Realität Kaiserschnitt: So eine Angst hatte ich noch nie
Ich hatte mich bei der Geburt meiner Tochter bewusst für einen Kaiserschnitt entschieden. Was ich dabei erlebt habe, liess mich meine Entscheidung bereuen.
Gerade sitze ich im Wartezimmer der Gynäkologie im Kantonsspital. Wobei man die zwei Stühle im Gang nicht wirklich als Zimmer bezeichnen kann, eher als «Draussen-vor-der-Türe-neben-dem-Eingang». Gemütlich. Nun gut, der Vorteil ist, dass ich die ganze Eingangshalle überblicken kann.
Da ist die schwangere Frau, die zur vielleicht letzten Untersuchung vor der Geburt kommt. Da ist der frischgebackene Papa, der sich aufgeregt mit dem Autositz die Treppe hochhievt. Da ist die Ärztin, die beschäftigt durch die Halle schreitet und sich kein bisschen um ihre laut quietschenden Crocs schert. Und was passiert bei mir? Wehmut. Ich werde ein bisschen wehmütig, erinnert mich dieser Ort doch an das allererste Mal, als ich meine Tochter in den Armen hielt. Nicht in der Eingangshalle natürlich. Aber im Kantonsspital eben.
War dieser Einstieg jetzt auch eher ein bisschen romantisch gehalten, war es die Geburt in Tat und Wahrheit überhaupt nicht. Ich hatte einen Kaiserschnitt. Einen geplanten. Selbst ausgesucht. Und komplett unterschätzt. Ich habe mir eine kleine Operation vorgestellt. Vor allem kurz: Schnitt, zack, Baby draussen, alles gut. Nicht ganz. Lasst es mich euch erzählen.
Empathie? Nur schwer zu finden
Am Tag vor dem Kaiserschnitt ging es ins Spital für eine letzte Untersuchung und ein Gespräch mit dem Anästhesisten. Kleiner Teaser: Der Anästhesist würde sich am nächsten Tag zu meinem allerbesten Freund entwickeln. Bei diesem ersten Kennenlernen war er mir schon so sympathisch, dass ich ihn fast anflehte, mich am nächsten Tag zu begleiten. Er versprach, es zu versuchen.
Im Kantonsspital weiss man halt nie so genau, wen und was man bekommt. Notfälle gehen immer vor. Klar. Aber zurück zu uns. Mein Mann und ich. Wieder nach Hause. Untersuchung gut, alles tipptopp, keine Wehen, Baby gesund. Gut schlafen sollten wir. Und, kaum zu glauben, ich schlief tatsächlich wunderbar, trotz der aufsteigenden Nervosität. Zu wissen, dass ich in ein paar Stunden wirklich Mama werden sollte, war schon sehr speziell.
Frühmorgens ging es dann los. Zum Spital, in ein furchtbares Zimmer, mit einer total übermüdeten Hebamme, die mich als letzten Akt ihrer Nachtschicht an meinem besonderen Tag begrüssen durfte. Sie war kein bisschen empathisch und hatte null Verständnis dafür, dass uns ein Familienzimmer wirklich wichtig war, und schmetterte meine Nachfrage mit den Worten «Es gibt jetzt Wichtigeres als Ihr Zimmer» nieder.
Natürlich, das war ja schon klar, aber machte mich nicht weniger nervös. Wie sollte ich denn die erste Nacht mit Baby ohne meinen Mann überleben? Vielleicht wäre es noch wichtig zu erwähnen: Es war die Corona-Hochphase, kein Besuch erlaubt. Mein Mann würde sich ohne Familienzimmer nur ein paar wenige Stunden am Tag im Spital aufhalten dürfen. Eine schreckliche Vorstellung!
So eine Angst war für mich unvorstellbar
Ja, und dann gings richtig los. Ich wurde im Spitalbett, bekleidet mit dem wunderschönen Nachthemd, in den Operationssaal gefahren. Würdelos. Mein Mann in eine Garderobe gebracht, um sich umzuziehen. In der Zwischenzeit bekam ich eine Spritze in den Rücken, Lokalanästhesie. Meine Angst vor der Spritze war gross. Aber ach, von meinem wunderbaren Anästhesisten gestochen. Welch ein Glück!
Mein Mann kam in den OP, und schneller, als mir klar war, begann die Operation. Schmerzen hatte ich natürlich keine, aber wie der ganze Körper ruckelt bei diesem kleinen Wesen, das da gerade das Licht der Welt erblickt. Unfassbar. Mein Kreislauf machte die Prozedur nicht mit und versagte. Der Blutdruck verabschiedete sich in den Keller, und mir wurde elend schlecht.
Schnell wurde mir ein Medikament gespritzt, welches für etwa zehn Sekunden half, und schon gings wieder bachab. Es war furchtbar. Als meine Tochter draussen war, weinte sie nicht sofort, und zu meinem Blutdruck gesellte sich nun auch noch mein Herz. Eine solche Angst hatte ich mir nicht in meinen schlimmsten Albträumen vorstellen können. Ich weinte und litt. Und dann kam der Schrei, der mich zumindest von der Angst erlöste. Sie war da, sie lebte, und sie war gesund.
Die paar Minuten, in denen ich sie dann auf meiner Brust haben konnte, waren unwirklich. Dieses kleine atmende Knäuel. Und ich weinte weiter, völlig überfordert von all den gegensätzlichen Gefühlen in mir. Festhalten konnte ich sie nicht richtig, wegen meines betäubten Körpers. Und schon war sie wieder weg, mit Papa auf dem Weg zum Zimmer.
Ich hatte mich noch nie so ohnmächtig gefühlt
Und ich? Weinte immer noch weiter, wortwörtlich offen, entblösst und allein. So allein wie noch nie. Aber wisst ihr, wer mich gerettet hat? Der Anästhesist natürlich. Trocknete meine Tränen, strich mir übers Haar und erzählte mir, dass meine Tochter das schönste Baby sei, das er je gesehen habe. Wäre ich nicht grad so voller Liebe für meinen Mann und mein Kind gewesen, hätt’ ich mich glatt in den verliebt.
Die Übelkeit blieb auch nach dem Kaiserschnitt präsent, und ich konnte meine kleine Tochter in der ersten Stunde nicht richtig geniessen. Die Schmerzen kamen dann doch auch noch, und ich konnte sie nicht wickeln und nicht tragen, als sie in der ersten Nacht weinte. Ich fühlte mich ohnmächtig wie noch nie zuvor in meinem Leben. Es brauchte einige Tage, um das Glück fühlen zu können, und das machte mich endlos traurig.
Nein, der Kaiserschnitt war kein kleiner Schnitt. Es war schwierig, streng und viel länger schmerzhaft, als ich das geplant hatte. Auf mehreren Ebenen. Die Schmerzen und die Übelkeit vergingen. Zurück blieb Schwindel, ein Trauma und eine immer wieder schmerzende Narbe. Und ein wenig Reue, dass ich mich für diesen Weg entschieden hatte.
Ich bin sicher nicht die Einzige mit so einer Erfahrung. Bei jeder Geschichte fühle ich mit und werde an meine eigene erinnert. Jede Frau, die einen Kaiserschnitt haben muss oder haben will, ist für mich ein bisschen eine Kaiserin. Eine Kaiserin, weil sie Schmerzen hat. Eine Kaiserin, weil sie es aushalten muss, das Kind in der ersten Nacht nicht tragen zu können. Eine Kaiserin, weil sie sich stets erklären muss, warum es keine Spontangeburt gab. Eine Kaiserin, weil es nicht einfach ist, Liebe zu fühlen, wenn man den Körper nicht fühlen kann.
Kaiserinnenschnitt. Treffender, oder?