Coronavirus: Das droht, wenn ihr alle Ratschläge in den Wind schiesst
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Wer denkt, der Zeitpunkt sei perfekt für einen Besuch bei der Erbtante, der sei gewarnt. Wer jemanden extra mit dem Coronavirus ansteckt, riskiert eine Gefängnisstrafe. Veranstalter müssen mit bis zu 10'000 Franken Busse rechnen, wenn sie sich nicht an die Auflagen halten.
In einem Luzerner Restaurant arbeitete 2016 monatelang ein Mann, der an Tuberkulose litt. Seine schwere Krankheit hielt er geheim – und steckte so vier weitere Personen an. Sie mussten sich einer neunmonatigen Antibiotika-Therapie unterziehen.
Die Staatsanwaltschaft verurteilte den Gastromitarbeiter daraufhin zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse von 1’800 Franken. Die Begründung: Mit der gebotenen Vorsicht hätten die Ansteckungen verhindert werden können, der Mann nahm eine Körperverletzung in Kauf.
Immerhin, die Staatsanwaltschaft Luzern gestand dem Mann zu, seine Mitarbeiter nicht böswillig angesteckt zu haben. Sonst wäre die Strafe wohl deutlich schärfer ausgefallen. Im Strafgesetzbuch heisst es: Wer aus «gemeiner Gesinnung» eine gefährliche übertragbare menschliche Krankheit verbreitet, wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft. Derzeit mit Halsschmerzen seine Erbtante zu besuchen kann demnach zu einem grausamen Boomerang werden.
Wer «nur» gegen Empfehlungen verstösst, ist nicht strafbar
Wer hingegen trotz Empfehlung die Hände nicht wäscht, riskiert vorerst keine Bestrafung. Jedenfalls nach Einschätzung von Bernhard Rütsche, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Luzern.
Man könne nicht von einer «gemeinen Gesinnung» sprechen, wenn jemand krank zur Arbeit geht und dabei eine Ansteckung anderer Personen in Kauf nimmt. «Wer sich nicht an die Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit hält, kann deswegen nicht rechtlich sanktioniert werden», so die Einschätzung des Experten.
Strafen drohen nur, wenn jemand einer verbindlichen behördlichen Anordnung wie dem Veranstaltungsverbot der Corona-Verordnung zuwiderhandelt. Wenn ein Veranstalter seinen Event nicht meldet oder trotz Verbot durchführt, ist gemäss Rütsch eine Busse von bis zu 10’000 Franken möglich.
Sollte eine Veranstaltung stattfinden, welche die Bewilligungsauflagen nicht einhält oder gar nicht durchgeführt werden dürfte, ist die Polizei «ermächtigt und verpflichtet» einzugreifen. «Dies kann bis zur gewaltsamen Auflösung einer Veranstaltung gehen, wenn mildere Massnahmen wie etwa ein Ultimatum versagt haben oder aussichtslos wären», sagt Rütsche.
Gesetzliche Grundlage für Entschädigung fehlt
Apropos rechtliche Situation der Veranstalter: Bernhard Rütsche glaubt, dass diese vergeblich auf Entschädigungen hoffen. Im Epidemiengesetz sei zwar eine Entschädigung bei Schäden aufgrund behördlicher Massnahmen vorgesehen. Aber erstens sei diese lediglich fakultativ und zweitens auf ein Verbot von Veranstaltungen, wie sie die Corona-Verordnung vorsehe, nicht anwendbar.
«Ein Staatshaftungsanspruch geschädigter Veranstalter gegen den Bund oder gegen Kantone wird daran scheitern, dass kein widerrechtliches Verhalten einer staatlichen Behörde vorliegt.» Gewisse Kantone, wie etwa der Kanton Luzern, sähen immerhin vor, dass das Gemeinwesen in besonderen Fällen Ersatz leisten kann. Dies beispielsweise, wenn durch einen rechtmässigen Polizeieinsatz Schaden entsteht. «Eine solche Entschädigung liegt aber im Ermessen des Kantons», so Rütsche.
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