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Restaurant-Test

«Zur alten Lorze»: So gut isst sich Wild am Zuger Stadtrand

  • Bewertung★★★★★★★★★★
  • Preiskategorie●●●●●●
  • Küche Schweizerisch
  • Ambiente Rustikal
Die «alte Lorze» in der S-Kurve der Schochenmühle Zug war Ziel unseres Restauranttests. (Bild: hch) (Bild: hch)

Manchmal braucht es etwas Glück. Eine gehörige Portion davon nahmen wir in Anspruch, als wir an einem Freitagabend ohne Reservation in der «alten Lorze» am Rande der Stadt Zug auftauchten. Wir haben den Besuch nicht bereut. Auch wenn ich beim Wildmenü vor dem Ziel aufgeben musste.

Befragt man Stadtzuger nach bodenständigen Lokalen, so befällt diese oftmals erst ziemliche Ratlosigkeit. Nach etwas Überlegen fallen dann die drei B wie «Brandenberg», «Bären», «Blasenberg» – oder häufig auch das Restaurant zur alten Lorze bei der Schochenmühle.

Bekannt für Wildgerichte

Nach unserem Test der ersten zwei B machen wir uns gleich auf zum Z, da die «alte Lorze» bekannt ist für ihre Wildgerichte. Die Ernüchterung folgt nach Betreten des Lokals: «Nein, eine Reservation auf Ihren Namen haben wir leider nicht.» Wie sich zeigt, ist es zu einem Missverständnis zwischen meiner Begleitung und mir gekommen; jeder meinte, der jeweils andere hätte reserviert. Zufall oder Glück der Tüchtigen: Die anfänglich etwas ratlosen Gastgeber finden im ansonsten bis auf den letzten Platz gefüllten Lokal tatsächlich noch zwei freie Stühle.

Ein verstohlener Blick auf die benachbarten Tische zeigt: Reh- und Hirschpfeffer stehen hier im Herbst hoch im Kurs. Auf dem viergängigen Wildmenü ist allerdings auch ein Hirschentrecôte aufgeführt – für mich gehört dieses Stück Wild zum besten, was diese Jahreszeit zu bieten hat. Da es ausschliesslich als Bestandteil des Menüs serviert wird, fällt mir die Wahl leicht. Für jeden Gang des 58-fränkigen Menüs stehen zwei Optionen zur Auswahl.

Paradies für Fleischtiger

Den Auftakt macht bei mir ein Toast Hubertus mit Wildgeschnetzeltem. Wie sich schon bei diesem Gericht zeigt, versteht die Crew um Chefin Mirjam Küng ihr Handwerk. Sämtliche Fleischstücke, die an diesem Abend unseren Tisch erreichen, sind butterzart und perfekt zubereitet. Besonders gut gefallen mir bei der Vorspeise die zuckersüssen Trauben, die einen schönen Kontrast zur rahmigen Wildsauce darstellen.

In der Zwischenzeit haben unsere Nachbarn das Fenster etwas geöffnet. Der Schallpegel in der rund 70 Sitzplätze umfassenden Gaststube wird dadurch zwar nicht tiefer, dafür sinken die Temperaturen vom Niveau Biosauna auf gefühlte 25 Grad. Eine Energieknappheit im kommenden Winter braucht der Gast hier nicht zu fürchten.

Überraschend: Rosenkohlsalat

Wie stellt man sich Rosenkohlsalat vor? Was etwa so reizvoll klingt wie ein Peterlisalat, den mir die Swiss einmal auf einem Langstreckenflug serviert hat, überrascht positiv. Auf dem Teller liegen nicht bloss einige zerhackte Kohlsprossen. Stattdessen erreicht mich ein Blattsalat mit viel Ei, einer leichten französischen Sauce und vor allem intensivem Speck. Und auch der Kohl hat die richtige Konsistenz. Glücklicherweise weit weg von der Unart einiger Köche, etwas tiefgefroren Rosenkohl für wenige Minuten in den Steamer zu packen und bei einem Herbstgericht als Rohkostbeilage zu servieren.

Als Geheimtipp geht die alte Lorze nicht durch, das Publikum ist bunt gemischt und ist an diesem Abend überraschend jung. Viele davon sind bereits bei Vermicelles & Co. angelangt – alles mit viel Rahm –, als uns der Hauptgang erreicht. Zwar erlebe ich bei der Wildrahmsauce ein Déjà-vu mit der Vorspeise, doch zu viel Sauce wäre für dieses Fleisch sowieso eine Beleidigung. Annähernd armdick, innen schön dunkelrot, ohne zu bluten, das ging fast ohne Messer.

Die Sauce braucht es bei den etwas lange gebratenen Lauchspätzli, Rosenkohlfreunde kommen bei den Beilagen nicht zu kurz. Meine Begleitung erfreut sich währenddessen an einem ebenfalls butterzarten Kalbssteak mit einer beeindruckenden Menge Pommes frites.

Der Einbruch kam vor dem Ziel. Dessert? Nein, danke!

Zwar kommt es beim Wildmenü, dessen Bestandteile regelmässig wechseln, zu kleineren Repetitionen. Da für jeden Gang zwei Optionen zur Auswahl stehen, ist dies zumindest in meinem Fall weitgehend selbstgewählt. Ebenso, dass ich eher fleischlastige Gerichte gewählt habe, es stünden durchaus auch etwas leichtere Gänge zur Wahl.

Dafür strecke ich vor der Ziellinie die Waffen. Hausgemachte Apfelchüechli als vierter Gang klingen zwar verführerisch, für mich ist aber schon die Miniatur eines Schoggi-Gugelhopfs, der zum Espresso serviert wird, mehr als ausreichend. Mit Hunger, das bestätigen auch andere Gäste, wird kaum jemand die «alte Lorze» verlassen. So, wie es sich für ein bodenständiges Restaurant gehört.

Preis-Leistung
Das viergängige Wildmenü ist mit 58 Franken konkurrenzlos günstig, das Fleisch dafür stammte aus Österreich. Das Kalbssteak kostet mit Kräuterbutter und einer Beilage 43.50 Franken, mit Morchelrahmsauce kostet es 47.50 Franken. Wer etwas Gemüse möchte, bezahlt 6.50 Franken zusätzlich. Grundsätzlich sind die Preise für die Stadt Zug sehr günstig, es werden attraktive Znünis angeboten. Mittagsmenüs mit Suppe und Salat kosten 17.50 bis 18.50 Franken.
**** von *****

Ambiente
Ist der Begriff «Chnelle» negativ besetzt? Falls nein, würde er auf das Ambiente passen. Einfaches, urchiges Interieur mit Linoleumboden, Holzstühlen, Stofftischtüchern und Papiersets, an der Wand hängt im Glaskasten die Fahne des Kavallerievereins Zug, von der Decke leuchten FL-Röhren. In der langen Gaststube ist es so laut, dass man teilweise sein eigenes Wort nicht versteht. Nichts also für ein erstes Date oder ein Tête-à-Tête, aber für einen geselligen, gemütlichen Abend. An wärmeren Tagen stehen in der Gartenwirtschaft zusätzlich 80 Plätze und ein Kinderspielplatz zur Verfügung.
** von *****

Service
Die Verwirrung um die fehlende Reservation wurde souverän gemeistert. An diesem ausverkauften Abend hiess die Lösung Effizienz, da blieb keine Zeit für Spässchen oder einen Schwatz. Man scheint es gewohnt zu sein, effizient zu werkeln. Speisen und Bedienung kamen ohne längere Wartezeiten, das Personal war freundlich und aufmerksam. Der Gratiskaffee anstelle des Desserts gibt einen zusätzlichen Punkt.
**** von *****

Online-Faktor
Ausführliche und dennoch übersichtliche Webseite. Zahlreiche Bilder, einschliesslich verschiedener Gerichte sowie Vorstellung der Gastgeber. Speise- und Getränkekarten sind ebenso wie der Lageplan vorhanden, Reservationsanfragen sind über das Kontaktformular möglich.
**** von *****

Wie immer gibt es zuletzt die Rechnung.
Wie immer gibt es zuletzt die Rechnung.

Zur alten Lorze

Adresse:
Schochenmühle 1
6300 Zug

Telefon:
041 741 57 54

E-Mailadresse:
[email protected]

Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag 8 bis 22 Uhr, sowie 1. Sonntag / Monat am Mittag.
Karte
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Mirjam Küng
    Mirjam Küng, 02.11.2022, 18:44 Uhr

    Guten Abend Herr Christian Hug
    Vielen herzlichen Dank für ihren Besuch bei uns im Restaurant und für ihre ausführliche und ehrliche Kritik.
    Mein Mann Silvano, ich Mirjam und das ganze Lorzen Team freuen sich riesig über die positiven Worte. Sei es über den Service, die Küche, das Ambiente. Danke
    Eine Bemerkung möchte ich trotzdem hinzufügen: Sie können bei uns online reservieren, sei es bei uns auf der Homepage, bei facebook, bei google oder auch bei local.
    Wir freuen uns auf ihren nächsten Besuch und wünschen ihnen bis dahin humorvolle und sonnige Herbsttage.
    Mirjam + Silvano mit Lorzen Team

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    • Profilfoto von Christian Hug
      Christian Hug, 03.11.2022, 09:37 Uhr

      Vielen Dank für die Rückmeldung. Ich habe im Text gerne ergänzt, dass Reservationsanfragen über das Kontaktformular möglich sind.

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