Analoge Bücher in Zeiten der Digitalisierung

Luzern bekommt einen Mikrokosmos aus Kinderbüchern

Muriel Hürlimann will den Kindern mit der Buchhandlung «Baumhuus» das Lesen schmackhaft machen. (Bild: cbu)

Beim Himmelrich-Quartier in Luzern eröffnet die Tage eine neue Buchhandlung. Die Luzernerin Muriel Hürlimann setzt dabei vor allem auf Kinder als Zielgruppe. Und liegt damit im Trend.

An der Claridenstrasse im Himmelrich-Quartier tut sich was. Nebst einem Secondhand-Geschäft und dem Kinderkleiderladen «Sprössling» eröffnet am 18. August auch das «Baumhuus» direkt daneben. Jenseits des Schaufensters, hinter Papiermachéskulpturen, liegt ein kunterbuntes Geschäft, in dem noch fleissig gearbeitet wird.

Muriel Hürlimann heisst die Geschäftsführerin vom «Baumhuus». Sie hat die sichere Festanstellung als Lehrerin in einem Kindergarten gegen die Herausforderung der Selbstständigkeit getauscht. Mit Kindern beschäftigt sich die 30-Jährige allerdings weiterhin. Denn das «Baumhuus» ist eine Buchhandlung für Kinder und Familien. Die einzige dieser Art in der Stadt Luzern.

Die Idee kam während der Pandemie

Konkret wurde Muriel Hürlimanns Traum der eigenen Kinderbuchhandlung während den Corona-Jahren. «Während der Pandemie hatten wir alle genug Zeit, um zu reflektieren», sagt sie. «Ich wusste, dass ich nicht ewig Kindergärtnerin bleiben möchte.» Als erklärte Buchverschlingerin seit dem Kindesalter habe sich die Idee einer Buchhandlung richtig angefühlt.

Zwei Jahre und einen Quereinsteigerkurs beim Schweizer Buchhandels- und Verlags-Verband (SBVV) später ist es nun so weit. Unterstützung für ihre Idee fand sie auch im Netz. Über eine Crowdfunding-Kampagne kamen rund 25'000 Franken zusammen. Der Standort im Himmelrich-Quartier sei ebenfalls ideal, weil in den ABL-Wohnungen viele Familien wohnen. Für die potenzielle Klientel ist also gesorgt.

Kinderbücher jenseits des Mainstreams

Bis zur Eröffnung gibt es noch einiges zu tun. Noch sind die Buchregale nicht fertig eingeräumt, einige Möbel und Pflanzen sind noch unterwegs. Die wohnliche Atmosphäre ist indes jetzt schon erkennbar. Wie ein zweites Wohnzimmer soll das «Baumhuus» für Besucher werden, erklärt die Inhaberin.

Auf zwei Stockwerken bietet sie Wände voller Kinderbücher – auch von lokalen Autoren –, Lehrmittel und Elternratgeber an, dazu gibt es eine Leseecke, eine kleine Küche und einen grossen Tisch. Bei den Kinderbüchern setzt Hürlimann grösstenteils auf Werke abseits des Mainstreams und für ein Lesealter von bis zu elf Jahren. «Ich habe Bücher ausgesucht, die mir selbst gefallen.»

Nebst dem Buchverkauf plant Muriel Hürlimann künftig auch Lesungen und verschiedene Workshops. Diese richten sich sowohl an Kinder als auch an Eltern und Lehrerinnen. So sollen Kinder spielerisch an das Medium Buch herangeführt und auch pädagogische Themen wie Sprachförderung behandelt werden.

Tiktok wird für den Buchmarkt immer wichtiger

Wichtig ist es für Muriel Hürlimann auch, Digitales einzubinden. Denn, so analog ein Buch auch ist, so wichtig sind Social Media für die Branche geworden. «Es ist ein riesiger Mehrwert und hat einen grossen Einfluss», sagt sie. «Man muss allerdings auch bereit sein, Zeit dafür zu investieren.» Nicht nur hat Muriel Hürlimann dank ihrer Präsenz auf Instagram und TikTok das Crowdfunding erfolgreich abschliessen können, die Plattformen dienen ihr auch fürs Netzwerken und den Austausch mit potenzieller Kundschaft. An Interesse und Anfragen mangelt es gemäss der Buchhändlerin nicht.

Auch im Bereich der Werbung haben Instagram und Tiktok einen immer grösseren Stellenwert. Nicht nur für kleinere Buchhandlungen wie das «Baumhuus». «Social Media beeinflussen im Moment den Buchmarkt sehr stark», schreibt Gabi Bearth, Filialleiterin vom Buchhaus Stocker in der Hertensteinstrasse. Auf der Plattform Tiktok gibt es unter dem Namen «Booktok» mittlerweile eine stetig wachsende Gemeinschaft von Buchfans. «Für viele jungen Leserinnen bietet Booktok eine grosse Fülle von Lesetipps», so Bearth weiter. Besonders oft landen Fantasy- oder Romance-Bücher im Warenkorb. Darum habe man diese Abteilung im Buchhaus Stocker auch ausgebaut.

Umsatz in der Branche sinkt – aber nur minim

Insgesamt betrachtet geht es der Deutschschweizer Buchbranche gut – mit Abstrichen. Während viele Branchen unter der Corona-Pandemie gelitten haben, erlebten Buchläden einen Aufwind. Luzerner Buchhandlungen haben Einschränkungen durch die Massnahmen teils kreativ genutzt, um Bücher unter die Leute zu bringen (zentralplus berichtete). Das Resultat zeigte sich in den Verkaufszahlen. Die Jahre 2020 und 2021 brachten Rekordumsätze für den Buchhandel.

Heuer zeigt die Kurve in der Tendenz wieder nach unten. Der Gesamtumsatz des Deutschschweizer Buchmarkts ging 2022 leicht zurück – um 1,9 Prozent auf 575 Millionen Franken. Das schreibt der SBVV in einer Mitteilung. Insgesamt liegt das Ergebnis damit aber immer noch über dem Niveau von vor der Pandemie. Verkaufsschlager sind die Bereiche Unterhaltungsliteratur (Marktanteil von 28,7 Prozent) und – das dürfte Muriel Hürlimann besonders freuen – Kinder- und Jugendbücher, die 18,7 Prozent des Gesamtumsatzes einbringen.

Dass eine Buchhandlung und speziell eine, die ein bestimmtes Segment bedient, kein Selbstläufer ist, ist sich Muriel Hürlimann bewusst: «Es wird eine Herausforderung.» Darum plant sie bereits jetzt die nächsten Schritte. Ein Onlineshop ist ebenso geplant wie die Idee, mit Schulen und Bibliotheken zusammenzuarbeiten, um das «Baumhuus» sichtbarer zu machen. «Ideen habe ich viele, daran mangelt es nicht», sagt sie gut gelaunt. Hürlimann wird Vollzeit in der Buchhandlung stehen. Unterstützt wird sie von einer Teilzeitmitarbeiterin und Polly – einer als Schulhund ausgebildeten Beagle-Hündin, die es sich gerne bei der Treppe bequem macht.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Muriel Hürlimann
  • Schriftlicher Austausch mit Gabi Bearth, Filialleiterin Buchhaus Stocker Luzern
  • Marktreport 2022 SBVV
  • Instagram-Account von «Baumhuus»
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2 Kommentare
  • Profilfoto von MARIO P. HERMANN
    MARIO P. HERMANN, 15.08.2023, 09:24 Uhr

    Finde ich ein mutiger Schritt, aber ein sehr guter! In der Tat sollten die Kids und Teenager wieder vermehrt Bücher lesen, statt nur immer auf’s Natel, Tablet oder PC hinein zu starren.
    Vielen Kindern fehlt im heutigen Zeitalter ein oder mehrere schöne Hobbys und es wäre deshalb von Vorteil, demnächst mal einen Schritt in die neue Buchhandlung an der Claridenstrasse in Luzern zu machen!
    Der jungen Buchhändlerin an dieser Stelle viel Erfolg und toi, toi, toi!!

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  • Profilfoto von adrian
    adrian, 13.08.2023, 15:48 Uhr

    Toi toi! Wünsche dir einen grandiosen Start.

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