Benimm-Regeln im Wandel der Zeit

Fauxpas adé! So verläuft dein Date ohne Katastrophe

Finde den Fehler! Knigge-Expertin Katrin Künzle weiss, worauf es bei Tischmanieren ankommt. (Bild: zvg / Rene Ranisch /Unsplash)

Tischmanieren und Sozialkontakte haben unter der Pandemie gelitten. Aber wie wichtig sind Knigge-Regeln generell noch? Wir haben bei einer Expertin nachgefragt, die Knigge-Kurse in Luzern gibt. Und wir sagen dir, wie dein Date nicht zur Katastrophe wird.

Der Frühling ist da, alles blüht, die Pollen fliegen – und die Hormone spinnen. Im Volksmund spricht man von Frühlingsgefühlen. Gibt's das? Biologisch gesehen: ja. Das Sonnenlicht erhöht den Ausschuss des «Glückshormons» Serotonin und macht uns dadurch glücklicher, zufriedener – und empfänglicher für Schmetterlinge im Bauch. Dazu kommt noch Vitamin D und bei den Herren der Schöpfung ein erhöhter Testosteronpegel.

So, und jetzt stell dir vor, du hast ein Date. Ihr sitzt euch im Restaurant gegenüber, die erste Nervosität ist verflogen und es läuft bisher recht gut. Dann kommt der erste Gang auf den Tisch. Fassungslos schaust du zu, wie dein Gegenüber das adrett angerichtete Salätchen wie eine wild gewordene Mastsau in sich reinstopft und du dich fragst: «Wie hoch ist die Strafe für Zechprellerei?»

Wir haben die Regeln verlernt

Tischmanieren gehören zum guten Ton. Privat, vor allem aber in der Öffentlichkeit und in der Geschäftswelt. Sie sind Zeichen für gute Erziehung, Anstand und Respekt. Aber wie relevant sind Knigge-Regeln heute wirklich noch?

«Die Grundlagen gehen langsam verloren.»

Katrin Künzle, Knigge-Trainerin

«Tischmanieren sind und bleiben relevant», sagt uns Katrin Künzle am Telefon. Künzle ist lizensierte Knigge-Trainerin und Geschäftsführerin der Künzle Organisation, die für Firmen und Kinder und Jugendliche Knigge-Kurse anbietet. Unter anderem im Hotel Waldstätterhof in Luzern. Mit ihren 17 Jahren Berufserfahrung stellt sie fest: «Die Grundlagen gehen langsam verloren.»

Fünf Benimm-Tipps für ein gelungenes Treffen

Damit dein Date – oder dein Geschäftstreffen – nicht zu einem kompletten Desaster wird, haben wir dir einige Tipps zusammengestellt.

Tipp 1: Pünktlichkeit

Wer zu spät kommt, hat's eigentlich schon vergeigt, zeugt das doch von mangelndem Interesse – oder fehlgeleitetem Zeitmanagement. Falls der Bus doch einmal im Verkehr steckenbleibt, das Velo keine Luft im Pneu hat oder die Kleidungswahl länger gedauert hat: Informiert das Gegenüber wenigstens.

Tipp 2: Der erste Eindruck

Kommst du mit der Körperhaltung eines altersschwachen Fragezeichens angeschlurft? Zählt dein Händedruck zur Kategorie «toter Fisch»? Das hinterlässt kaum einen positiven ersten Eindruck. Und der ist in allen Lebenslagen entscheidend. «Der erste Eindruck wird häufig unterschätzt», sagt auch Künzle und rät, sowohl auf die Haltung als auch auf den Blickkontakt zu achten. «Direkter Blickkontakt zeigt ehrliches Interesse am Gegenüber.»

Tipp 3: Tischmanieren

Beim Essen gilt: Hände auf den Tisch. Nicht in den Schoss, nicht über die Stuhllehne, sondern auf den Tisch. Ganz einfach. Linke Hand: Gabel, rechte Hand: Messer oder Löffel. Das mundgerecht geschnittene Stück Filet steckt auf der Gabel? Gut. Dann geht diese zum Mund. Nicht umgekehrt. Ach, und: erst runterschlucken und erst dann sprechen.

Tipp 4: Haltung zeigen

Nächster Problemfaktor ist die Körperhaltung. Wer gekrümmt über dem Tisch sitzt oder beinahe im Stuhl liegt, macht nicht nur einen schlechten Eindruck, sondern schadet auch seinem Rücken. Stattdessen sollte man aufrecht am Tisch sitzen, die Arme (aber nicht die Ellenbogen!) auf dem Tisch abstützen.

Tipp 5: Handy weg

Ja, die meisten von uns sind dezent handysüchtig. Im Bus, im Wartezimmer, auf dem Heimweg – das Smartphone ist unser stetiger Begleiter worden. Bei einigen liegt es auch beim Essen stets in Griffnähe. Ein No-Go, findet Künzle: «Wenn man sich mit dem Handy statt dem Gegenüber beschäftigt, zeugt das von fehlender Wertschätzung.» Zudem seien die meisten Gespräche und Nachrichten nicht so brennend, dass sie nicht eine halbe Stunde warten könnten.

Knigge ist Erziehungssache

Natürlich gehören noch viele weitere Faktoren zu einem erfolgreichen Treffen. Aber wenn du einige grundlegende Knigge-Regeln im Hinterkopf behältst, minimierst du wenigstens das Risiko, dass dein Gegenüber gleich fluchtartig das Lokal verlässt.

Die grundsätzliche Etikette lernen wir natürlich im Kinder- und Jugendalter. Und hier sieht Künzle grossen Nachholbedarf. «8 von 10 Kindern in meinem Kurs halten beispielsweise das Besteck falsch.» Dabei geht es nicht einmal darum, Knigge-Regeln einzuhalten, sondern vor allem um die praktische Handhabung: Wer Messer und Gabel richtig hält, isst leichter.

Gesellschaftliche Strukturen beeinflussen die Manieren

Die Schuld am fehlenden Wissen bei Kindern sieht Künzle aber nicht zwingend nur bei den Eltern. «Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen», sagt sie. Da gemeinsame Mahlzeiten mit der Familie in der Vergangenheit zunehmend abgenommen haben, verbringen Kinder von berufstätigen Eltern ihre Mittagspause heute oft in Kita-Strukturen. «Den Tischmanieren wird da meistens weniger Beachtung geschenkt, Vorbildfunktionen werden nicht immer wahrgenommen.»

Dass Künzle an ihren Kursen diese Missstände nicht in wenigen Stunden ausbügeln kann, ist klar. «Es geht uns darum, Impulse zu setzen, damit die Kinder und Jugendlichen ein Bewusstsein entwickeln.» Die Kinder zeigen sich durchaus interessiert und wissbegierig. «Es kommt dann vor, dass die Kinder die Eltern auf Fehler hinweisen.»

Die Pandemie hat unser Verhalten beeinflusst

Im Gegensatz zu Tischmanieren sind andere Knigge-Regeln beweglicher und haben sich im Laufe der Zeit auch stetig geändert. Jüngstes Beispiel: Die Corona-Pandemie.

So rät Katrin Künzle in Bezug auf den Händedruck: «Abstand ist der neue Anstand.» Zwar käme das Händeschütteln langsam wieder zurück, Künzle wendet es in ihren Kursen aber noch nicht an. «Es ist zu früh. Und viele möchten es auch gar nicht.»

Pandemie hat neue Verhaltensregeln erfordert

Andernorts hat die Pandemie auch neue Möglichkeiten eröffnet – und nötig gemacht. Beispielsweise beim Onlineverhalten mit den ganzen Zoom-Meetings. «Was sieht mein Gegenüber von meiner Wohnung, trage ich saubere Kleider, habe ich mich gekämmt?» Gemäss Künzle gibt man bei solchen Onlinetreffen viel Intimes von sich preis. «Oft ist es einem nicht bewusst, was für Eindrücke dadurch entstehen können.»

«Jetzt, wo die Restaurants wieder offen haben, müssen wir den Umgang wieder neu lernen.»

Nebst neuen Formen geht es jetzt auch darum, alte wieder aufzufrischen. Die Restaurants waren während der Pandemie geschlossen – oder wurden gemieden –, das Sozialleben war grundsätzlich eingeschränkt. Oft assen wir daheim, teils noch vor dem TV und kümmerten uns nicht mehr gross um Tischmanieren. «Jetzt, wo die Restaurants wieder offen haben, müssen wir den Umgang wieder neu lernen.»

Aber letztlich findet Katrin Künzle: «Regeln sollte man nicht über den gesunden Menschenverstand stellen.»

Über den «Knigge»

1788 unter dem Titel «Über den Umgang mit Menschen» erschienen, mauserte sich das Buch des deutschen Autors Adolph Freiherr Knigge schnell zum Standardwerk.

Das Buch wurde in den folgenden Jahren zunehmend ergänzt und angepasst. In dem ursprünglichen «Knigge» ging es nämlich gar nicht um Tischmanieren, sondern vielmehr um korrekte Umgangsformen in verschiedenen Gesellschaftsschichten.

Im Laufe der Zeit sind zahlreiche Knigges auf den Markt gekommen. Nebst demjenigen für Tischmanieren gibt es auch Knigges fürs Büro, Velofahren, für Katzen oder den Umgang mit Stand-up-Paddeln (zentralplus berichtete). «Knigge würde sich wohl im Grabe umdrehen», sagt Katrin Künzle lachend.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Katrin Künzle
  • Webseite Künzle Organisation
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