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Handy statt Zeit für das Kind? Das war meine Lösung

Nein, ich lese keine Bücher über Erziehung. Sorry, Emil!

Das kennen wohl viele Eltern: Obwohl sie gerade Zeit mit ihren Kindern verbringen, werden sie ständig durch ihr Handy abgelenkt. (Bild: Symbolbild: pexels)

Manche Ratgeber sind direkt für junge Eltern geschrieben. Bei mir war es aber ein anderes Buch, das mir aufzeigte, dass ich gedanklich nicht bei meinem Sohn war. Wie ich es schaffte, dass mein Handy nun deutlich öfter Betriebspause hat.

Ich lese keine Bücher über Kinder und Erziehung. Klar liegt bei uns der eine oder andere «Jesper Juuls» herum und mit «Remo Largo» üben Emil und ich im Kinderzimmer ab und zu Seitenblättern und Treppensteigen.

Den einen oder anderen Schinken habe ich auch mal geöffnet und bei konkreten Fragen um Rat gesucht. Aber die Musse, mich einem ganzen Buch zu widmen, die habe ich nicht. Dafür werde ich in meinem Freundeskreis manchmal geneckt und ganz leise und durch die Blume kritisiert.

Ratgeber zum Einschlafen

Vielleicht muss ich zu meiner Verteidigung sagen, dass ich in meinem Leben unglaublich viele Bücher über Führung, Haltung, Pädagogik und Psychologie gelesen habe. Das ist zumindest meine Verteidigung gegen aussen.

Wenn ich ganz ehrlich bin, langweilen mich aber solche Ratgeber unglaublich und jedes Mal, wenn ich einen in die Hand nehme, frage ich mich, warum ich diese Zeit nicht einfach mit Emil verbringe? Oder aber ich schlafe ein. Meist eher Letzteres. Da Emil abends vorwiegend schläft.

Es ist nicht so, dass ich gar nicht mehr lese, seit Emil da ist. Noch immer verschlinge ich liebend gern Bücher. Und so kam es, dass ich letzthin über «Abgelenkt» von Johann Hari gestolpert bin. Nicht falsch verstehen: Das hier ist keine Rezension. Aber das Buch hat mich auf einen wichtigen Punkt hingewiesen: die Ablenkung durch mein Handy.

Permanente Ablenkung durchs Handy

Je mehr ich mich darauf achtete, desto mehr fiel mir auf, wie oft ich von meinem Handy unterbrochen wurde. Und zwar bei allem: beim Essen, beim Spielen, bei der Arbeit, beim Lesen (nicht von Erziehungsbüchern), auf dem Klo – einfach wirklich überall.

Besonders traurig machte mich das in Situationen, in denen ich Zeit mit Emil verbrachte. Wir spielten, die Hosentasche vibrierte, ich las die Mail. Wir spazierten, die Hosentasche vibrierte, ich antwortete auf eine Nachricht. Wir machten zusammen einen Mittagsschlaf, die Hosentasche vibrierte, wir erwachten beide wegen Facebook.

Daneben, dass ich ständig abgelenkt wurde, machten mich diese Nachrichten ganz nervös und es dauerte immer eine Weile, bis Emil und ich wieder so innig waren wie vor der Pushnachricht. Das wollte ich nicht mehr.

Ade Facebook und Twitter

Natürlich bin ich in meiner beruflichen Position nicht in der Lage, alle meine Nachrichten nur an meinen Arbeitstagen zu checken. Das geht einfach nicht. Trotzdem kann es auch nicht sein, dass ich ständig abgelenkt bin und Emil in seinem zarten Alter von 16 Monaten bereits das Gefühl bekommt, dass man immer und überall erreichbar sein muss.

Ich begann also, mich an die Einstellungen meines Handys und meiner Smartwatch zu machen und an den Settings meiner Benachrichtigungen zu schrauben. Als Erstes wurden alle News abbestellt. Die brauche ich wirklich nicht. Ich gehe ja trotzdem einmal am Tag auf zentralplus und über das Weltgeschehen kann ich mich auch aktiv informieren.

Als Zweites fielen die Social Media Apps meiner Euphorie zum Opfer. Facebook-App: gelöscht. Insta: stummgeschaltet. LinkedIn: gar keine Benachrichtigungen mehr. Und mit Twitter habe ich dank Elon Musk ohnehin abgeschlossen.

Lautlos ist laut genug

Schliesslich fragte ich mich, welche Benachrichtigungen von Kommunikations-Apps ich wirklich brauche. Mails checke ich jetzt einfach zweimal am Tag. Benachrichtigungen brauche ich nicht. Aber auch Messenger sind nicht so dringend, wie sie den Anschein machen. Ich lasse mir diese zwar anzeigen, aber ein Ton oder ein Vibrieren ist definitiv nicht nötig.

Mit der Zeit stellte ich immer mehr Apps auf lautlos oder habe sie zum Teil sogar ganz gelöscht. Inzwischen unterbrechen mich fast nur noch Telefonanrufe. Diese werden mir auf der Uhr angezeigt, sodass ich nach einem kurzen Blick selber entscheiden kann, ob ich mein Handy überhaupt zücken will.

Wesentlich weniger Bildschirmzeit auf dem Handy

Spannend ist, dass sich so meine Bildschirmzeit am Handy von zum Teil über drei Stunden auf unter eine Stunde reduziert hat. Und das, obwohl ich darauf immer noch Nachrichten konsumiere, Mails schreibe, telefoniere und Podcasts höre. Nicht nur, dass ich meine Zeit mit Emil jetzt viel intensiver erlebe, ich bin auch bei der Arbeit viel konzentrierter.

Ja, ich lese keine Bücher über Erziehung. Sorry, Emil! Aber ich mache mir durchaus Gedanken dazu, wie Erziehung aussehen soll und welche Werte ich meinem Kind mitgeben will. Ich glaube, das ist der Lektüre von Jesper Juul ebenbürtig.

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Kinder: Neun Monate sehnt man sie herbei und dann machen sie einen Haufen Arbeit. Und bestimmen ab sofort Mamis und Papis Leben. Fünf Mütter und ein Vater schreiben über ihren Alltag mit dem Familienzuwachs. Von Herausforderungen, Veränderungen, Ängsten und Freuden.
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