Zuger und Luzerner Kirchen sind gefordert

Immer mehr ohne Religion – Kirche kämpft an allen Fronten

Erstmals leben in der Schweiz mehr Menschen ohne Religion als Katholiken. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

Erstmals überhaupt leben in der Schweiz mehr Personen ohne Religionszugehörigkeit als Katholiken. In den Kantonen Zug und Luzern sieht die Situation etwas anders aus. Aber auch hier hat die Zahl der Religionslosen in den vergangenen zehn Jahren markant zugenommen. Eine Spurensuche.

Die katholische Kirche ist im Abwind. Nicht zuletzt seit Bekanntwerden des Missbrauchsskandals verliert die Kirche Mitglieder (zentralplus berichtete). Wie das Bundesamt für Statistik (BFS) mitteilt, leben nun erstmals mehr Personen in der Schweiz, die keiner Religion angehören, als Katholiken oder Reformierte.

In den Kantonen Zug und Luzern stellt sich die Situation etwas anders dar. Nach wie vor machen hier die Katholiken den grössten Teil aus. Aber: Auch hier haben die Religionslosen zugelegt. Die Zahl hat sich den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, wie die kürzlich publizierten Zahlen des BFS von 2019 bis 2022 zeigen.

Wie das BFS in seiner Mitteilung schreibt, sei die Zunahme der Religionslosen grösstenteils auf Kirchenaustritte zurückzuführen. Viele hätten die Religionszugehörigkeit erst im Laufe ihres Lebens aufgegeben und seien zuvor Mitglied einer Kirche gewesen. Gemäss einer Umfrage von 2019 haben zwei Drittel der Personen ohne offizielle Religionszugehörigkeit in der Kindheit einer Religion angehört. Etwa die Hälfte dieser Personen gehörte davor der römisch-katholischen Kirche und 40 Prozent der evangelisch-reformierten Kirche an. Der Hauptbeweggrund für das Aufgeben der Religionszugehörigkeit sei, dass sie den Glauben verloren oder gar nie einen Glauben gehabt hätten.

Kirche wird oben verlassen, unten kommen weniger dazu

Wie es auf Anfrage von zentralplus bei den katholischen Kirchen der Kantone Zug und Luzern heisst, sei es nicht ganz so einfach, die Gründe für das starke Wachstum bei den Religionslosen auszumachen. Tatsächlich zeigt die Statistik, dass sich in den beiden Kantonen die Zahl der Religionslosen die vergangenen zehn Jahre zwar verdoppelt hat, die Mitgliederzahlen der Kirchen aber nicht in gleichem Masse abgenommen haben. Verantwortlich sind also nicht nur Kirchenaustritte, es bröckelt quasi auch von unten.

«Wir merken, dass immer weniger Kinder getauft werden», sagt Arnold Landtwing, Kommunikationsverantwortlicher der Katholischen Kirche Zug. Er beobachte grundsätzlich, dass seit einigen Jahren die Bindung der Bevölkerung zu lokalen Organisationen verloren gehe. Das seien Vereine, Parteien oder aber eben die Kirche. Landtwing vermutet, dass das Bedürfnis nach Bindung und regelmässigem Engagement in einer Gemeinde nachgelassen habe, «und wenn man nun zum Beispiel in einem Fasnachtsverein engagiert ist, dann ist das Bedürfnis nach zusätzlichem Austausch in der Kirche halt eher klein».

Austritte mit Rattenschwanz

Dass die Taufen zurückgehen würden, heisst es auch bei der Katholischen Kirche in Luzern. Der Kommunikationsverantwortliche, Dominik Thali, sieht hierbei eine exponentielle Entwicklung in Zusammenhang mit Kirchenaustritten. Heisst: Mit Zunahme der Austritte über die Jahrzehnte würden auch immer mehr ehemalige Kirchenmitglieder ins Alter geraten, in dem sie Kinder haben. Diese wiederum würden nicht getauft und somit nehme die Zahl der Personen ohne Religionszugehörigkeit immer weiter zu.

Die Beobachtungen aus Zug und Luzern stützt auch die Kirchenstatistik des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts. Dieses erhebt in regelmässigen Abständen Daten der Kirchen. So etwa auch bei den Taufen. Diese haben in den vergangenen Jahren stetig abgenommen. Im Jahr 2020 gab es gar einen Einbruch – dieser ist aber auf die Pandemie zurückzuführen.

«Fokus ist, dort zu sein, wo das Bedürfnis besteht»

Die Kirchen sind wohl alarmiert, in Panik verfallen sie aber nicht. Arnold Landtwing aus Zug sagt dazu: «Wir verlieren Mitglieder, das können wir nicht schönreden.» Der Fokus solle aber nicht darauf liegen, die Mitglieder auf Biegen und Brechen in der Kirche zu halten. «Vielmehr müssen wir dort sein, wo das Bedürfnis besteht, und auch am Rande der Gesellschaft präsent sein, wo es die Kirche braucht.»

Mit etwas Sorge schauen die Kirchenverantwortlichen dann aber doch in die Zukunft. Noch liegen keine Zahlen vom Jahr 2023 vor. Erwartet werden wegen der Missbrauchsstudie Rekordwerte. Was dies in einigen Jahren auf die Zahl der Taufen ausmacht und ob auch in Zug und Luzern die Religionslosen überhandnehmen, wird sich zeigen.

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung BFS
  • Statistik BFS Religionen im Jahr 2022
  • Telefonischer Austausch mit Arnold Landtwing, Kommunikationsverantwortlicher der Katholischen Kirche Zug
  • Telefonischer Austausch mit Dominik Thali, Kommunikationsverantwortlicher der Katholischen Kirche Luzern
  • Kirchenstatistik des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts
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7 Kommentare
  • Profilfoto von Sweety
    Sweety, 28.01.2024, 22:02 Uhr

    Ich kenne x Kirchenaustritte – der Hauptgrund meiner Bekannten ist meist die hohen Kirchensteuern, was ich, als Gläubige – absolut nachvollziehen kann! Natürlich haben die Skandale nicht geholfen, und heute sind viele Menschen weniger gläubig, aber die hohen – obligatorischen Kirchensteuern- belasten das Haushaltsbudget enorm.

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    Karl, 28.01.2024, 07:51 Uhr

    Als ich volljährig wurde, war meine erste Handlung den Austritt aus der Kirche. Als Antwort erhielt ich einen Brief, ddr mir androhte später mal in die Hölle zu kommen. Ich habe den Entscheid bis heute nicht bereut und an die Hölle glaube ich eh nicht. Das Gute, ich habe viel Geld gespart.

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    Hegard, 27.01.2024, 19:58 Uhr

    Was sind das für Religionsgemeischaften, die Unrecht gewähren lassen und vertuschen.
    Und jetzt jammern sie, weil sie nichts dagegen unternommen haben! Sie würden besser das erschleichte Geld für Opfer einsetzen. Jahrzehnte lang hat man die Missbräuche unter den Tepich gekehrt und wundert sich nun wegen der Austritte. Durch Scheinheiligkeit gewinnt mann kein Vertrauen.

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    Zwätschgechueche, 27.01.2024, 10:10 Uhr

    Das einzig schöne an der Kirche finde ich die Architektur, welche man zB fürs Lilu nutzen kann.

    Für die Märchen habe ich Netflix

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    Jerome Halter, 27.01.2024, 07:59 Uhr

    Oh, das erstaunt mich nicht. Wer diese Organisation unterstützt finanziert gewisse Praktiken die nicht sehr schön sind. So ganz ganz lieb geschrieben…

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    Roli Greter, 27.01.2024, 07:42 Uhr

    Gratulation an alle die den Absprung geschafft haben.

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    Hannes Estermann, 27.01.2024, 07:31 Uhr

    Warum nicht einmal über die Grenze schauen ?
    in Italien sind Kirchenaustritte viel tiefer !
    Wer nun denkt; das habe etwas mit der Macht des Vatikan zu tun, der irrt sich gewaltig.
    Weshalb?
    In der ital.Steuerdeklaration kann eben so ausgewählt werden…Kirchensteuer JA/NEIN.
    Der grosse Unterschied, bei einem NEIN geht der gleich hohe Steuerbetrag, anstatt in die Kasse der Kirche ins staatliche Sozialwesen. Clever… nicht zuletzt für die Staatskasse.
    Vermutlich währen bei uns die Kirchenaustritte sofort markant tiefer!

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