Auch für Fasnacht: Meldetool gegen sexuelle Belästigung
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Die Stadt Luzern lanciert das Onlinemeldetool «Luzern schaut hin». Auf der Website können sexistische und queerfeindliche Übergriffe anonym gemeldet werden. Die Lancierung erfolgt nicht zufällig kurz vor der Fasnacht.
«Log, de Züsli hed e Setzig», stellt ein Passant mit Blick auf das Sitzungszimmer im Stadthaus an der Winkelriedstrasse fest. Tatsächlich lädt der Stadtpräsident am Freitagmorgen zur Medienkonferenz, wobei Beobachtungen ebenso Bestandteil des präsentierten Online-Meldetools sind wie eigene Erfahrungen rund um sexistische und queerfeindliche Übergriffe.
Zusammen mit Lena Greber und Anskar Roth, die zusammen die Co-Leitung der Fachstelle Gleichstellung bilden, und mit Christian Wandeler, Sicherheitsmanager der Stadt Luzern, stellt Beat Züsli das Onlinemeldetool «Luzern schaut hin» vor.
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Auf der Website von «Luzern schaut hin» können Luzerner anonym sexistische und queerfeindliche Übergriffe melden. Ziele seien die Prävention und Sensibilisierung zum Thema, aber auch die Gewinnung von Daten zu den Übergriffen. Denn momentan stützt sich die Stadt Luzern bei der Ausarbeitung von Massnahmen vor allem auf Vermutungen. Christian Wandeler stellt fest: «Wir wissen nicht, was im öffentlichen Raum passiert.»
Zürich und Bern nutzen dasselbe Meldetool
Zürich nutzt dasselbe Meldetool bereits seit Mai 2021, Bern seit bald einem Jahr. In den beiden Städten werden täglich 2 bis 2,5 Meldungen erfasst. Dabei handle es sich meist um Übergriffe im ÖV oder auf der Strasse, erklärt Lena Greber. Am häufigsten betroffen seien – wenig überraschend – Frauen.
Bei den im Meldetool erfassten Fällen gehe es regelmässig um verbale Belästigungen, ums Anstarren, aber auch Begrabschen. Strafrechtlich relevant seien die Belästigungen selten. Darum würden diese auch kaum der Polizei gemeldet und zur Anzeige gebracht – was die Wissenslücke der Stadt Luzern bezüglich Häufigkeit, Zeit, Ort und Art der Belästigungen teilweise erklärt.
Härtetest an der Luzerner Fasnacht
Zahlen fehlen auch zu Übergriffen an der Luzerner Fasnacht. In einem offenen Brief kritisierte die Juso Luzern darum vor einem Jahr die Stadt Luzern und das Luzerner Fasnachtskomitee (LFK). Sie forderte eine Aufklärungskampagne gegen sexuelle Belästigung während des «rüüdigen Treibens», wobei «reudig» in dieser Hinsicht wohl passender wäre.
Wie sehr diese Aufklärungskampagne nötig gewesen wäre, zeigt die Stellungnahme der Vereinigten: «Sexuelle Belästigung ist kein Thema an der Luzerner Fasnacht.»
Gegenbeweis gefällig? «Plötzlich drückt sich aus dem Nichts heraus ein wildfremder Mann an mich. Er fängt an, mich mit seinem Körper an die Wand zu drücken und sich an mir zu reiben. Er flüstert mir Dinge ins Ohr, die ich hier nicht wiederholen möchte», beschrieb eine zentralplus-Autorin, was ihr an der Luzerner Fasnacht widerfahren ist (zentralplus berichtete). Wer sich aktiv im eigenen Umfeld umhört, wird sich etliche ähnliche Schilderungen anhören müssen.
Reaktion auf Juso-Forderung
Schafft es die Stadt Luzern, das Onlinemeldetool bis zur Fasnacht so bekannt zu machen, dass es auch effektiv genutzt wird, dürfte Aussagen wie jener der Vereinigten auch mit Zahlen statt blossen Vermutungen begegnet werden.
Tatsächlich vermutet die Stadt Luzern, dass es an der Fasnacht jeweils vermehrt zu sexistischen und queerfeindlichen Belästigungen käme. Es sei denn auch kein Zufall, dass «Luzern schaut hin» noch vor der Fasnacht online gehe, bestätigt Christian Wandeler auf Nachfrage von zentralplus. Dabei wolle die Stadt Luzern mit der Lancierung des Onlinemeldetools auch auf politische Vorstösse – etwa den Vorstoss der SP-Politikerin Maria Pilotto (zentralplus berichtete) oder den offenen Brief der Juso – reagieren.
Laufende Auswertung
Alle drei Monate wolle die Stadt Luzern Schlüsse aus den laufenden Auswertungen ziehen. Wie und wie oft sie entsprechende Resultate publizieren werde, sei derweil noch unklar, sagt Stadtpräsident Züsli. Die marketingtechnische Stossrichtung hingegen scheint klar zu sein.
Bekannt machen möchte die Stadt «Luzern schaut hin» mit Plakaten, Werbung in VBL-Bussen oder im Bahnhof – aber durch Partnerinnen wie die Bar- und Clubkommission. Zudem sind Veranstaltungen und Workshops zu Themen wie Zivilcourage, Sexismus oder Queerfeindlichkeit geplant.
Anonymität hat Priorität
Betont wird seitens der Stadt Luzern insbesondere auch die Niederschwelligkeit des neuen digitalen Angebots. Tatsächlich funktioniert das Onlinemeldetool selbsterklärend, ohne Login – und anonym. Lena Greber erklärt den Datenschutz an der Medienkonferenz zur höchsten Priorität. Bewusst oder unbewusst eingegebene identifizierende Merkmale wie etwa der Name oder das Aussehen eines mutmasslichen Täters oder einer Betroffenen lösche die Stadt Luzern umgehend.
zentralplus will von Greber wissen, ob das Onlinemeldetool die öffentliche Diffamierung von Tätern im Netz fördere, weil die Erfassung eines Übergriffs eben nicht zu dessen Ahndung führe. «Im Gegenteil», widerspricht Greber. Wer «Luzern schaut hin» nutze und sich nicht damit zufriedengeben wolle, dass der Vorfall bloss anonym erfasst werde, finde auf der Website Informationen zu verschiedensten Beratungsstellen. Aber auch rechtliche Hinweise, etwa zur Erstattung einer Anzeige.
- Medienkonferenz der Stadt Luzern
- Medienmitteilung der Stadt Luzern
- Website «Luzern schaut hin»