«Imagefilm» veräppelt Luzerner Sparregierung

«Bin i Gopfriedstutz en Kiosk …»

Der arme Kioskmann Edwin Käser muss sämtliche outgesourcten kantonalen Dienstleistungen übernehmen: Hier berät er am Steuertelefon Marcel Schwerzmann.

(Bild: Screenshot Youtube)

Ein Kiosk für alle Fälle: Schule, Integration, Steuerhotline. Ein neuer Film nimmt den Sparkurs der Luzerner Regierung arg aufs Korn. Es ist eine weitere Episode des kreativen Protests aus der Kulturszene.

Monika Huber, Reporterin des Schweizer Fernsehens, läuft durch das Luzerner Bruchquartier. Vor der Kamera kündigt sie die neusten «ziemlich harten Sparmassnahmen» des Kantons Luzern an. Und demonstriert dies am Beispiel des Kiosks von Edwin Käser.

Käser hat sich vom subventionierten Künstlerleben verabschiedet und betreibt in seinem Kiosk – oh Synergie! – auch eine Poststelle, Homeschooling-Filiale, Permanence-Klinik, Integrationskurse, Polizeiposten und Steuerhotline. Der Kanton lagert seine Dienstleistungen radikal aus – an einen einzigen privaten Dienstleister. Pardon, Kioskmann.

Soweit ist die Realität im Sparkanton Luzern glückerlicherweise nicht. Der Film zeigt eine überspitzte Wirklichkeit, wie sie ein paar Luzerner Kulturschaffende in einem neun-Minuten-Video darstellen und am Dienstag ins Netz stellten.

 

Da hat’s lauter wunderbare Anspielungen drin:

  • Der 17-jährige Sohn des Kioskbetreibers liest im Zuge seines Heimunterrichts den «Kaufmann von Venedig» über die Schuldenwirtschaft.
  • Ein Kunde kauft neben Zigis ein «Win for Life»-Los – greift doch der Kanton für seine Kulturförderung immer mehr auf Lotteriegelder zurück.
  • Die Flüchtlinge lernen im Kiosk «traditionelle» Wörter wie «Twix» und «Schweizer Messer-Magazin».
  • Schwerzmann ruft an und braucht Steuerberatung für seine doch recht komplexe Steuerstrategie.
  • Und der Film endet mit einem Strassenmusiker, der vor dem «All in one»-Kiosk zusammen mit dem Betreiber Polo Hofers «Kiosk» darbietet. «Bin i Gopfriedstutz en Kiosk …»

Das ist alles geistreich und witzig aufgezogen. Aber eben doch mit einem wahren Kern: Den Fakt, dass Poststellen vermehrt in Dorfläden oder Kioske ausgelagert werden, dreht der Film ins Absurde. Und ähnlich unkritisch, wie die Mehrheit der Kantonsbevölkerung gegenüber den Sparpaketen, sind auch die Passanten im Film.

Ein Kunde findet das Ganze «noch gut», weil das Angebot so im Quartier bleibe. Ebenso die Passantin, die ihre Anzeige bei der Polizei gleich während des Postens erledigen kann. «Das muss ich ja sowieso.»

Ein Kunde kauft ein «Win for Life»-Los und findet das Angebot «noch gut».

Ein Kunde kauft ein «Win for Life»-Los – und findet den Kiosk «noch gut».

(Bild: Screenshot Youtube)

Kreativer Protest

Umgesetzt haben den Film hauptsächlich Vertreter aus der freien Theaterszene wie Christoph Fellmann, Damiàn Dlaboha, Ursula Hildebrand und Phil Küng. Der Mann für alles im Kiosk wird von Schauspieler Patric Gehrig gespielt, die «Schweiz aktuell»-Reporterin von Melinda Giger.

Der Film ist eine buchstäbliche Bieridee: In einer Beiz enstanden, mit wenigen Mails organisiert und an einem Abend gedreht (im echten «Edwin»-Kiosk an der Klosterstrasse). Die Hauptaussage: Wenn sich die öffentliche Hand von Dienstleistungen verabschiedet, macht’s dann schon jemand anders. In diesem Fall der herumhetzende Edwin Käser.

«Schweiz aktuell»-Reporterin führt durch den vermeintlichen Image-Film, die Flüchtlinge interessiert's.

«Schweiz aktuell»-Reporterin führt durch den vermeintlichen Image-Film, die Flüchtlinge interessiert’s.

(Bild: Screenshot Youtube)

Trotz ernster und markiger Hauptaussage zeigt der Film vor allem eins: Dass Luzern eine vitale Kulturszene hat, welche die Stirn bietet und mit kreativen Einfällen dagegenhält. Das zeigte sich schon eindrücklich am kürzlichen Protest, der aus dem Wasser kam und sich unter das «Lucerne Festival»-Publikum beim KKL mischte (zentralplus berichtete).

Der Film ist auch Ankündigung für den 8. September: Ab 17 Uhr findet auf dem Theaterplatz in Luzern ein Aktionstag gegen die kantonalen Sparmassnahmen bei Bildung, Sicherheit, Sozialem und Kultur statt.

PS: Die richtigen Videos der Luzerner Regierung sehen im Vergleich so aus:

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2 Kommentare
  • Profilfoto von tonino wir sind cool.org
    tonino wir sind cool.org, 24.08.2017, 15:15 Uhr

    Mehr mönd halt schpare, hed mi Vater gseit!
    + mehr Arbeit
    – weniger Lohn
    0 null Spass
    ond do das passendi Lied dezue: https://youtu.be/4sRn-s9gQ9k

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  • Profilfoto von tonino wir sind cool.org
    tonino wir sind cool.org, 24.08.2017, 14:44 Uhr

    ? Super Giga Gäch – da staunt der Steuerzahler, wie kreativ die rein bürgerliche Kompetenz-Regierung des Kantons Luzern mit der bürgerlichen Mehrheit seit Jahren in der Schweiz ein Unikum zustande bringe: 2. und längster budgetloser Zustand in Schweiz ?? ‼️

    Der Protest, der aus dem Wasser kommt | zentralplus
    https://www.zentralplus.ch/de/news/kultur/5543616/Der-Protest-der-aus-dem-Wasser-kommt.htm

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