Zuger Marienheim trotzt Wuchermieten

Santa Maria: «Kaum jemand zieht hier freiwillig weg»

Das Haus Santa Maria der gleichnamigen Stiftung bietet sozialverträglichen Wohnraum. (Bild: Stiftung Santa Maria)

Die Gebäude der Stiftung Santa Maria in Zug kennen wohl fast alle. Jedenfalls alle, die sich gern in der Badi Seeliken sonnen. In der ehemaligen Haushaltsschule direkt am See bietet die Stiftung heute teils günstigen Wohnraum an. zentralplus hat genauer hingeschaut.

Fast alle Zuger kennen das hübsche Haus mit dem Walmdach, das nördlich der Badi Seeliken steht. Dennoch wissen wohl die wenigsten, was es mit dem elegant anmutenden, gelben Haus auf sich hat. Und dies, obwohl der Schriftzug «Sta. Maria», der umrahmt von einer Stuckatur die Ostfassade des Hauses ziert, einen Hinweis darauf gibt.

So viel vorweg: der Schein des eleganten barocken Adelspalais trügt. Das Gebäude Marienheim in der Unteraltstadt 40 wurde erst im Jahr 1909 gebaut, es handelt sich um einen neubarocken Heimatstilbau.

Das sogenannte Marienheim beherbergte am Anfang des 20. Jahrhunderts die Mädchen- und Haushaltsschule Santa Maria. Die damalige Genossenschaft wurde von Menzinger Schwestern mit dem Zweck geführt, «den Interessen der weiblichen Fürsorge im Sinne und Geist der katholischen Kirche zu dienen».

Von der Mädchenschule zum Altersheim zum bezahlbaren Wohnraum

Die Schule wurde 1977 geschlossen. Dies, nachdem die staatliche Unterstützung derselben nach dem Zweiten Weltkrieg gestrichen worden und die Beliebtheit der Schule gesunken war. Ausserdem beschloss zu jener Zeit das Institut Menzingen, keine Lehrschwestern mehr zur Verfügung zu stellen.

Zunehmend entwickelte sich das Marienheim zum «Heim für alleinstehende Frauen und Töchter, besonders auch im Alter», wie es ab 1943 hiess. Doch auch der Altersheimbetrieb entwickelte sich defizitär. 1999 wurde aus der Genossenschaft die Stiftung Santa Maria. Damit veränderten sich auch die Statuten. Und nun?

Zeit für einen Besuch in diesem auffälligen Haus. Philipp Schneider, Stiftungsratsmitglied und Immobilienverantwortlicher, sagt: «Wir verfügen insgesamt über 21 Mietobjekte in zwei Häusern, davon zwei Büros. Daneben 19 Wohnungen, welche wir teilweise deutlich unter dem Marktwert vermieten.» Damit wolle man einen Beitrag leisten zur Wohnungsproblematik in der Stadt Zug. Daniel Villiger, der Präsident des Stiftungsrates, sagt dazu: «Das klingt nun vielleicht für viele spannend, doch muss man auch sagen, dass es nur selten freie Mietwohnungen gibt.»

Hilfe für Alleinstehende und alleinerziehende Mütter

Mit dem Mietzins, den die Stiftung einnimmt, könnten sie Personen helfen, die sich in sozial schwierigen Verhältnissen befinden. Denn auch diese gebe es in Zug, betont Robert Gilli, Vizepräsident des Stiftungsrates. Bevorzugt würden Alleinstehende sowie alleinerziehende Frauen. Ausserdem werden nur Anfragen aus der Stadt und dem Kanton Zug in Erwägung gezogen.

60 bis 80 Gesuche erreichen die Stiftung jährlich, davon stammen rund 30 von alleinstehenden Frauen. Es handelt sich um Schreiben von Privatpersonen in finanziellen Nöten, solche, die auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum sind, aber auch andere Stiftungen gelangen an sie. «Wir können längst nicht alle berücksichtigen», ergänzt Vizepräsident Robert Gilli, der für die Bearbeitung der Gesuche verantwortlich ist. «Wir prüfen sie unseren Statuten entsprechend und besprechen die Fälle anonymisiert in der aus Stiftungsratsmitgliedern bestehenden Sozialkommission.»

Ebenfalls arbeiten sie mit der Familienhilfe in Zug zusammen. «Gerade etwa bei Fällen, in denen alleinerziehende Mütter krank werden und sich nicht um ihre Kinder kümmern können. Wenn sie den untersten Stundentarif der Familienhilfe nicht begleichen können, springen wir ein.» Weiter arbeitet die Stiftung Santa Maria mit Pfarreien sowie dem Frauenhaus in Zug zusammen.

Ein Hauch von Kirche schwingt noch mit

Die frühere Genossenschaft Marienheim wurde von Klosterschwestern geführt. Auch heute liest man auf der Website der Stiftung Santa Maria, dass die soziale Institution auf christlichen Werten basiere. Wie viel Kirche steckt heute noch in der Stiftung? Dazu sagt Daniel Villiger: «Es geht hier primär um die christliche Grundhaltung, die im Stiftungszweck verankert ist und an der wir uns orientieren. Wir unterstützen jedoch nicht nur katholische Personen.»

Man arbeite zwar eng mit der Pfarrei Guthirt zusammen, «doch das hat sich eher so ergeben und ist keine Bedingung. Für uns ist der Kontakt zum dortigen Pfarrer wertvoll, denn oft weiss er darüber Bescheid, wo Hilfe nötig ist», sagt Villiger. Häufig sei es für Betroffene nicht einfach, aktiv um Hilfe zu bitten. Deshalb sei dieser Kontakt für sie wertvoll.

In der Studie «Fürsorgen, vorsorgen, versorgen», des Kantons Zug, mit der unter anderem die problematischen Seiten der sozialen Fürsorge beleuchtet wurden, wurde auch das Marienheim erwähnt. Die damalige Institution wurde von den Menzinger Schwestern mit religiöser Strenge geführt. Eine ehemalige Absolventin der Haushaltungsschule äusserte, dass sie damals, in den 1960ern, bei Ungehorsam an den Haaren gezogen wurde oder aber für eine Weile keinen Besuch mehr von ihrer Mutter erhalten durfte.

Die Frage, ob die heutige Stiftung diese Geschichte aufgearbeitet habe, verneint der Stiftungsratspräsident. «Dies insbesondere, da sich die Menzinger Schwestern schon 1981 zurückzogen, als die Institution noch eine Genossenschaft war.» Durch die Änderung der Rechtsform zur Stiftung 1999 sei dies noch weniger ein Thema gewesen.

Auch das weisse Gebäude, das Haus Seehof an der Unter Altstadt 38, gehört der Stiftung. (Bild: wia)

Von Mädchenheim ist im Inneren nichts mehr spürbar

Das Gebäude Marienheim mit seinem Anbau sowie dem verbundenen «Kastell», einem ehemaligen Lusthäuschen aus dem 18. Jahrhundert, wird von der Denkmalpflege als schützenswert eingestuft. Dies, obwohl das Innere des Haupthauses in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre kernsaniert wurde und heute keinen historischen Charme mehr versprüht. Auf die Geschichte des Hauses weisen nur noch Bilder und Fotografien an den Wänden hin.

In den Gängen des Gebäudes ist es still. Dies, obwohl das Haus längst seinen Status als Altersheim abgestreift hat. «Die Mieterschaft ist sehr heterogen. Zwei Familien leben hier, daneben einige alleinstehende Frauen sowie zwei Junggesellen», erklärt Philipp Schneider, Stiftungsratsmitglied und Immobilienverantwortlicher. «Die meisten von ihnen sind langjährige Mieter. Kaum jemand zieht hier freiwillig weg.»

Ein Garten an unerhört guter Lage

Die eigentliche Attraktion der Liegenschaft findet sich ausserhalb der Gebäudemauern. Der Garten, der über eine Rasenfläche sowie einen wunderbaren Sitzplatz verfügt, bietet eine unglaubliche Aussicht auf den Zugersee. Durch eine in die Gartenmauer eingelassene Tür gelangen die Bewohnerinnen direkt auf den öffentlichen Weg, der dem Wasser entlangführt.

Die Aussicht vom Garten aus lässt sich sehen. (Bild: wia)

Auch die kleine, für die Bewohner nutzbare Dachterrasse auf dem Kastell lässt sich sehen. Von hier aus überblickt man die ganze Badi Seeliken, in der sich in den Sommermonaten Badefreunde wie Farbstifte in der Caran-d'Ache-Kiste aneinanderreihen. Spätestens jetzt wird klar: Wer im Haus Santa Maria lebt, hat grosses Glück.

Doch kein Glück ist absolut. So macht der Zugersee dem Haus hie und da zu schaffen. «Im Sommer 2021, als der Wasserstand des Sees sehr hoch war, stand der Keller unter Wasser», erzählt Schneider. «Dieses Hochwasser zwang uns, das Kellergeschoss an der Unter Altstadt 38 zu sanieren. Der neu eingebaute Pumpschacht verfügt über einen Sensor, der ab einem gewissen Pegel beginnt, Wasser abzusaugen.» Bei so einer Lage nimmt man derartige Unannehmlichkeiten wohl in Kauf.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit drei Stiftungsratsmitgliedern
  • Führung durchs Haus
  • Studie des Kantons Zug «Fürsorgen, vorsorgen, versorgen»
  • Buch zum 100-Jahr-Jubiläum der Genossenschaft Marienheim/ Stiftung Santa Maria
  • Website Stiftung Santa Maria
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