Schaufensterbummel verhalf zu Weltruhm

Tief im Herzen ist Barbie eine Luzernerin

Ohne einen Zufall in der Stadt Luzern hätte es Barbie vielleicht nie gegeben. (Bild: cbu)

Die beliebte Spielzeugpuppe mit den langen Beinen wagt den Sprung auf die Kinoleinwand. Ihren Ursprung hatte Barbie aber vor über 60 Jahren in einem Spielwarengeschäft in Luzern.

Sie hat lange Beine, eine schlanke Taille, blondes Haar und lebt in einem pinken Haus. Die Rede ist von Barbara Millicent Roberts – besser bekannt als «Barbie». Seit über 60 Jahren als feste Grösse in Kinderzimmern und in Spielwarengeschäften etabliert, entwickelt sich die Puppe aktuell über das kindliche Zielpublikum hinweg zu einem Kinostar.

Erst belächelt, entwickelt sich der kommende Spielfilm «Barbie» bereits vor Kinostart am kommenden Donnerstag, zu einem fest geplanten Kinobesuch für Cineasten und «Barbie»-Fans gleichermassen. Denn mit Margot Robbie (Oscar-nominiert für ihre Hauptrolle in «I, Tonya») als Barbie und Ryan Gosling («Blade Runner 2049») als ihr treuer Freund Ken sowie der mehrfach ausgezeichneten Independent-Regisseurin Greta Gerwig (Oscar-nominiert für «Lady Bird») hinter der Kamera, versammelt der Film ein ganzes Puppenhaus voller Talent.

Startschuss war ein Luzerner Schaufenster

Obwohl die originale Barbie-Puppe ein durch und durch amerikanisches Produkt ist, hat die Plastikfrau mit den Dauer-Stöckelschuhfüssen ihren Ursprung in Luzern. Steigen wir also in eine pinke Zeitmaschine und reisen zurück ins Jahr 1958.

In diesem Jahr war die amerikanische Unternehmerin und Mitgründerin der Spielzeugfirma Mattel, Ruth Handler, mit ihrem Ehemann Elliot, Sohn Kenneth und Tochter Barbara auf Europareise. Ihre Route führte auch in die Schweiz. Und nach Luzern. «Wir gingen eine Strasse in Luzern entlang und im Schaufenster eines Spielzeugladens waren erwachsene Puppen mit Frauenkörpern ausgestellt», erinnerte sich Ruth Handler 1994 in einem Interview mit der amerikanischen Zeitschrift «Lilith».

Die Puppen seien in unterschiedlichen Ski-Anzügen gekleidet gewesen und Ruth Handler fragte ihre Tochter, die bereits im Teenageralter war, ob sie eine der Puppen haben wollte – als Dekoelement fürs Zimmer. «Sie konnte sich nicht für eine Puppe entscheiden», so Handler weiter. Zu gross war die Auswahl.

Im Spielwarengeschäft fragte Handler schliesslich die Kassiererin, ob sie die eine Puppe mit dem Kostüm einer anderen Puppe kaufen könnte. Sie sei von der Kassiererin angeschaut worden, als wäre sie eine Irre. Wenn sie diese Puppe und jenes Kostüm haben möchte, müsse sie beide Puppen kaufen, soll die Verkäuferin geantwortet haben. «Dann hat es bei mir Klick gemacht», sagte Handler im Interview.

Aus «Lilli» wird «Barbie»

Die Puppen, die den Handlers ins Auge gestochen waren, stammten jedoch nicht aus Schweizer Manufaktur, sondern aus Deutschland. Es handelte sich um Lilli-Puppen, die eine erwachsene Frau darstellten und ihren Ursprung in einer Bildergeschichte der «Bild»-Zeitung in den Nachkriegsjahren hatte. Die entsprechende Puppe mit verschiedenen Kostümen wurde im gesamten deutschsprachigen Raum verkauft.

Ruth Handler nahm die Lilli-Puppen mit nach Hause in die USA und tüftelte weiter an ihrer Idee herum. Handler wollte eine Puppe auf den Markt bringen, die kein frühkindliches «Bäbi» darstellte und bei der sich Mädchen mit verschiedenen Kostümen und Zubehör selbst verwirklichen konnten.

Der Name «Barbie» geht auf den Kosenamen von Ruth Handlers Tochter Barbara zurück, so wie Barbies Freund Ken ein paar Jahre später auf den Namen ihres Sohnes Kenneth anspielt. Die damals 18-jährige Barbara Handler tat sich schwer damit, als Namenspatin für die Puppe herzuhalten. «Die Leute dachten, ich sei die echte Barbie, dass sie nach mir modelliert wurde. Das stimmt nicht», sagte Barbara Handler 1996 gegenüber der BBC. Unmut löste «Barbie» auch bei ihrem Erscheinen 1959 aus. Weil sie Brüste hatte.

Die erste Barbie von 1959 brach mit dem klassischen Look von Puppen. (Bild: Mattel, Inc.)

Während gewisse Kreise aufgrund der sehr weiblich betonten und unrealistischen Körperform eine Frühsexualisierung der Kinder befürchteten, störten sich feministische Kreise am traditionellen Frauenbild und dem Anreiz zum Konsum, das Barbie ihrer Meinung nach vermittelte. Allen Unkenrufen zum Trotz: Die erste Charge sei schnell ausverkauft gewesen, erinnerte sich Handler.

Zur Kritik seitens der Feministinnen sagte sie lediglich: «Darauf antworte ich nicht einmal. Die Tatsache, dass Barbie so beliebt ist, spricht für sich», sagte sie damals gegenüber «Lilith». Ruth Handler erkrankte in den 1970er-Jahren an Brustkrebs und zog sich 1974 von Mattel zurück. 1976 gründete sie eine Firma, die Brustprothesen herstellte. Ruth Handler starb 2002 im Alter von 85 Jahren in Kalifornien.

Barbie bleibt beliebt

Der Erfolg gibt Handler bis heute recht. Selbst nach über 60 Jahren nachdem eine deutsche Puppe in einem Luzerner Schaufenster den Weg für Barbie geebnet hatte, erfreut sich das Spielzeug weltweit grosser Beliebtheit. Heute gehen rund 60 Millionen Barbies pro Jahr über den Verkaufstresen. Obschon sich Barbie in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt und zeitgenössischen Gesellschaftsbildern angenähert hat.

Barbie hat im Laufe ihres Lebens zahlreiche Berufe ausgeübt. (Bild: Mattel, Inc.)

Heute bevölkern Barbies mit unterschiedlichen Hautfarben, Körperformen und Berufen die Regale der Spielwarengeschäfte. Barbies Siegeszug durch die Kinderzimmer dieser Welt nimmt weiterhin ihren Lauf – und gipfelt aktuell auf den Kinoleinwänden. Auch in den Kinos der Stadt Luzern.

Hier weiss man um die Geschichte von Barbies Schweizer Herkunft. Für touristische Werbung wird sie allerdings selbst mit dem bevorstehenden Filmstart nicht genutzt. Es ist «eine durchaus schöne Geschichte, die wir unseren Gästen auch gerne erzählen, wenn es passt», schreibt Sibylle Gerardi von Luzern Tourismus auf Anfrage. «Um sie für touristische Werbung zu nutzen, geht diese wohl aber ‹um zu viele Ecken›, als dass deswegen potenzielle Gäste an Luzern interessiert wären.» Denn letztlich sei «auch etwas der Zufall mit dabei» gewesen, dass Ruth Handler die deutsche Lilli-Puppe in Luzern entdeckt hatte.

Verwendete Quellen
  • Website Mattel
  • Schriftlicher Austausch mit Sibylle Gerardi, Luzern Tourismus
  • Interview von Ruth Handler mit der BBC (1997)
  • Bericht des SRF zum 60. Jubiläum
  • Interview von Ruth Handler mit «Lilith» (1994)
  • Verkaufszahlen von Barbie
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