Kriegsflugzeug im Zugersee

Wie Bomber-Schaffner die «Flying Fortress» barg

Der Bomber ist gehoben: Martin Schaffner (mit Stumpen), Taucher Gottfried Scherrer und Josef Schnellmann vor der B-17 Flying Fortress. (Bild: Eugen Grau)

1944 stürzte ein amerikanischer Bomber in den Zugersee. Acht Jahre später hob Martin Schaffner, genannt Bomber-Schaffner, die B-17 Flying Fortress. Eine verrückte Geschichte über Leidenschaft und Mut – mit einem tragischen Ende.

Zugersee-Bomber. So heisst im Volksmund die B-17 Flying Fortress (engl. Fliegende Festung) der US-Luftstreitkräfte, die am 16. März 1944 auf dem Zugersee notlandete und anschliessend sank (zentralplus berichtete). Die B-17 startete in England und sollte mit 220 anderen B-17- und B-24-Bombern und Begleitjagdflugzeugen die Messerschmitt-Flugzeugwerke und das Flugfeld in Augsburg bombardieren.

Noch vor dem Ziel wurde das Geschwader östlich von Stuttgart von deutschen Jagdflugzeugen angegriffen. Bei diesem Angriff wurde die B-17 stark beschädigt und zwei Besatzungsmitglieder erheblich verletzt. Daraufhin verliess der Pilot das Geschwader und er flog mit dem Ziel Spanien Richtung Schweiz.

An der Schweizer Grenze empfingen Schweizer Jagdflugzeuge die B-17. Sie wollten sie zur Landung in Dübendorf zwingen, jedoch mit wenig Erfolg. Im Gebiet des Brünigs und noch vor den verschneiten 4’000 Meter hohen Bergen, entschloss der Pilot, First Lieutenant Robert W. Meyer, abzudrehen. Er flog via Urner-, Lauerzer- und Zugersee Richtung Zug.

Über Inwil bei Zug gab er der neunköpfigen Besatzung den Absprungbefehl. Second Lieutenant Robert L. Williams starb bei der Landung, die übrigen acht Besatzungsmitglieder wie auch die zwei Verletzten landeten alle im Gebiet von Baar.

Pilot verhinderte mit Notlandung ein grösseres Unglück

Der Pilot steuerte die B-17 via Cham und Oberwil zurück über den Zugersee und wasserte vor dem ehemaligen Kantonsspital. Der Zugersee-Bomber schlitterte bis zum Casino in Zug, dann drehte er ab und kam 450 Meter vom Ufer entfernt zum Stillstand. Pilot Robert W. Meyer stieg aus dem Co-Piloten-Fenster und sprang mit aufgepumpter Schwimmweste ins Wasser. Dort zogen ihn die Gebrüder Henggeler in ihr Ruderboot und sie brachten ihn unterhalb des Restaurants Taube an Land.

Eine grosse Menschenmenge erwartete den Piloten. Der Einsatz des 22-jährigen Meyer verhinderte ein grosses Unglück im Zugerland. Nachdem er verpflegt und bei der Stadtpolizei am Kolinplatz in Zug mit trockenen Kleidern versehen worden war, überführte man ihn nach Baar, wo er auf die übrigen Besatzungsmitglieder im Ortskommandoposten im Restaurant Lindenhof traf.

Eine grosse Menschenmenge empfing 1944 den notgelandeten Piloten der B-17 unterhalb des Restaurants Taube. (Bild: Eugen Grau)

Danach besuchte die Besatzung die zwei Verletzten, Bombenschütze Sergeant Carl J. Larson und Kugelturmschütze Sergeant Charles W. Page, im Asyl in Baar. Dem tödlich verunglückten Kollegen Second Lieutenant Robert L. Williams wurde im Leichenhaus in Baar die letzte Ehre erwiesen.

Nachher wurde die Besatzung nach Dübendorf gebracht und interniert.

Martin Schaffner, ein Sammler und Herr der Tankstellen

Auftritt Bomber-Schaffner. Oder Martin Schaffner, wie er mit bürgerlichem Namen hiess. Schaffner wurde 1923 in Gränichen geboren. Infolge langjähriger Krankheit seines Vaters war er schon früh gezwungen, zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Er konnte deshalb keine Berufslehre absolvieren. Ab 1938 arbeitete er in der Motorrad-Reparaturwerkstatt der Maschinenfabrik Gränichen.

Bereits in den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs sah er die volkswirtschaftliche Notwendigkeit des Sammelns und Verwertens von Altstoffen. 1941 machte er sich selbständig. Da er erst 18 Jahre alt war, beantragte seine Mutter 1942 die Mündigkeitserklärung. Damit konnte er nun Altstoffe auf eigene Rechnung sammeln.

Aus Platzgründen und vorausschauend kaufte Martin Schaffner ein Grundstück in Suhr, wo er eine Auto-Service-Station baute. Später kam auf der anderen Strassenseite ein Wohnhaus dazu. Darin wohnte er bis zu seinem Tod 1965. Das Geschäft blühte und er baute weitere fünf Tankstellen. Schaffner war bekannt, dass er das Benzin günstiger verkaufte als die Konkurrenz und entfachte somit einen Preiskampf unter den Anbietern.

Ein Bomber für die eigene Tankstelle

Eines Tages sah Schaffner auf dem Titelblatt einer Zeitschrift ein Foto mit einer Tankstelle, auf deren Dach ein Sportflugzeug als Blickfang prangte. Sofort kam ihm die Idee, seine eigene Tankstelle mit einem Bomber zu bestücken. Zuerst suchte er in der Schweiz nach einem passenden Flugzeug, aber erfolglos. Also fuhr er mit seinem Bruder nach Frankfurt am Main zur US Air Force Basis.

Martin Schaffner, genannt Bomber-Schaffner, mit Toscani-Zigarre. (Bild: Studio Räber, Zug)

Dort erhielten sie die Information, dass US-Bomber in Schweizer Seen zu bergen seien. Zu Hause erkundigte er sich und erfuhr, dass ein US-Bomber im Zugersee liegt. Dank der Beziehungen nach Frankfurt und dem Einverständnis des Eidgenössischen Militärdepartements in Bern startete er mit den Abklärungen zur Hebung des Zugersee-Bombers.

Er konnte den Taucher Gottlieb Scherrer für die Idee begeistern und engagierte ihn. Zusammen bauten sie ein Floss mit zwei 30’000-Liter-Tanks für die Luftpumpen. Nachdem sie eine 45 Meter lange Leiter installiert und mehrere Helfer engagiert hatten, begannen sie mit der Bergung.

Die Vorbereitungen dauerten zwei Jahre

Der Taucher stieg auf der Leiter bis auf den Seegrund in 45 Meter Tiefe. Insgesamt waren auf dem Floss rund 30 Personen an der Bergung beteiligt und bis zu acht Mann bedienten die Luftpumpen. Der Taucher brachte nach dem ersten Tauchgang die Nachricht, dass die Front des Bombers im Seegrund stecke.

So band Gottlieb Scherrer Stahlseile um den Bomber, um ihn zu heben. Leider befestigte er das Seil falsch, sodass der Bug weggerissen wurde. Nachdem der Bomber neu mit Stahlseilen verbunden war, konnten Schaffner und Scherrer ihn am 25. August 1952 heben und an Land bringen. Für die Vorbereitungen zur Bergung des Bombers benötigte Schaffner rund zwei Jahre, die Hebung im Zugersee dauerte zwei Monate.

Verstorben, bevor der Bomber seine Tankstelle zierte

Der Zugersee-Bomber wurde danach in Zug zur Schau gestellt und bereits am ersten Tag der Ausstellung kamen rund 10’000 Schaulustige. An diesem Tag regnete es in Strömen und der Boden verwandelte sich in Morast. Schaffner organisierte vier Personen, die am Ausgang für 30 Rappen die Schuhe der Besucher reinigten. Für den Eintritt verlangte er 1.10 Franken respektive 55 Rappen für Kinder. Für das Parkieren der Fahrräder verrechnete Schaffner 50 Rappen.

Der Zugersee-Bomber war zu Beginn auf dem Kiesplatz hinter dem heutigen Bootshafen in Zug ausgestellt. (Bild: Eugen Grau)

Schaffner hob noch weitere Flugzeuge sowie Autos aus Seen und Flüssen. Aus dem Bodensee barg er zwei Versuchsflugzeuge P-16, eine Vampire der Schweizer Luftwaffe, eine Swissair DC-3 sowie Flugzeuge vor Friedrichshafen, die an der Bombardierung der Stadt und der Industrieanlagen 1944 teilgenommen hatten und abgestürzt waren.

Martin Schaffner war zeitlebens ein schwergewichtiger Mann und wog über 200 Kilogramm. Mit einem chirurgischen Eingriff wollte er sein Gewicht reduzieren. Leider verstarb er nach der Operation am 5. Oktober 1965 im Spital Baden im Alter von 42 Jahren an einer Lungenentzündung.

Eine «Festung» reist durch die Schweiz und nach Holland

Nach der Ausstellung in Zug wurde der Zugersee-Bomber in Basel, Biel, Lausanne und Bern ausgestellt. Anschliessend wurde er zur Tankstelle von Schaffner nach Suhr transportiert. 1966, nach dem Tod von Martin Schaffner, verkauften seine Nachkommen die B-17 nach St. Gallen, wo ein Flugzeugpark errichtet wurde.

1970 wurde der Bomber zum zweiten Mal verkauft und per Lastwagen und Bahn nach St. Moritz transportiert. In St. Moritz-Bad war das Flugzeug neben dem Hotel Sonne ausgestellt. Hier wurde es nach Sprayereien komplett neu bemalt und bekam den ursprünglichen Namen «Lonesome Polecat» (Einsames Stinktier) verpasst. Dieser Namen konnte seinerzeit in England aus Zeitgründen nicht auf den fabrikneuen Bomber gemalt werden.

Der Zugersee-Bomber mit neuem Anstrich in St. Moritz-Bad neben dem Hotel Sonne. Auch der Übername «Lonesome Polecat» ist nun aufgemalt. (Bild: Foto Rutz, St. Moritz)

In St. Moritz wurde er aufgrund von Reklamationen einiger Nachbarn im Jahre 1972, vor 50 Jahren also, verschrottet. Angehörige der holländischen Fluggesellschaft KLM kauften sodann Teile des Zugersee-Bombers. Diese sind seither im Crash Air War & Resistance Museum 40-45 in Holland ausgestellt. Zudem befinden sich bei Schweizer Privatsammlern ein Propeller, Maschinengewehre, Munition und weiteres Material der «Fliegenden Festung».

Hinweis: Das Zuger Depot Technikgeschichte ZDT zeigt am 10. September, 10–16 Uhr, Fotos und andere Memorabilien des Zugersee-Bombers.

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