Das generische Maskulinum ist am Ende, doch was kommt jetzt? Immer öfter ist der Genderstern zu sehen, all zu beliebt ist er jedoch nicht. Die Stadt Luzern will ihren Sprachleitfaden überarbeiten – wie genau, steht aber noch nicht fest.
Worte haben Gewicht. Das ist unbestritten. In den letzten Jahren ist das Bewusstsein für – insbesondere gendergerechte – Sprache gewachsen. In Stellenanzeigen trifft man heute kaum mehr auf ein «Abteilungsleiter gesucht», sondern stets auf eine Formulierung, die Frauen genauso anspricht. So weit, so klar. Doch was ist mit Menschen, die sich keinem der beiden Geschlechter zuordnen?
Diese Frage hat die Debatte vorangetrieben und kontroverser gemacht – Stichwort: Genderstern. Mit dieser Form würde es im Inserat heissen: «Abteilungsleiter*in gesucht».
Nicht viel zu sehen, aber immer öfter
Obwohl oft kontrovers diskutiert, hat sich der Genderstern in den letzten Jahren mehr Platz verschafft. In Deutschland setzt beispielsweise das ZDF auf den Genderstern, auch einige Städte und Universitäten praktizieren diese Form der gendergerechten Sprache. In der Schweiz gibt es ebenfalls einzelne Universitäten und Hochschulen, die ihn empfehlen.
Im Kanton Zug haben kürzlich zwei Gemeinden je ein Stelleninserat mit dem Genderstern publiziert. Ansonsten sieht man ihn in der Kommunikation der Behörden aber nur selten. In Luzern gibt es bloss einzelne Institutionen oder Organisationen, die den Genderstern verwenden. Beispielsweise das Kompetenzzentrum Migration Fabia, der Verein Netzwerk Neubad oder das Treibhaus.
- Gefällt mir und ergibt Sinn.
- Übertrieben und unleserlich.
- Vielleicht gewöhnt man sich mit der Zeit dran.
Die Universität und die Hochschule nutzen hingegen meist neutrale Formulierungen wie «Studierende». Ebenso die Behörden bei Kanton und Gemeinden, die in der Regel die männliche und die weibliche Bezeichnung verwenden. Das mag damit zusammenhängen, dass die Umsetzung sehr umstritten ist. Oft fallen Begriffe wie «Sprachterror» und «Gender-Unfug». Doch was ist die Alternative? Eine sprachlich ideale Lösung im Deutschen fehlt.
In einer Umfrage des «Tages-Anzeigers», an der laut eigenen Angaben über 18’000 Personen mitmachten, kam der Genderstern kürzlich sehr schlecht weg. Der Rechtschreibrat – die massgebliche Instanz im deutschsprachigen Raum für Fragen der Orthografie – äusserte sich im März ebenfalls zurückhaltend: Der Genderstern wird nicht ins Regelwerk der Rechtschreibung aufgenommen, aber weiterhin beobachtet.
Kanton Luzern ergänzt Sprachleitfaden
Im Kanton Luzern schreibt ein Leitfaden die geschlechtergerechte Sprache vor. «Die Formulierungen sind so zu wählen, dass niemand aufgrund des Geschlechts diskriminiert wird», sagt Informationschef Andreas Töns. «Sei es, indem ausdrücklich die männliche und die weibliche Form genannt werden, sei es, indem geschlechtsneutrale Bezeichnungen verwendet werden.»
Beim Genderstern pflege der Kanton eine «pragmatische Haltung»: Einzelne Organisationseinheiten, bei denen «eine besondere Gender-Sensibilität besteht», können sie anwenden. Die Ergänzung des Sprachleitfadens, der diese Handhabung konkretisiere, sei in Erarbeitung.
«Sprechen wir von Stadträten, sehen viele nur Männer vor sich. Reden wir von Stadträtinnen, haben alle nur Franziska Bitzi und Manuela Jost im Kopf.»
Michèle Bucher, Luzerner Stadtschreiberin
Die Stadt Luzern verzichtet bislang auf den Genderstern. Sie kommuniziert mit neutralen Begriffen oder erwähnt beide Geschlechter. Gemäss einer Weisung, die letztes Jahr im Personalmagazin publiziert wurde, entspreche der Genderstern nicht den Prinzipien der Verständlichkeit, Eindeutigkeit, Vorlesbarkeit, korrekter Grammatik und der Rechtssicherheit. «Dies einfach auf die gesamte städtische Kommunikation zu übertragen macht die Vielfalt der städtischen Bevölkerung absichtlich unsichtbar und ist nicht mehr zeitgemäss», kritisieren die SP-Politikerinnen Maria Pilotto und Tamara Celato.
Die beiden stören sich zudem daran, dass die Stadt auf einen über zehnjährigen Sprachleitfaden zurückgreift, um die aktuelle Praxis zu begründen. In einem Postulat fordern sie eine «inklusive» Kommunikation der Behörden (zentralplus berichtete).
Grundsatzentscheid steht noch aus
«Die Diskussion ist wichtig», sagt Stadtschreiberin Michèle Bucher. Das betont auch der Stadtrat in seiner Stellungnahme zum Postulat, das er entgegennehmen will. Ein explizites Bekenntnis zum Genderstern sucht man in seiner Antwort aber vergeblich. «Es ist noch kein Grundsatzentscheid gefallen», erklärt Bucher. Man sei offen für verschiedene Möglichkeiten.
Denn der Genderstern habe auch Nachteile, beispielsweise was die Maschinenlesbarkeit betrifft. Unter anderem deshalb setzt SRF in den sozialen Medien seit kurzem auf den Gender-Doppelpunkt (Abteilungsleiter:in).
Auch SRF gendert in den Social Media seit kurzem mit dem Doppelpunkt:
Ob die Stadt Luzern diesen Weg geht oder einen anderen, will sie zuerst vertieft analysieren. Im gleichen Rahmen soll der Sprachleitfaden überarbeitet werden. Dabei geht es ganz grundsätzlich um die Frage, was eine zeitgemässe Kommunikation – auch in Bezug auf Menschen mit Behinderungen und anderen Muttersprachen – beinhaltet und wie sie in der Stadtverwaltung umgesetzt werden kann. Für diese Abklärungen veranschlagt die Stadt Kosten von rund 20'000 Franken. Das Stadtparlament entscheidet und diskutiert nächste Woche über das Thema.
Warten auf Empfehlungen aus Bern
Was die gendergerechte Sprache betrifft, wartet die Stadt Luzern auch ab, was in Bundesbern geschieht. Die Bundeskanzlei wird demnächst eine neue Empfehlung publizieren, an der sich die Stadt Luzern orientieren will.
Klar ist laut der Luzerner Stadtschreiberin: «Unsere Erfahrung zeigt: Mitmeinen funktioniert nicht. Sprechen wir von Stadträten, sehen viele nur Männer vor sich. Reden wir von Stadträtinnen, haben alle nur Franziska Bitzi und Manuela Jost im Kopf.» Dass der Trend in diese Richtung geht, zeigt auch die Tatsache, dass der Duden das generische Maskulinum kürzlich abgeschafft hat.