Bericht als «zahnloser Papiertiger» in der Kritik

Gleichstellungsbüro in Luzern? Vielleicht, irgendwann …

Taten statt Worte: Das forderten auch die Teilnehmer an der Vernehmlassung zum kantonalen Gleichstellungsbericht. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Mehr Geld, verbindliche Ziele, konkretere Massnahmen: Das waren die Wünsche an den Gleichstellungsbericht der Regierung, der nun endlich vorliegt. Kann er sie erfüllen?

Er ist da, der Luzerner Gleichstellungsbericht. Vor über einem Jahr schickte ihn der Regierungsrat in die Vernehmlassung, seither herrschte Funkstille (zentralplus berichtete). Im Bericht zeigt die Regierung auf, wie sie die «Gleichstellung aller Geschlechter und Lebensformen» fördern will.

Die erste Fassung des Gleichstellungsberichts stand in der Kritik. Die Ressourcen seien zu knapp, um die vorgesehenen Massnahmen umzusetzen, monierte etwa das Luzerner Frauenstreik-Komitee. Zudem würde die Regierung «Prüfaufträge» als Massnahmen verkaufen. Die Umsetzung des Berichts stünde deshalb auf «wackligen Beinen» (zentralplus berichtete).

Wie haben sich die Parteien in der Vernehmlassung zum Bericht geäussert? Und welche Massnahmen will die Regierung jetzt umsetzen, welche nicht? zentralplus hat sich den Gleichstellungsbericht angeschaut.

Mehr Geld gibt es nicht

Vorweg: Mehr Geld für die Förderung der Gleichstellung will der Kanton nicht ausgeben. Er sieht 150’000 Franken pro Jahr für die Umsetzung von neuen Massnahmen vor. Dies stiess in der Vernehmlassung auf Kritik. Die Stadt Luzern und weitere Organisationen forderten die Regierung auf, den notwendigen Mittelbedarf zu prüfen.

Diesem Wunsch sei man nachgekommen, schreibt der Regierungsrat jetzt in seinem Bericht. Er habe den Massnahmenplan «unter besonderer Berücksichtigung seiner Wirksamkeit bei der Zielerreichung» überarbeitet.

Ein Schelm, wer nun denkt, die Regierung habe – bei gleichbleibenden finanziellen Mitteln – einfach Massnahmen aus dem Gleichstellungsbericht gestrichen. Denn auf den ersten Blick drängt sich dieser Eindruck tatsächlich auf.

Umformuliert, zusammengefasst oder gestrichen

Kurse für Lohnverhandlungen für Frauen? Gestrichen.

Mentoringprogramme für Frauen und LGBTI-Personen? Gestrichen.

Ein vereinfachtes Verfahren für die Änderung des Vornamens für Transpersonen? Gestrichen.

Sensibilisierung von Lehrpersonen für Gleichstellung und Gender? Gestrichen.

Insgesamt acht Punkte strich der Regierungsrat in der aktuellen Fassung aus dem Massnahmenkatalog. Wir fragen nach bei Edith Lang, Leiterin der kantonalen Dienststelle Soziales und Gesellschaft. Sie relativiert.

«Die Rückmeldungen aus der Vernehmlassung gaben wertvolle Hinweise, einzelne Massnahmen für die Planungsperiode 2022–2025 inhaltlich und terminlich zu präzisieren», schreibt Lang. So seien gewisse Massnahmen umformuliert, zusammengefasst oder gestrichen worden. Auch Gesetzesänderungen, die gewisse Massnahmen überflüssig machten, habe der Regierungsrat berücksichtigt.

Tatsächlich: So finden sich viele gestrichene Massnahmen in einer ähnlichen Form unter einem anderen Punkt wieder.

Nicht Symptome bekämpfen, sondern Ursachen

Zwei Ausnahmen gibt es: Die Kurse für Lohnverhandlungen für Frauen und die Mentoringprogramme für Frauen und LGBTI-Personen bleiben unauffindbar. Weshalb?

«Diese Massnahmen wurden grundsätzlich begrüsst. Die Rückmeldungen zeigten jedoch auch, dass die Massnahmen aus Sicht mehrerer Vernehmlassungsteilnehmender zu wenig zielführend sind, da sie nicht auf die Ursache des Problems fokussieren», schreibt Edith Lang. Sprich: Es handelt sich bei den beiden Massnahmen um blosse Symptombekämpfung.

Dieser Meinung ist zum Beispiel die FDP. Ziel des Berichts müsse sein, strukturelle Veränderungen zu bewirken, hielt die Partei in der Vernehmlassung fest. Dazu müssten die Massnahmen verbindlicher formuliert sein, und aus «Prüfaufträgen» sollten «Handlungsaufträge» werden.

Geschehe das nicht, schrieb die SP am Montag in einer Mitteilung, verkomme der Luzerner Gleichstellungsbericht wegen unverbindlicher Ziele und mangelnder Ressourcen zu einem «zahnlosen Papiertiger».

Gleichstellungsbüro lässt auf sich warten

Wie konkret sind also die Massnahmen und Ziele, die der Regierungsrat im neusten Bericht vorschlägt? Die Flughöhe ist nach wie vor hoch, vieles will er erst prüfen lassen.

Zum Beispiel Stichproben zur Einhaltung der Lohngleichheit. Oder die Zusammenarbeit mit «Weiterbildung Zentralschweiz», um Angestellte des Kantons für unbewusste Vorurteile oder die Diversität der Bevölkerung zu sensibilisieren. Oder die finanzielle Unterstützung von spezifischen Projekten. Oder die Revision des kantonalen Gleichstellungsgesetzes. Oder das Schaffen einer Informationsbasis, um geschlechtsspezifische Gewalt zu erfassen.

Ob der Regierungsrat ein Gleichstellungsbüro schaffen will, geht aus dem Bericht nicht hervor. Dies hatten mehrere Organisationen und Parteien in der Vernehmlassung gewünscht.

Auf Nachfrage ergänzt Edith Lang: Bei Bedarf könne ein Gleichstellungsbüro geprüft werden.

Erst nach 2025 aber, wenn die Massnahmen der Periode 2022–2025 ausgewertet wurden. Bis dahin soll das koordinierte Wirken von Fachpersonen innerhalb der Verwaltung die Gleichstellung fördern. Dass dies notwendig ist, zeigt die Studie der Hochschule Luzern, die dem Gleichstellungsbericht zugrunde liegt und die dem Kanton Luzern in den betroffenen Bereichen «Mittelmass» attestiert (zentralplus berichtete).

Verwendete Quellen
  • Planungsbericht zur Förderung der Gleichstellung aller Geschlechter und Lebensformen (2022–2025) vom 30. August 2022
  • Schriftlicher Kontakt mit Edith Lang, Leiterin Dienststelle Soziales und Gesundheit Kanton Luzern
  • Medienmitteilung der SP zum Planungsbericht
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