Streit um Ladenöffnungszeiten hält an

Abendverkauf bringt Stadt Luzern in Dilemma

In der Luzerner Altstadt ist der Abendverkauf am Donnerstag beliebter, in Einkaufszentren ist es oft der Freitag. (Bild: Emanuel Ammon/Aura)

Der Kanton Luzern will die Ladenöffnungszeiten leicht ausdehnen und dafür einen der beiden Abendverkäufe streichen. Trotz Kompromiss geht das Seilziehen hinter den Kulissen weiter: Grosse Einkaufszentren und Wirtschaftsverbände kämpfen für zwei Abendverkäufe. Die Stadt Luzern steht derweil vor einer kniffligen Aufgabe.

Jahrzehntelang schon streitet der Kanton Luzern über die Ladenöffnungszeiten. Während ringsum die Regeln gelockert wurden, gilt Luzern heute als restriktivster Stand der Schweiz. Doch nun zeichnet sich eine Lösung für eine leichte Ausweitung ab: samstags bis 17, werktags bis 19 Uhr, dafür wird ein Abendverkauf gestrichen (siehe Box).

Dieser Kompromiss scheint erstmals mehrheitsfähig: Alle Fraktionen im Kantonsrat haben sich im Januar dafür ausgesprochen. Doch hinter den Kulissen wird weiter gestritten. Zankapfel sind die Abendverkäufe.

Die «IG zeitgemäss einkaufen», in der rund 500 Geschäfte und grosse Einkaufszentren vereint sind, schlägt eine Alternative vor: Zwei Abendverkäufe bis 20 Uhr statt nur einen bis 21 Uhr.

Einkaufszentren wollen zwei Abendverkäufe

«Die Konzentration auf einem Abend macht keinen Sinn», heisst es auf Anfrage beim Pilatusmarkt in Kriens, einem der Mitglieder der IG. Je nach Einkaufszentrum, Ortschaft und auch Jahreszeit wiesen unterschiedliche Abende bessere Frequenzen auf. Gemäss der «IG zeitgemäss einkaufen» ist die Alternative mit zwei Abendverkäufen sowohl für den Detailhandel in Städten und grösseren Gemeinden als auch für die regionalen Einkaufscenter und Fachmärkte von grosser Bedeutung.

Seitens Pilatusmarkt betont man, dass die zeitliche Arbeitsbelastung für die Angestellten damit nicht steigt. Der Vorschlag, die zwei Abendverkäufe auf jeweils 20 Uhr zu begrenzen, entspreche derselben Stundenzahl wie jener im vorliegenden Kompromiss. Zudem trage er der Tatsache Rechnung, dass sich die beiden Abendverkäufe bewährt hätten und von der Kundschaft geschätzt würden.

Historische Einigung

Am Samstag sollen die Läden neu bis 17 Uhr, werktags bis 19 Uhr geöffnet haben. Dafür fällt ein Abendverkauf weg. Dieser Vorschlag scheint im Kanton Luzern – nach mehreren gescheiterten Liberalisierungsversuchen – endlich mehrheitsfähig: Im Januar hat der Kantonsrat mit über 90 Prozent Zustimmung eine Motion von Andreas Moser (FDP) überwiesen, die diese moderate Anpassung der Ladenöffnungszeiten verlangt. Der Regierungsrat hat den entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt, der demnächst in den Kantonsrat kommt. Stimmt er zu, werden die Ladenöffnungszeiten ab dem 1. Mai 2020 angepasst.

Ähnlich klingt es beim Emmen-Center oder bei der Mall of Switzerland in Ebikon. «Beide bisherigen Abendverkäufe, Donnerstag und Freitag, sind sehr beliebt», sagt Mall-Centerleiter Peter Triner. Gleichwohl begrüsse man die angestrebte Lösung als «Schritt in die richtige Richtung». Besonders die Ausdehnung der Öffnungszeit am Samstag stösst auf Wohlwollen.

«Wir glauben allerdings, dass die Liberalisierung eines Tages noch weiter gehen muss, um die Arbeitsplätze und die Angebotsvielfalt des Detailhandels im Kanton Luzern mittel- und langfristig zu erhalten.» Gerade auch angesichts der Entwicklungen in den Nachbarkantonen. Triner erwähnt als Beispiel den Kanton Zug, wo kürzlich eine Initiative für eine weitere Liberalisierung eingereicht wurde (zentralplus berichtete).

Unterschiedliche Wahrnehmung der Nachfrage

Die Stadt Luzern ist ebenfalls unzufrieden. «Die Reduktion auf einen Abendverkauf wird den Bedürfnissen der Stadt Luzern nicht gerecht», sagt Peter Weber, Beauftragter für Wirtschaftsfragen der Stadt Luzern. Zwei Abendverkäufe seien nicht nur für die Kundinnen und Kunden, sondern auch für das Gewerbe wünschenswert. Der Stadtrat hat sich in der Vernehmlassung deshalb gegen eine Reduktion auf einen Abendverkauf ausgesprochen.

«Im Kanton Luzern besteht kein Bedürfnis nach einem zweiten Abendverkauf.» 

Martina Stutz, Präsidentin DVL

Ganz anders tönt es auf Seiten des Detaillistenverbands (DVL), der gemeinsam mit den Gewerkschaften den vorliegenden Kompromiss erarbeitet hat. Jegliche Änderung am Vorschlag würden sie ablehnen. «Auch jene zur Ausdehnung auf zwei Abendverkäufe bis 20 Uhr», sagt DVL-Präsidentin Martina Stutz. Sie verweist darauf, dass praktisch kein anderer Kanton zwei Abendverkäufe kenne. «Auch im Kanton Luzern besteht kein Bedürfnis nach einem zweiten Abendverkauf.» 

Wer am Freitagabend durch die Altstadt schlendere, erkenne, dass ausser den Grossverteilern schon heute praktisch alle Geschäfte geschlossen seien. Aufwand und Ertrag stünden bei den Abendverkäufen zudem oft in einem Missverhältnis. Gerade für familien- und inhabergeführte Geschäfte seien sie betreffend Personal eine grosse Herausforderung.

Welcher Abendverkauf wird gestrichen?

Sollte der vorliegende Gesetzesentwurf durchkommen, könnte jede Gemeinde selber entscheiden, an welchem Abend sie die Verkäufe weiterhin erlaubt – und welcher Tag gestrichen wird.

Das bringt besonders die Stadt Luzern in ein Dilemma, wie der Wirtschaftsbeauftragte Peter Weber bestätigt: Streicht sie den Donnerstag, macht sie sich bei den Geschäften in der Altstadt unbeliebt, wo dieser Abendverkauf Tradition hat und stärker frequentiert ist. Streicht sie den Freitag, stösst sie die Einkaufszentren im Littauerboden und an der Peripherie vor den Kopf, wo viele Familien am Freitag ihren Wochenendeinkauf erledigen.

«So können beispielsweise die Läden in der Altstadt am Donnerstag länger offen halten und diejenigen im Littauerboden am Freitag.»

Peter Weber, Wirtschaftsbeauftragter Stadt Luzern

Das Problem stellte sich bereits bei der Fusion mit Littau. «In Luzern waren die Abendverkäufe an den Wochentagen Donnerstag/Freitag etabliert, in Littau hingegen an den Wochentagen Mittwoch/Freitag. Eine unterschiedliche Regelung war nicht zulässig, weil es sich nach der Fusion um dieselbe Gemeinde handelte. «Der Entscheid für Donnerstag/Freitag war ein Verlust für die Wirtschaft Littau-Reussbühl, insbesondere aufgrund der Nähe zum Wirtschaftsraum Emmen, wo ebenfalls Mittwoch/Freitag Abendverkauf ist», sagt Peter Weber. Nun drohe sich das zu wiederholen.

Regierungsrat gegen mehr Gemeindeautonomie

Die Stadt hat deshalb in der Vernehmlassung verlangt, dass die Läden selber entscheiden können, auf welchen Abendverkauf sie verzichten wollen. «Auf diese Weise können beispielsweise die Läden in der Altstadt am Donnerstag länger offen halten und diejenigen im Littauerboden am Freitag», erklärt Weber. Der Regierungsrat ist aber nicht darauf eingegangen.

«Weitergehende Änderungen der Ruhetags- und Ladenöffnungszeiten stossen auf Widerstände.»

Luzerner Regierungsrat

Ebenso lehnt er die Forderung von FDP-Kantonsrat Maurus Zeier ab, die Ladenöffnungszeiten in die Kompetenz der Gemeinden zu verschieben. Das stehe im Widerspruch zum nun vorliegenden Kompromiss, hält der Regierungsrat in seiner diesen Dienstag veröffentlichten Stellungnahme fest.

Und an diesem Kompromiss will er trotz Einwänden festhalten. «Sowohl die vorgängigen Gespräche wie auch die Ergebnisse der Vernehmlassung haben gezeigt, dass weitergehende Änderungen der Ruhetags- und Ladenöffnungszeiten auf Widerstände stossen und eine Lösung in dieser Frage wieder in weite Ferne rückt», schreibt die Regierung.

Ein Referendum droht

Angesprochen sind damit der Detaillistenverband und die Gewerkschaften. Mit dem Wissen um die konservative Haltung der Bevölkerung im Hinterkopf haben sie angekündigt, dass sie keine Änderungen akzeptieren. Für DVL-Präsidentin Martina Stutz ist klar, dass nur der eingeschlagene Weg gangbar ist. «Wer an diesem Kompromiss rüttelt, gefährdet dessen Umsetzung in der Praxis.»

Auf der anderen Seite hält auch die «IG zeitgemäss einkaufen» fest, dass man den vorliegenden Kompromiss ohne die Vorlage ablehnen werde. Ob sie aber – angesichts des mehrfachen Schiffbruchs an der Urne – tatsächlich mit einem Referendum die minimale Ausweitung gefährden wird, ist jedoch noch offen.

Zunächst liegt es am Kantonsrat, der die Ladenöffnungszeiten voraussichtlich Anfang Dezember in erster, Ende Januar 2020 in zweiter Lesung beraten wird.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Peter
    Peter, 10.10.2019, 08:41 Uhr

    Die ganze Woche bis 19.30 Uhr und samstags bis 17.00 Uhr wäre mM die beste Lösung, zumindest in der Stadt. Die Anforderungen und Bedürfnisse der Bevölkerung haben sich nun mal geändert. Der beste Beweis dafür sind die langen Schlangen und überfüllten Supermärkte im Bahnhof am Wochenende und nach Geschäftsschluss.
    Auch die frühen Schliessungszeiten vor Feiertagen sind ein Witz. So hat man als arbeitende Person keine Chance mehr auf einen spontanen Einkauf vor dem Feiertag.

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  • Profilfoto von Jörg
    Jörg, 09.10.2019, 09:30 Uhr

    Das alles braucht es nicht, es geht nicht um die Touristen, wieder einmal steht das Geld im Vordergrund und traurig aber wahr, die Regierung unterstützt dies noch, es wurde zig mal Nein aAbgestimmt. Nein heisst doch nein… Ein Vorschlag: in der Sommersaison bis 21 Uhr, und samstags bis 16 Uhr. Sollen Bucherer und Co doch in den Bahnhof ziehen, dort können sie ja länger offen haben, meine persönliche Meinung.

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  • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
    Kasimir Pfyffer, 08.10.2019, 14:53 Uhr

    «Auch im Kanton Luzern besteht kein Bedürfnis nach einem zweiten Abendverkauf.» – Momoll, der DVL kennt die aktuellen Bedürfnisse der Bevölkerung haargenau: Petroleumleuchten und Kerzen genügen, das neumödige elektrische Zeugs braucht niemand!

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