Stadt Luzern lanciert «Luzern schaut hin»

Auch für Fasnacht: Meldetool gegen sexuelle Belästigung

Lustige Ausgefallenheit steht genauso für die Luzerner Fasnacht wie hemmungloses Gegrabsche im Schutz der Masse. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Die Stadt Luzern lanciert das Onlinemeldetool «Luzern schaut hin». Auf der Website können sexistische und queerfeindliche Übergriffe anonym gemeldet werden. Die Lancierung erfolgt nicht zufällig kurz vor der Fasnacht.

«Log, de Züsli hed e Setzig», stellt ein Passant mit Blick auf das Sitzungszimmer im Stadthaus an der Winkelriedstrasse fest. Tatsächlich lädt der Stadtpräsident am Freitagmorgen zur Medienkonferenz, wobei Beobachtungen ebenso Bestandteil des präsentierten Online-Meldetools sind wie eigene Erfahrungen rund um sexistische und queerfeindliche Übergriffe.

Zusammen mit Lena Greber und Anskar Roth, die zusammen die Co-Leitung der Fachstelle Gleichstellung bilden, und mit Christian Wandeler, Sicherheitsmanager der Stadt Luzern, stellt Beat Züsli das Onlinemeldetool «Luzern schaut hin» vor.

Die Medienkonferenz zum Onlinemeldetool «Luzern schaut hin» im Luzerner Stadthaus mit Stadtpräsident Beat Züsli in der Mitte.

Auf der Website von «Luzern schaut hin» können Luzerner anonym sexistische und queerfeindliche Übergriffe melden. Ziele seien die Prävention und Sensibilisierung zum Thema, aber auch die Gewinnung von Daten zu den Übergriffen. Denn momentan stützt sich die Stadt Luzern bei der Ausarbeitung von Massnahmen vor allem auf Vermutungen. Christian Wandeler stellt fest: «Wir wissen nicht, was im öffentlichen Raum passiert.»

Zürich und Bern nutzen dasselbe Meldetool

Zürich nutzt dasselbe Meldetool bereits seit Mai 2021, Bern seit bald einem Jahr. In den beiden Städten werden täglich 2 bis 2,5 Meldungen erfasst. Dabei handle es sich meist um Übergriffe im ÖV oder auf der Strasse, erklärt Lena Greber. Am häufigsten betroffen seien – wenig überraschend – Frauen.

Bei den im Meldetool erfassten Fällen gehe es regelmässig um verbale Belästigungen, ums Anstarren, aber auch Begrabschen. Strafrechtlich relevant seien die Belästigungen selten. Darum würden diese auch kaum der Polizei gemeldet und zur Anzeige gebracht – was die Wissenslücke der Stadt Luzern bezüglich Häufigkeit, Zeit, Ort und Art der Belästigungen teilweise erklärt.

Härtetest an der Luzerner Fasnacht

Zahlen fehlen auch zu Übergriffen an der Luzerner Fasnacht. In einem offenen Brief kritisierte die Juso Luzern darum vor einem Jahr die Stadt Luzern und das Luzerner Fasnachtskomitee (LFK). Sie forderte eine Aufklärungskampagne gegen sexuelle Belästigung während des «rüüdigen Treibens», wobei «reudig» in dieser Hinsicht wohl passender wäre.

Wie sehr diese Aufklärungskampagne nötig gewesen wäre, zeigt die Stellungnahme der Vereinigten: «Sexuelle Belästigung ist kein Thema an der Luzerner Fasnacht.»

Gegenbeweis gefällig? «Plötzlich drückt sich aus dem Nichts heraus ein wildfremder Mann an mich. Er fängt an, mich mit seinem Körper an die Wand zu drücken und sich an mir zu reiben. Er flüstert mir Dinge ins Ohr, die ich hier nicht wiederholen möchte», beschrieb eine zentralplus-Autorin, was ihr an der Luzerner Fasnacht widerfahren ist (zentralplus berichtete). Wer sich aktiv im eigenen Umfeld umhört, wird sich etliche ähnliche Schilderungen anhören müssen.

Reaktion auf Juso-Forderung

Schafft es die Stadt Luzern, das Onlinemeldetool bis zur Fasnacht so bekannt zu machen, dass es auch effektiv genutzt wird, dürfte Aussagen wie jener der Vereinigten auch mit Zahlen statt blossen Vermutungen begegnet werden.

Tatsächlich vermutet die Stadt Luzern, dass es an der Fasnacht jeweils vermehrt zu sexistischen und queerfeindlichen Belästigungen käme. Es sei denn auch kein Zufall, dass «Luzern schaut hin» noch vor der Fasnacht online gehe, bestätigt Christian Wandeler auf Nachfrage von zentralplus. Dabei wolle die Stadt Luzern mit der Lancierung des Onlinemeldetools auch auf politische Vorstösse – etwa den Vorstoss der SP-Politikerin Maria Pilotto (zentralplus berichtete) oder den offenen Brief der Juso – reagieren.

Laufende Auswertung

Alle drei Monate wolle die Stadt Luzern Schlüsse aus den laufenden Auswertungen ziehen. Wie und wie oft sie entsprechende Resultate publizieren werde, sei derweil noch unklar, sagt Stadtpräsident Züsli. Die marketingtechnische Stossrichtung hingegen scheint klar zu sein.

Bekannt machen möchte die Stadt «Luzern schaut hin» mit Plakaten, Werbung in VBL-Bussen oder im Bahnhof – aber durch Partnerinnen wie die Bar- und Clubkommission. Zudem sind Veranstaltungen und Workshops zu Themen wie Zivilcourage, Sexismus oder Queerfeindlichkeit geplant.

Anonymität hat Priorität

Betont wird seitens der Stadt Luzern insbesondere auch die Niederschwelligkeit des neuen digitalen Angebots. Tatsächlich funktioniert das Onlinemeldetool selbsterklärend, ohne Login – und anonym. Lena Greber erklärt den Datenschutz an der Medienkonferenz zur höchsten Priorität. Bewusst oder unbewusst eingegebene identifizierende Merkmale wie etwa der Name oder das Aussehen eines mutmasslichen Täters oder einer Betroffenen lösche die Stadt Luzern umgehend.

zentralplus will von Greber wissen, ob das Onlinemeldetool die öffentliche Diffamierung von Tätern im Netz fördere, weil die Erfassung eines Übergriffs eben nicht zu dessen Ahndung führe. «Im Gegenteil», widerspricht Greber. Wer «Luzern schaut hin» nutze und sich nicht damit zufriedengeben wolle, dass der Vorfall bloss anonym erfasst werde, finde auf der Website Informationen zu verschiedensten Beratungsstellen. Aber auch rechtliche Hinweise, etwa zur Erstattung einer Anzeige.

Verwendete Quellen
  • Medienkonferenz der Stadt Luzern
  • Medienmitteilung der Stadt Luzern
  • Website «Luzern schaut hin»
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


9 Kommentare
  • Profilfoto von C. Bucher
    C. Bucher, 27.01.2024, 13:35 Uhr

    Eine Meldestelle ist wichtig! Bitte auch Beratung anbieten.

    Und an alle Kommentierenden, die das unnötig finden, weil sie offenbar auch das Glück hatten, noch nie davon betroffen zu sein: Fragt mal im Umfeld nach entsprechenden Erfahrungen während der Fasnachtszeit!

    👍2Gefällt mir👏0Applaus🤔1Nachdenklich👎3Daumen runter
    • Profilfoto von Yannick Hagmann
      Yannick Hagmann, 27.01.2024, 14:44 Uhr

      Wissen Sie was? Diese Stelle gibt es für tatsächliche Fälle bereits.

      Falsche Zahlen helfen hingegen niemandem. Offenbar geht es den woken Jusolisten rund um ihren SP-Stadpräsi Züsli eher darum, mittels irreführenden Zahlenstatistiken wieder ein paar hochsensibilisierte und superwoke Stellenprozente zu Lasten der Allgemeinheit zu verteilen.

      Ganz nach dem eigentlichen Partei-Motto: Für wenige statt für alle.

      Luzern schaut hoffentlich genau hin.

      👍3Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎5Daumen runter
      • Profilfoto von C. Bucher
        C. Bucher, 27.01.2024, 17:46 Uhr

        Letztes Jahr erfuhr die Öffentlichkeit vom Ausmass des sexuellen Missbrauchs im Umfeld der katholischen Kirche. Es schadet nicht, wenn die Politik ein paar Lehrstücke daraus mitnimmt.
        Eines davon ist, dass die betroffenen Personen oft nicht gehört und/oder ihnen lange nicht geglaubt wird. Deshalb seien unabhängige Meldestellen für sexualisierte Gewalt wichtige Einrichtungen.
        Bitte informieren Sie sich über dieses wichtige Thema, vielen Dank.

        👍2Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎3Daumen runter
        • Profilfoto von Yannick Hagmann
          Yannick Hagmann, 27.01.2024, 18:29 Uhr

          Der Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche ist ein sehr spezielles Thema. Hier geht es aber um einen unausgegorenen anonymen Onlinepranger, der offenkundige Falschangaben produzieren wird. Und was soll der Knopfdruck einem Opfer eigentlich bringen? Es gibt eine Opferberatungsstelle und auch einen Polizeiposten in dieser Stadt.

          Im Übrigen gibt es auf der anderen Seite natürlich (leider) auch Frauen, die aus unterschiedlichen Motiven ganz bewusst andere verleumden und falsche Gerüchte streuen.

          👍3Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎3Daumen runter
  • Profilfoto von Yannick Hagmann
    Yannick Hagmann, 27.01.2024, 00:12 Uhr

    Sieh› an, die Stadt Luzern will ihre Wissenslücken in Sachen Vermutungen mit einem neuen teuren Onlinepranger füllen, der ihr was meldet? Vermutungen.

    Zahlen über Meldungen von denen weder bekannt ist, ob sie wahr sind, noch wer sie aus welchen Motiven aufgegeben hat. Die illegal erhobenen Daten will man angeblich (nach Einsichtnahme?) löschen. Was haben potenzielle VerleumderInnen oder auch tatsächliche Opfer von dieser falschen Zahlenstatistik?

    Vorpubertäre JUSO-Ideen also als neues Stadtleitbild und Fasnachtssujet.

    Der Luzerner Stadtrat wird mittlerweile so inkompetent regiert, dass es ein Segen ist, nicht mehr in der Stadt zu wohnen.

    👍3Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎4Daumen runter
  • Profilfoto von Andrea
    Andrea, 26.01.2024, 19:08 Uhr

    Wehrt euch doch einfach selber (so mache ich es)- ist hilfreicher als danach auf einer Plattform zu klagen.

    👍5Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎4Daumen runter
  • Profilfoto von Jamie
    Jamie, 26.01.2024, 15:26 Uhr

    Eine weitere Schnapsidee der Juso, die nichts bringt und Steuergelder verschlingt.

    👍5Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎4Daumen runter
  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 26.01.2024, 14:07 Uhr

    Eine gute Idee, die hoffentlich nicht missbraucht wird!

    👍5Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎5Daumen runter
    • Profilfoto von Jerome Halter
      Jerome Halter, 27.01.2024, 08:02 Uhr

      Oh, das wird sie…

      👍3Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎5Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon