So gestalten wir Kinderlieder gendergerecht und inklusiv
Kinderlieder können Werte vermitteln, indem sie zum Beispiel Mädchen oder nicht heterosexuelle Menschen nicht erwähnen. Wie man das einfach selbst ändern und den Refrain alter Klassiker zusammen mit der Familie anpassen kann, weiss Eltern-Blogger Peter Limacher.
Für mich gibt es nichts Schöneres, als mit meinen Kindern zu singen. Vielleicht nicht immer zur Freude meiner Nachbarinnen. Aber ganz bestimmt zur Freude meiner Kinder. Emil (24 Monate) singt inzwischen alles mit, von «American Pie» über «Mier sind vo de Füürwehr» bis zu «Conny Jazz», wie er Johnny Cash nennt. Und die 2 Monate alte Elisa schläft wunderbar zu «Country Roads».
Gerade aber bei Kinderliedern aus meiner Kindheit fällt mir auf, wie sehr sie mit alten und teils überholten Stereotypen gespickt sind. Ein Beispiel? Peter Rebers «Chinder vom Kolumbus» sind die Söhne Magellans. Mädchen? Fehlanzeige! Aber auch das Mädchen, das im Urner Tanzlied «Meiteli, wenn dü witt go tanzä» der Geige folgt, landet bei den Jungs. Doch was, wenn sie lieber mit einem Mädchen tanzen würde? Und im Refrain des beliebten Klassikers «Mier sind vo de Füürwehr» steht «einer» auf dem Schlauch – also keine Frau. Über die Geschlechterrolle des «Fraueli», das auf den Markt geht, brauchen wir gar nicht erst zu reden.
Alles nicht so schlimm?
Man könnte sagen, das sei doch alles nicht so schlimm. Vielleicht stimmt das auch. Aber das sind trotzdem nicht die Werte, die ich meinen Kindern vermitteln möchte. Das Dilemma dabei: Ich finde die Lieder schön, oder zumindest finde ich es schön, einige Lieder aus meiner Kindheit weiterzugeben. Auch, weil sie mich an eine unbeschwerte und schöne Zeit erinnern.
Dabei geht es mir nicht darum, die Werte meiner Eltern und ihrer Generation in den Dreck zu ziehen. Ganz im Gegenteil hat es mir unheimlich viel Spass gemacht, diese Lieder zu singen. Und vor allem: Es hat mir gewisse Werte vermittelt: Nach dreimal hundert Arbeitstagen muss einfach Kilbi sein, die Feuerwehr ist wichtig, und Fernweh ist so alt wie die Menschheit.
Neue Varianten erfinden
Trotzdem finde ich die Frage berechtigt, welche Werte sich in gewissen Texten verbergen, die ich heute nicht mehr vertrete: patriarchale Strukturen, eurozentrisches Weltbild, Verschweigen von Homosexualität und so weiter. Meine persönliche Herausforderung bei den Songs ist es nun, diese veralteten Werte aufzuspüren und möglichst einfach zu ersetzen. Beim Refrain von der Feuerwehr singen wir einfach, dass «öpper» statt «eine» auf dem Schlauch steht, und wo es «geigt und orgelt», hat es halt Menschen statt Buben.
Beim Kolumbus denke ich derzeit über verschiedene Varianten nach. Zum einen könnten es die Töchter von Kolumbus sein. Dann sind die Söhne von Magellan auch in Ordnung. Andererseits sind sowohl Kolumbus als auch Magellan Europäer. Magellans Söhne könnten eigentlich auch Zheng Yisaos Söhne und Töchter sein. Zheng Yisao war eine asiatische Piratin. So habe ich beim Recherchieren wieder etwas gelernt, ich höre mir die Doku gleich dazu an.
Werte und Lieder verändern sich
Es mag vermessen klingen, die Lieder anderer zu verändern. Aber ganz ehrlich: Lieder, die es in den Volksmund geschafft haben, waren nie starre Produkte. Je älter die Lieder sind, desto mehr Varianten gibt es. Das, finde ich, kann man sich durchaus zunutze machen und selbst Hand anlegen. Ohne schlechtes Gewissen.
Und wenn man mit kleinen Veränderungen die Musik inklusiver machen kann, dann lohnt sich das in meinen Augen. Denn Melodien, die vielen gefallen, sollten auch mit ihren Texten möglichst viele Menschen abholen und ansprechen. Und auf keinen Fall ausgrenzen.