Vor Kriminalgericht ist er uneinsichtig

Luzerner missbraucht seine schlafende Freundin – und sieht nicht ein, was daran falsch ist

Während sie schlief, wurde eine Luzernerin von ihrem Freund sexuell missbraucht. (Bild: Adobe Stock)

Eine junge Frau kann nicht mehr bei Freunden übernachten, wenn sie kein eigenes Zimmer hat, das sie abschliessen kann. Hintergrund ist ein massiver sexueller Missbrauch durch den Mann, mit dem zusammenlebte. Und von dem sie glaubte, dass er sie liebt.

Nach dieser Nacht ist alles anders: Die Frau wacht morgens unter der Decke kauernd und schweissgebadet auf. Sie läuft in der Wohnung hin und her und fühlt sich miserabel. Sie hat Albträume. Und wenn sie aufschreckt, kann sie manchmal nicht wieder einschlafen, «weil ich wieder so in dem drin bin, was da passiert ist», wie sie vor dem Kriminalgericht Luzern sagt.

«Wie ein Stück Fleisch» habe sie sich gefühlt, als er ihr am Morgen die Videos zeigte. Zu sehen ist darauf, wie ihr eigener Freund sich an ihr vergeht, während sie schläft. Er selber hat den Missbrauch mit seinem Smartphone festgehalten.

Sie hat nichts von allem mitbekommen. Als sie die Aufnahmen sieht, fühlt sie sich benutzt und wertlos. Doch er lacht nur. Als wäre es irgendwie ganz normal, an jemandem den Geschlechtsverkehr zu verüben, der nicht wach ist und sich nicht wehren kann.

Mit der Situation überfordert – danach folgt die Trennung

Die Frau ist völlig verwirrt über die ganze Situation und weiss nicht, wie sie damit umgehen soll. «Es hat in meinem Kopf gerattert und ich habe gewusst, dass es etwas ist, bei dem ich mich nicht wohlfühle. Ich habe nicht verstanden, aus welchem Beweggrund er das gemacht hat», sagt sie in der Gerichtsverhandlung. Kurz nach der Tat trennt sie sich von ihrem Freund. Wegen des Vorfalls. Wegen des Videos. Wegen dieser Nacht.

Wollte er sie wecken? Merkte er, dass sie schlief?

Er versteht nicht, was er ihr angetan hat und warum sie immer wieder damit «hendeföre» kommt. Sie selber habe ihn manchmal mitten in der Nacht geweckt und sie habe sich auch von ihm explizit gewünscht, dass er sie einmal mit Sex aufwecke.

«Dieses Vorgehen lässt auf krass egoistischen Sex und auch auf das Ausüben einer gewissen Dominanz schliessen.»

Aus dem Urteil

Dies habe er in der Nacht probiert, habe es aber nicht geschafft, sie aufzuwecken. Da sie nicht wach geworden sei, habe er ein Video erstellt. Um ihr zu zeigen, dass er es nicht geschafft habe, sie auf die gleiche Weise zu wecken, wie sie es gemacht habe. Er habe «ihren Wunsch» also nicht erfüllen können.

Das Kriminalgericht hält dies für eine Ausrede.

Er widerspricht sich – sie nimmt ihn in Schutz

Das Kriminalgericht glaubt der Frau, weil sie im Verfahren konstant aussagt – während er sich in Widersprüche verstrickt. Die Frau gibt während der Befragungen auch einiges Negatives über sich selbst preis – etwa dass sie am Abend Cannabis konsumiert hat.

Zudem sagt sie aus, dass sie ihm durchaus gesagt habe, dass er sie mal wecken und man dann Sex haben könne. Eine Bedingung sei für sie aber, dass sie wach sei. Die Aussagen wirken auf das Gericht gerade deshalb authentisch, weil die Frau ihren Ex-Freund nicht unnötig stark belastet. Im Gegenteil. Sie nimmt ihn sogar häufig in Schutz.

Sicherheitsgefühl ging verloren

Im Prozess hilft ihm das aber nicht. Das Gericht findet, dass der «Missbrauch des grossen Vertrauensverhältnisses in einer Partnerschaft als sehr negativ zu werten ist», wie es im Urteil schreibt. «Dieses Vorgehen lässt auf krass egoistischen Sex und auch auf das Ausüben einer gewissen Dominanz schliessen, was besonders skrupellos ist.»

Die Tat habe beim Opfer zu einem massiven Verlust des Sicherheitsgefühls geführt. Die Frau kann heute nicht mehr bei Freunden übernachten, wenn sie kein eigenes Zimmer hat, das sie abschliessen kann.

Auch dass der Mann bis zum Schluss uneinsichtig bleibt «und auch von Reue nichts zu erkennen ist», wirkt sich strafverschärfend aus. Das Kriminalgericht Luzern verurteilt den Mann wegen Schändung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten. Diese wird vollzogen, wenn er innerhalb von zwei Jahren rückfällig wird. Weiter spricht das Kriminalgericht der Ex-Freundin eine Genugtuung von 5'000 Franken zu.

Die junge Frau sagt vor Gericht, sie erhoffe sich vom Strafverfahren, dass der Beschuldigte «danach verstehe, was das bei einem Menschen auslöse, wenn man ihn so missbrauche.» Ob dies gelungen ist? Das Urteil ist jedenfalls noch nicht rechtskräftig. Der Beschuldigte hat es ans Kantonsgericht weitergezogen.

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