Würzenbächler schwanken zwischen Hoffnung und Ernüchterung
Die Stadt Luzern will das Würzenbach-Quartier aufwerten. Damit reagiert sie auf einen langjährigen Wunsch der Anwohner. Doch trotz vielversprechender Pläne hält sich die Begeisterung im Quartier in Grenzen.
Neue Plätze, viel Grün und insgesamt mehr Aufenthaltsqualität. Die Pläne der Stadt Luzern für das Würzenbach-Quartier klingen vielversprechend und ambitioniert. Im August hat Baudirektorin Manuela Jost ein Entwicklungskonzept für das Quartier präsentiert (zentralplus berichtete). Doch überraschenderweise löst sie damit im Würzenbach-Quartier nicht gerade einen Sturm der Begeisterung aus.
Dabei nimmt die Stadt Luzern mit dem Konzept ein Anliegen der Anwohnerinnen auf, dessen Anfänge bis ins Jahr 2018 zurückreichen. Damals haben die Bewohner des Quartiers eine Vision für ihr Quartier entworfen. 2020 sind sie mit einer klaren Forderung an den Stadtrat gelangt. Das Quartier soll ein Zentrum erhalten, das seinem Namen gerecht wird.
8000 Einwohnerinnen, aber kein Zentrum
Auf einem Spaziergang durchs Quartier erklären Philipp Rügländer und Thomas Schmid, wo sie im Quartier Verbesserungspotenzial sehen – und weshalb sie sich mehr von den Plänen der Stadt erhofft hatten. Rügländer ist Präsident des Quartiervereins Seeburg-Würzenbach-Büttenen, Schmid Leiter der Gruppe «Raum+Bau» des Quartiervereins. Schmid hat den Prozess der Quartierentwicklung von Beginn an eng begleitet und gilt gemeinhin auch als «Mister Würzenbach».
«Es gibt im ganzen Quartierzentrum hinter dem Bahndamm kein einziges Restaurant.»
Philipp Rügländer, Präsident Quartierverein Seeburg-Würzenbach-Büttenen
Schmid begründet das Anliegen des Quartiers gerne mit einer Zahl: «Wäre unser Quartier eine eigenständige Gemeinde, so wäre es an der Bevölkerungszahl gemessen die neuntgrösste im Kanton.» Über 8000 Menschen leben hier, im Osten der Stadt zwischen See und Meggerwald. «Durch das starke Wachstum in der Vergangenheit hat sich hier kein echtes Zentrum entwickelt. Heute fehlt das.»
Das zeigt sich exemplarisch vor der Bäckerei Kreyenbühl. Früher gab es hier noch eine Poststelle und ein Schulhaus – zwei Institutionen, die diese Ecke des Quartiers belebt haben. Heute gibt es nur noch die Bäckerei, die ein beliebter Treffpunkt im Quartier ist. Doch nach Ladenschluss um 18.30 Uhr wird es hier ruhig. Ab und zu fährt ein Bus durch – ansonsten ist nicht viel los an diesem Freitagabend.
Stadt plant zwei neue Plätze
«Es gibt im ganzen Quartierzentrum hinter dem Bahndamm kein einziges Restaurant», stellt Rügländer etwas ernüchtert fest. Tatsächlich: Das Restaurant Würzenbach ist seit zwei Jahren geschlossen. Die einzig verbleibende Beiz befindet sich im Sportcenter am Brüel-Kreisel – ein Gebäude, das voraussichtlich in den nächsten zehn Jahren abgerissen wird. Darum findet Rügländer: «Eine Beiz oder eine Bar wären wünschenswert. Das würde den öffentlichen Raum aufwerten und beleben.»
Was beim Rundgang mit Schmid und Rügländer auffällt: Hier ist nicht der fehlende Freiraum das Problem. In anderen Quartieren, insbesondere in der Innenstadt, bemängeln die Anwohnerinnen, dass es zu wenig Spielplätze oder Grünflächen gibt. Daran fehlt es im Würzenbach-Quartier nicht. Nebst der grossen Freizeitanlage im Lido, das ebenfalls zum Quartier gehört, gibt es auch noch die Brüel-Wiese mitten im Quartier. Ein Bach fliesst durchs Quartier, der Wald ist in der Nähe, es gibt Zugänge zum See. An Natur fehlt es im Würzenbach nicht. Aber an einer erkennbaren Siedlungsstruktur.
Die Stadtplanung ist sich dessen bewusst. In einem aufwendigen und mehrstufigen Partizipationsprozess hat die Stadt Luzern gemeinsam mit der Quartierbevölkerung Ideen entwickelt, wie das Quartier in den nächsten Jahren entwickelt werden könnte (zentralplus berichtete).
«Wir haben uns nach diesem langen Planungsprozess mehr konkrete Umsetzungsprojekte erhofft.»
Thomas Schmid, Leiter Gruppe Raum+Bau des Quartiervereins
Die Stadt will zwei neue Plätze im Quartier schaffen und diese mit einer stark begrünten Strasse miteinander verbinden. Es sollen neue Geschäfte und Läden ins Quartier kommen, welche das Erdgeschoss und somit den Strassenraum beleben. Der Bach soll zugänglicher werden, auf dem Pausenplatz des Schulhauses Würzenbach gibt es neue Grünflächen. Und eine neue Energiezentrale könnte dereinst das gesamte Quartier mit nachhaltiger Wärme aus dem See versorgen.
Projekt strapaziert die Geduld im Quartier
Und dennoch sind die Quartierbewohner nicht restlos zufrieden. Thomas Schmid stellt klar: «Wir danken der Stadt dafür, dass sie unser Anliegen aufgenommen und weiterverfolgt hat. Aber wir haben uns nach diesem langen Planungsprozess mehr konkrete Umsetzungsprojekte erhofft.» Unterdessen sind wir auf dem Pausenplatz des Schulhauses angelangt. «Auf dem Areal baut die Stadt einen Pumptrack. Das ist ein Erfolg für den Verein Pumptrack, der sich dafür eingesetzt hat», stellt Schmid fest. «Es ist das einzige, konkrete Projekt, das in absehbarer Zeit umgesetzt wird.»
Für alle weiteren Ideen bedarf es weiterer Abklärungen, Planungen und Studien. Viele der Projekte stehen in Abhängigkeit zum Kanton oder zu privaten Grundeigentümern. Der Handlungsspielraum der Stadt ist beschränkt, der Umsetzungszeitpunkt der Projekte ist daher ungewiss.
Quartiervereinspräsident Rügländer kann verstehen, dass solche Prozesse lange dauern. Aber das sei schwer vermittelbar. «Die Quartierbewohner haben sich stark engagiert. Doch das einzige bald sichtbare Resultat dieser Bemühungen wird ein Pumptrack sein. Das kann dazu führen, dass manche Leute das Vertrauen in diesen Entwicklungsprozess verlieren.»
Darum fordert der Quartierverein nebst dem Pumptrack von der Stadt Luzern zwei weitere, konkrete Projekte. Zum Beispiel, dass der geplante Platz vor der Bäckerei Kreyenbühl früher realisiert wird. Oder dass die Stadt neue Ideen präsentiert, wo im Quartier preisgünstige Alterswohnungen entstehen könnten.
Auch das Lido gehört zum Würzenbach-Quartier
Zudem weist Thomas Schmid auf die Bedeutung des Lido-Areals hin. «Hier hat die Stadt eigenes Land und entsprechenden Handlungsspielraum.» Für die Stärkung des Quartiers sei es wichtig, dass das Gebiet zwischen See und Seeburgstrasse ebenfalls als Teil des Quartiers verstanden wird, so Schmid. Wie das gelingen soll, zeigt er im dritten Teil des Spaziergangs auf. Dieser führt über den ziemlich gut versteckten Lidoweg, der hinter dem Verkehrshausareal von der Minigolfanlage zum Würzenbach-Kreisel führt.
«Mit einfachen Mitteln könnte dieser Weg sichtbarer gemacht werden, damit ein durchgehender Fussweg vom Quartierplatz beim Kreyenbühl bis zur Lidowiese entsteht.» Den Weg bezeichnet Schmid als «Grüezi-Meile», weil man sich hier trifft und für einen kurzen Schwatz anhält. Aufenthaltsqualität entlang der Strassen und Wege – etwas, das es im Quartier bisher kaum gibt.
Die Stadt hat die Idee zwar ins Entwicklungskonzept, nicht aber in den entsprechenden Bericht und Antrag aufgenommen. Und so braucht es für die «Grüezi-Meile» wie für viele andere Projekte für das aufgefrischte Würzenbach-Quartier vorerst nur eines: eine grosse Portion Geduld.
- Persönliches Treffen mit Phillipp Rügländer und Thomas Schmid
- Bericht und Antrag der Stadt Luzern zum Würzenbach-Quartier
- Entwicklungskonzept Würzenbach