Eine Liebeserklärung an die Zuger «Männerbadi»

Der Stadtstrand für die wahren Geniesser

Das gefällt Zuger Expats: Man kann in der «Männerbadi» zwischendurch schnell ins Wasser springen – zwischen zwei Geschäftsterminen etwa.

(Bild: woz)

Mal ehrlich. Wie viel muss man wohl in Monte Carlo für einen Quadratmeter Liegefläche am Wasser berappen? In Zug sind alle Badis gratis. Und doch gibt es eine, die alle anderen lauschigen Badeplätze irgendwie übertrumpft.

«(M)eine kleine Ruheoase.» Martin. Plus vier von fünf Herzchen auf der Bewertungsskala. So liest sich ein aktueller Beitrag im Internet zum Siehbach Bad in Zug. Grösser könnte ein Liebesbeweis fast nicht sein. Ein anderer, der nur drei Herzchen vergibt, ist trotzdem nicht minder angetan von dem Seebad, das im Volksmund noch immer «Männerbadi» heisst, weil hier eben früher nur das eine Geschlecht planschen durfte: «Das Bad Siehbach ist zentral und trotzdem ruhig gelegen. Trotz eingeschränkter Infrastruktur ein ideales Plätzchen für den Schwumm über Mittag …» D. S.

Treffpunkt für alle

So weit die virtuelle Welt. Wer in der realen Welt dieser Tage bei schwül-heissen Temperaturen von mehr als 30 Grad in der Sonne in die Männerbadi kommt, freut sich nicht nur über das Gratisnass zur Abkühlung. Er flüchtet sich vor allem gerne sofort unter die riesigen alten Linden, die einen angenehmen natürlichen Schatten spenden. Nirgendwo ist ein Sommertag in Zug wohliger zu erleben als in der «Männerbadi».

«Ich komme vor allem wegen des Schattens – und weil es nicht so voll ist wie anderswo», versichert auch Angela Arbenz. Die gebürtige Wienerin, die seit Jahrzehnten in Zug lebt, verbringt gerade mit ihrer Tochter Amelie ein lauschiges Stündchen unter den alten Bäumen, direkt am Wasser.

Wobei die Tochter im orangen Bikini und mit verspiegelter Sonnenbrille erzählt, dass an diesem Ort durchaus auch das Leben pulsiert. «Am Abend und am Wochenende treffen sich viele Jugendliche hier, dann ist einiges los», sagt sie und lächelt.

Gigantisch ist der Schatten, den zehn alte Linden in der Badi spenden.

Gigantisch ist der Schatten, den zehn alte Linden in der Badi spenden.

(Bild: woz)

Aber nicht nur Jugendliche versammeln sich hier, um die untergehende Sonne zu geniessen. Auch Expats. Singles. Tschechische Touristen, die es zufällig hierher verschlagen hat. Afrikanische Asylbewerber lassen ebenfalls gerne in der Badi die Füsse von der Ufermauer baumeln und relaxen im Schatten.

«Das Bad ist ein Traum.»

Pensionierte Margot aus Zürich

Auch die pensionierte Margot aus Zürich, die ihren Nachnamen nicht verraten will, zieht es regelmässig in die «Männerbadi», wo sie mit älteren Herren auf einem der Bänkli plaudert, bevor sie das erfrischende Wasser lockt. «Das Siehbach-Bad ist ein Traum», schwärmt die jung gebliebene Rentnerin.

Neulich konnte man sogar eine rüstige Rentnerin bestaunen, die trotz Gipsfuss sportlich durch Wasser kraulte – wobei der «Gips» am Bein aus Kunststoff und zusätzlich in eine Plastiktüte eingepackt war, wie die sportliche Dame Neugierigen im Wasser verklickerte.

Auch Sonnenhungrige ist die «Männerbadi» ideal.

Auch Sonnenhungrige ist die «Männerbadi» ideal.

(Bild: woz)

Die Männerbadi ist quasi die City-Beach von Zug. Zwar liegt die Badi Seliken auf der anderen Seite des Zugersees unterhalb des Casinos sicher noch näher am Zentrum von Zug. Aber von nirgendwo sonst kann man so ein umfassendes Panorama auf die Altstadt von Zug geniessen.

Ganz zu schweigen von dem spektakulären Blick auf Rigi und Pilatus sowie bei klarer Sicht auf das eisbepanzerte Dreigespann Mönch, Eiger, Jungfrau. Und das alles direkt vom Wasser aus beim Schwimmen. Gleichzeitig kann man beobachten, wie Zugs Freizeitkapitäne ihre Jachten und Segelschiffe in die benachbarte Marina schippern.

Open-Air-Kino gleich nebenan

Selbst mit kulturellen Ablenkungen kann die Siehbach-Badi dieser Tage aufwarten. Zeigt doch gleich jenseits des Holzzauns derzeit das Zuger Open-Air-Kino seine Filme jeden Abend. Und auch verhungern muss man nicht. Kleinere Gerichte wie Wienerli, Würste, Kartoffel- und Hörnlisalat, Bier, Glace und Kaffee werden vom privaten Pächter am Kiosk kredenzt. Der ist schon 34 Jahre vor Ort, alle kennen ihn, und doch will er lieber anonym bleiben.

«Schreiben Sie doch, ich bin der zweitbeste Bademeister, der beste muss erst noch geboren werden», brummt er hinter der Theke vor. «Und schreiben Sie doch, dass es Samstag und Sonntag früh hier immer eine grosse Sauerei hat, weil die Leute wieder eine Menge Abfall hinterlassen haben. Dabei gibt es doch das Littering-Gesetz, das man halt einfach mal konsequent umsetzen müsste.»

Ein Gefühl von Freiheit: Der Blick auf die Rigi von der Dusche in der «Männerbadi».

Ein Gefühl von Freiheit: Der Blick auf die Rigi von der Dusche in der «Männerbadi».

(Bild: woz)

Okay. Es gibt auch noch ein paar andere Dinge, die man in der «Männerbadi», wo es auch WCs, Garderoben und eine Tischtennisplatte gibt, verbessern könnte. Zum Beispiel müssten die Steintreppen in den See mal «gekärchert» werden. Die sind durch den Algenbelag inzwischen so glitschig, dass es gefährlich sein kann, ins Wasser zu steigen, wenn man sich nicht am Geländer festhält.

Doch unterm Strich ist die «Männerbadi» ein Ort für Geniesser. Für wahre Geniesser, die kurz mal vom Alltag abschalten wollen. «Für mich ist die Badi nur fünf Minuten vom Zuhause weg. Und heute habe ich einen halben Tag frei, da habe ich entschieden, mich hier im Schatten der Bäume zu entspannen», sagt der Zuger Patrick Siegenthaler. Recht hat er. Für die «Männerbadi» kann man Monte Carlo glatt vergessen.

Zaungäste: Auch den Möwen von der benachbarten Marina gefällt die beschauliche Atmosphäre in der Zuger «Männerbadi».

Zaungäste: Auch den Möwen von der benachbarten Marina gefällt die beschauliche Atmosphäre in der Zuger «Männerbadi».

(Bild: woz)

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Roman Haeberli
    Roman Haeberli, 03.08.2017, 14:50 Uhr

    Vielleicht bin ich ein Trottel, aber das Verb «kredenzen» habe ich noch nie gehört…

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