften eine zu grosse Rolle spielen würden, kann sie nicht nachvollziehen.

«Feminismus will die Lebensrealität von allen verbessern.»

Miriam Helfenstein

«2019 hiess es, der Begriff Frauenstreik schliesse Männer aus. Jetzt wird kritisiert, dass der Begriff feministischer Streik zu inklusiv ist. Diese Debatten lenken davon ab, worum es eigentlich geht.»

Es gehe um strukturelle Ungleichheiten und Gewalt gegen Frauen, um tiefere Renten und unterschiedliche Löhne. «Bürgerliche Frauen machen in den Parlamenten Politik, die nur einzelnen privilegierten Frauen zugutekommt. Feminismus will aber die Lebensrealität von allen Frauen verbessern.»

Bürgerliche Frauen distanzieren sich

Anders als in früheren Jahren distanzierten sich bürgerliche Frauenorganisationen im Vorfeld von dem Streik. Ihnen gingen die politischen Forderungen zu weit.

Die Luzerner Ständerätin Andrea Gmür (Mitte) twittert am Mittwoch: «Schade, dass der Frauenstreik zu einer simplen ‹Unia Schweiz›-Demo zu verkommen scheint.» Mit über 180’000 Mitgliedern ist Unia die grösste Gewerkschaft der Schweiz und Mitorganisatorin des feministischen Streiks.

«Sich jetzt zu beschweren, aber nicht von Anfang an mitgewirkt zu haben, finde ich falsch.»

Miriam Helfenstein

Miriam Helfenstein hat für die Haltung der bürgerlichen Frauen kein Verständnis. Im März habe es eine Versammlung aller Streikkollektive des Landes gegeben. Dort seien die Grundlinien und Forderungen basisdemokratisch festgelegt worden. Auch bürgerliche Frauen seien eingeladen gewesen, wären aber nicht gekommen. «Sich jetzt zu beschweren, aber nicht von Anfang an mitgewirkt zu haben, finde ich falsch.»

Auf den Strassen Luzerns ist von der Debatte am frühen Abend nichts spürbar. Ausgelassen zieht der Menschenzug vom Vögeligärtli bis zur Kapellbrücke, dann weiter durch die Altstadt und über die Seebrücke zum Inseli. Dort endet die Demonstration, doch die Streikenden haben angekündigt, noch bis 22 Uhr weiterzutanzen.

Verwendete Quellen
  • Website des Frauenstreiks Luzern
  • Besuch vor Ort
  • Gespräch mit Miriam Helfenstein, Teil des Streikkollektivs
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15 Kommentare
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    Rudolf Schweizer, 16.06.2023, 07:40 Uhr

    Machen sie es doch anders am 14 Juni habe ich 14 Rosen an unsere lieben Frauen verteilt.
    Die erste Rose ging an meine Frisörin die am Arbeiten war, die zweite Rose ging an die Mitarbeterin von Neustahl auch am Arbeiten, die dritte Rose ging an die Junge Frau die für Meinrad im Vögeligärtli für viele ein köstliches Mittagessen schöpfte. Die vierte Rose ging an Rusha die beim Bellini an der Theke und im Service ihr bestes gibt von ihr habe ich ein Café spendiert erhalten und so haben rund um das Vögligeärtli alles Frauen die am Arbeiten waren eine Rose für ihre Verdienste zum Wohle der Allgemeinheit erhalten.

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    • Profilfoto von Christian Scherrer
      Christian Scherrer, 16.06.2023, 10:54 Uhr

      Sei es mit einer Rose oder dann halt Ritalin. Mit Beidem lassen sich gewisse Unbequemlichkeiten ruhig stellen.

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    Bea, 15.06.2023, 17:26 Uhr

    So wirkt es nur noch daneben, man kann es nicht mehr ernst nehmen

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  • Profilfoto von Alain K.
    Alain K., 15.06.2023, 15:53 Uhr

    Jede Woche sind viermal mehr Leute am Treffen der blau-weissen Männer auf der Allmend. Das relativiert die Bedeutung dieses verkappten Gewerkschaftsevents von gestern dann doch sehr…

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  • Profilfoto von Werthmueller
    Werthmueller, 15.06.2023, 14:00 Uhr

    Miriam Helfenstein hat für die Haltung der bürgerlichen Frauen kein Verständnis. Ich habe kein Verständnis für Frau Helfenstein! Gewerkschaftlich organisierte Demos hat nichts mit sog. Frauenstreiks zu tun. Zudem ist das Ganze ein Sturm im Wasserglas. Solche Demos behindern Wirtschaft, Verkehr und kosten den Steuerzahler Geld!

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  • Profilfoto von Elisabeth-Maria
    Elisabeth-Maria, 15.06.2023, 11:25 Uhr

    Ich hatte mein Auto im Schweizerhof-Parking parkiert und wollte nach meinem Unterricht welcher durch den Lärm und zu spät kommen der Teilnehmerinnen um 20 Uhr aus dem Parkhaus fahren!
    Von der Hofkirche her bis zum Bahnhof stand alles still!
    Ich musste eine Stunde warten bis die Strasse wieder frei war!!!
    Eine absolute Frechheit und Ihre Zeitung schreibt .. auf den Luzerner Strasse war nichts spürbar!!!
    Ich als Frau finde es eine absolute Unverschämtheit sich so naiv aufzuführen !
    Eine Schande für unsere Schweiz !

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    • Profilfoto von Manuel
      Manuel, 15.06.2023, 16:32 Uhr

      Uiii- als Tipp: Da kann man übrigens neuerdings auch mit dem ÖV hin. Hat man den Ort extra für Sie mitten ins Stadtzentrum verschoben, 5′ laufen vom Bhf.

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  • Profilfoto von Baldo
    Baldo, 15.06.2023, 10:52 Uhr

    Schade, dass der Frauenstreik zu einer simplen ‹Unia Schweiz›-Demo zu verkommen scheint.
    Richtig wäre:
    Schade, dass der Frauenstreik zu einer simplen ‹Unia Schweiz›- SP, Grüne, Männerfeindliche Demo zu verkommen scheint.

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  • Profilfoto von Franz
    Franz, 15.06.2023, 10:39 Uhr

    Diese Unia-Fahnenträgerinnen hat mit Sicherheit keiner auf den Baustellen vermisst. Das gilt wohl auch für die meisten Teilnehmer*innen (okay so?), soweit sie überhaupt in einem Anstellungsverhältnis stehen, sprich: unter Phantomausbeutung leiden.

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  • Profilfoto von Lukas W.
    Lukas W., 15.06.2023, 08:52 Uhr

    Die Frauenbewegung vom 14.6. scheint abzudriften in eine gewerkschaftliche Veranstaltung.
    Ich kenne viele Frauen und Männer, welche partnerschaftlich auf Augenhöhe gemeinsam das Leben wagen.
    Ich danke allen Frauen und Männern, die gestern gearbeitet haben im Beruf oder für die Familien etc..

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  • Profilfoto von Hanny
    Hanny, 15.06.2023, 08:28 Uhr

    Ich unterstütze die Aussage von Frau Ständerätin Andrea Gmür zu 100%! Es haben sich auch weitere Nationalrätinnen ebenfalls ähnlich geäußert.
    Schade, so erreicht man nichts

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  • Profilfoto von Gruesse vom Einhorn Schlachthaus
    Gruesse vom Einhorn Schlachthaus, 15.06.2023, 06:07 Uhr

    «Feminismus will die Lebensrealität von allen verbessern».
    Genau. Die Glaubwürdigkeit dieser offenkundig marxistischen Bewegung hat einen neuen Tiefpunkt erreicht.

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    • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
      Marie-Françoise Arouet, 15.06.2023, 08:04 Uhr

      Mit klassischen gewerkschaftlichen Themen wird der Schein aufrechterhalten, dass der Anlass etwas mit der „Arbeiterbewegung“ zu tun habe. Weil dieser aber seit Jahrzehnten die Basis abhanden kommt, biedert sich deren professionelle Chefetage immer schamloser bei allerlei degenerierten Auswüchsen der zahlreichen „antikapitalistischen“, sexualisierten, pseudo-aufmerksamen, sprachverluderten, aggressiv antiaggressiven Selbstdarstellungsgruppen an und versammelt so die Splitter der Wohlstandsverwahrlosung als angeblich massgebliche, in Wirklichkeit marginale „Zivilgesellschaft“. An bestimmten Jahrestagen tritt dann diese blasenbewohnende Sekte öffentlich in Erscheinung. Und das soll der lesende Arbeiter verstehen?!

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    • Profilfoto von Alabin
      Alabin, 15.06.2023, 08:37 Uhr

      Diese als eine homogene Bewegung zu betrachten führt zu analytischen Missverständnissen.

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  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 14.06.2023, 22:08 Uhr

    „Nieder dem Patriarchat“. Soso. Die Damen sprechen etwas holprig vom Maghreb, von Anatolien, von der Levante, von Arabien, dem Iran, von Zentralasien oder von Südamerika? Nicht, ach so! Dann lohnt es sich nach diesem Satz wohl eher nicht, den Bericht über den Stuss zu Ende zu lesen.

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