«Strasse mit Potenzial»

Wie junge Wilde die Baselstrasse neu beleben wollen

Manuel Kaufmann (links) und Raphael Leutenegger betreiben eines der neuen Lokale an der Baselstrasse in Luzern. (Bild: zvg)

Für manche Luzerner ist es ein Problemquartier, andere sehen es als einen spannenden Ausgeh-Ort. Immer mehr Junge zieht es ins Babel-Quartier – mit Ideen, den Ort offener und beliebter zu machen.

Im Bewusstsein vieler Luzernerinnen sind die Basel- und Bernstrasse nach wie vor ein schwieriges Pflaster. Sexarbeit, baufällige Gebäude, Drogenhandel. Seit Jahren kämpft das Babel-Quartier gegen diesen Ruf. Auch die Stadt Luzern ist sich der Probleme bewusst. Pläne, das Quartier aufzuwerten, bestehen schon seit Jahren. Darunter die Einführung von Tempo 30 auf der verkehrsreichen Strecke (zentralplus berichtete) und eine Umgestaltung mit mehr Grün am Reussufer. Jüngst sind auch neue Genossenschaftswohnungen entstanden, die sich auch an Familien richten. Wie warme Weggli gehen diese – noch – nicht weg (zentralplus berichtete).

Etwas gegen den verruchten Ruf wollen auch verschiedene Jungunternehmer machen. Bereits heute reihen sich an der Baselstrasse verschiedenste Betriebe aneinander: Take-away-Läden, orientalische Supermärkte, aber auch Restaurants wie der «Crazy Cactus», der «Klub Kegelbahn» oder die Stammtisch-Beiz «Absackerstübli» mit «Doorzügli»-Urgestein Karin Hilty an der Front (zentralplus berichtete).

Das neuste Kapitel im Gastro-Leben der Baselstrasse wird heute Samstag eingeläutet. Der «Club Kiosk» lässt erstmals die Bässe wummern. Über die Nachfolge der «Molo-Bar» an der Hausnummer 42/44 ist bislang noch wenig bekannt, das Betreiber-Trio Guy De Prà, Dominik Stäger und Lukas Meyer üben sich auf der Website des Clubs noch in geheimnisvollem Schweigen (zentralplus berichtete).

Die «Fritz Bar» hat sich nach Startschwierigkeiten gut eingelebt

In der Etage darüber hat sich das geschäftige Treiben schon seit Dezember etabliert. Hier haben die Gastronomen Robert Zupan und Christian Gujan von der Weinbar «Glou Glou» und Corinne Husmann vom «Bayts» mit der «Fritz Bar» ein weiteres Standbein aufgebaut. Die Bar präsentiert sich im Design der 1960er- und 1970er-Jahre und setzt auf Cocktails, kleine Speisen und Live-Musik. Bald kommt ein kleines Take-away-Angebot hinzu. Mit dem bisherigen Verlauf ist das «Fritz»-Team zufrieden – trotz Januarloch und Fasnachtsflaute.

Zudem habe es in den ersten Wochen den ein oder anderen Konflikt mit alkoholisierten oder anderweitig berauschten Besuchern gegeben. «Da mussten wir unsere Präsenz markieren», erklärt Corinne Husmann auf Anfrage.

Die Gesichter hinter der «Fritz Bar»: Robert Zupan, Corinne Husmann und Christian Gujan (v.l.n.r.) (Bild: zvg)

Mittlerweile habe sich die Bar vor Ort gut etabliert und eine «Stammgast-Bubble» generiert. «Es kommen viele Leute zu uns, die sonst kaum die Baselstrasse aufgesucht hätten.» Auch ansässige Babel-Bewohnerinnen schauten gelegentlich vorbei. Generell sei das Publikum bunt durchmischt. Viele kämen aus Freude an der Musik, der Kulinarik und dem Ambiente, erzählt Husmann.

Den Standort Baselstrasse empfinden sie ebenfalls nicht als Hürde. Im Gegenteil. «Wir sehen viel Potenzial, dieser Strasse etwas Neues zu geben», sagt Husmann. Es sei eine ideale Ausgangsstrasse. Darum tauscht sich das «Fritz»-Team aktuell mit anderen Beizen und dem Quartierverein Babel aus. Derzeit sei ein Projekt im Gespräch, bei dem verschiedene Betriebe zusammenspannen, um etwas Grösseres auf die Beine zu stellen. Spruchreif sei jedoch noch nichts.

Die Optik der Bar orientiert sich an den 1960er- und 1970er-Jahren. (Bild: zvg)

Die Gastronomie als Chance für den lange angestrebten Wandel? Corinne Husmann ist optimistisch, dass die geballte Kraft der neuen Lokale etwas bewirken kann. Sie weiss aber auch, dass so etwas nicht von heute auf morgen geschieht. «Es braucht viel Zeit, bis der alte Ruf weg ist und das Quartier wieder beliebter ist.» Sie glaubt fest daran, dass die Baselstrasse ein Ort sein kann, der für alle etwas bietet. Besonders im Hinblick auf die ganzen städtischen Projekte, die hier noch geplant sind. «Ich bin gespannt, wie es hier in fünf Jahren aussieht.»

Partys statt Metallfabrik

Frischen Wind in die Baselstrasse wollen auch Raphael Leutenegger und Manuel Kaufmann bringen. An der Hausnummer 52 haben sie zusammen mit Manuel Berger, Direktor vom Hotel Beau Séjour, eine ehemalige Metallfabrik gekauft. In den vergangenen Monaten haben sie die Räumlichkeiten in Eigenregie ausgebaut, um eine Küche und Toilettenanlagen erweitert und als Eventlocation «Werkstatt Augustin» eröffnet.

«Wir haben uns in diese Räume verliebt», erzählt Leutenegger, als er zentralplus durch die Halle führt. Auf glattpolierten Hochglanz verzichten sie ganz bewusst. Stattdessen gibt es maschinengrün gestrichene Wände, freiliegende Rohre und deckenhohe Regale voller Weinflaschen. «Die industrielle Vergangenheit ist omnipräsent», fährt Leutenegger fort. «Und diese Geschichte wollen wir anderen zugänglich machen», ergänzt Manuel Kaufmann. Darum haben sie das Antlitz der einstigen Werkstätte grösstmöglich erhalten.

Die Fassade lässt nicht einmal erahnen, was sich im Innern des Hauses verbirgt. (Bild: cbu)

Leutenegger und Kaufmann sind seit Jahren in der Gastronomie tätig, haben verschiedene Betriebe auf die Beine gestellt. So etwa die Pizzeria Da Marcello in Kriens. Der gelernte Gastronom Kaufmann ist zudem Mitgründer der Buvette Nordpol, Mitinhaber des Restaurants «Drei Könige» und war vor der Ära Stiefel Inhaber, Geschäftsführer und Koch im «Hopfenkranz» an der Zürichstrasse. Jetzt setzen die beiden als «Sportklub» auf die «Konzeption und Durchführung von temporärer Gastronomie», wie sie auf der Website schreiben. Oder einfacher gesagt: auf Pop-up-Restaurants. Einige davon betreiben sie in der «Werkstatt Augustin» gleich selbst.

«Die Baselstrasse ist ein nötiger Kontrast zur sauberen Postkartenidylle der Stadt Luzern.»

Raphael Leutenegger, Gastronom

Nebst eigenen Veranstaltungen wird die Werkstatt Augustin auch klassisch als Eventlokal vermietet. «Man kann die Räumlichkeiten für fast alles nutzen», sagt Kaufmann, der früher in einer der Wohnungen über der ehemaligen Werkstatt gelebt hat.

Die bisherigen Rückmeldungen seien durchs Band positiv gewesen. Ja, es brauche eine gewisse Offenheit, einen Anlass in der Baselstrasse durchzuführen, sagen die beiden. Aber die Gäste suchten bewusst das Andersartige – und das gibt es im Babel-Quartier. «Die Baselstrasse fällt im Vergleich zur restlichen Stadt aus dem Raster», sagt Manuel Kaufmann. «Und das ist auch gut so.» Raphael Leutenegger ergänzt: «Die Baselstrasse ist ein nötiger Kontrast zur sauberen Postkartenidylle der Stadt Luzern.»

«Industrial-Chic» an der Baselstrasse: die «Werkstatt Augustin». (Bild: zvg)

Zwar habe das Quartier seine Probleme, aber ebenso seine Reize, welche stetig neue Leute anlocken würden. Nicht nur durch die Arbeit lokaler Organisationen wie dem Sentitreff oder dem Verein Untergrundgang. Sondern auch dank neuer Lokale und Projekte – zu denen auch die «Werkstatt Augustin» zählt. Raphael Leutenegger: «Wenn wir einen Teil dazu beitragen können, dass dieser Ort für die breite Bevölkerung attraktiver wird, tun wir das.»

Quartierverein schätzt den Effort

Beim Verein Babel-Quartierentwicklung freut man sich über die neuen Betriebe. «Die Gastronomie im Quartier wird jünger und frischer», sagt Julia Rettenmund, Geschäftsleiterin des Vereinss, auf Anfrage. Der Verein schätze die Motivation der Gastronomen, die willens seien, sich zu engagieren. Man befinde sich auch im stetigen Austausch. «Wir merken, dass ihnen etwas am Quartier liegt und sie einen Mehrwert bieten wollen.»

Die neuen Betriebe würden ein neues, meist jüngeres Publikum an die Basel- und Bernstrasse locken. Dieses sei offener, an die Baselstrasse zu kommen und etwas zu erleben. «Im Gespräch mit Leuten vor Ort erfahren wir, dass es wieder mehr Leute hierher in den Ausgang zieht.» Das freut gemäss Rettenmund auch die Ansässigen. «Wir glauben, dass neue Lokale hier willkommen sind.»

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Corinne Husmann, «Fritz Bar»
  • Persönliches Gespräch mit Raphael Leutenegger und Manuel Kaufmann, «Werkstatt Augustin»
  • Website «Fritz Bar»
  • Website «Sportklub»
  • Telefongespräch mit Julia Rettenmund, Geschäftsleiterin Verein Babel-Quartierentwicklung
  • Website Verein Untergrundgang
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Maja Achermann-Kaufmann
    Maja Achermann-Kaufmann, 14.04.2024, 12:05 Uhr

    In der Dachwohnung wohnten meine Eltern und ich 1958 bis 1963
    Die Werkstatt Augustin war noch da.
    Gerne würde ich das Haus von innen sehen und schauen was daraus geworden ist.

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    • Profilfoto von raphaelleutenegger
      raphaelleutenegger, 15.04.2024, 13:47 Uhr

      Hallo Maja

      Danke für deine Nachricht. Komm doch einmal an der Baselstrasse vorbei. Ich zeige dir das Haus und die Werkstatt gerne. Am einfachsten schreibst du mir eine E-Mail an: [email protected] und dann finden wir einen gemeinsamen Termin.

      Lieber Gruss,
      Raphael

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