Claverhaus: Die historische, rosa Fassade erstrahlt in neuem Glanz
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Die kunstvoll gestaltete rosa Fassade des Claverhauses gehört zur Altstadt wie der Greth-Schell-Brunnen. Nachdem sie durch einen Hagelsturm vor zweieinhalb Jahren stark malträtiert worden war, wurde sie nun wieder auf Vordermann gebracht.
Ein garstiger Novembermorgen: Der Regen trommelt erbarmungslos aufs Baugerüst, das vor dem Haus an der St.-Oswalds-Gasse 15 steht. Die Restauratorin Sylvia Fontana steht auf der Gerüstplatte, zehn Meter über dem Boden, und inspiziert die Fassadenbemalung. Da sind Putten, die sich, umgarnt von Pflanzengirlanden, um die Fenster drapieren. Bibelszenen mit Engeln, in deren Mitte die Jungfrau Maria sitzt. Löwen, die, das Wappen der Familie Brandenberg bewachend, über der Eingangstüre prangen.
An der Fassade des knapp 500-jährigen Hauses wimmelt es von sogenannten Architekturmalereien, von Trompe-l’Œils, die vortäuschen, Balken, Fenster oder gemeisselte Vorsprünge zu sein. Was von der dritten Etage perspektivisch schräg aussieht, wirkt von der Gasse aus täuschend echt. Die Malereien dürften aus dem Jahr 1740 stammen.
Wer deren Urheber ist, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Die Malerei wird jedoch dem Wandermaler und Freskant Johann Melchior Eggmann aus Rorschach zugeschrieben.
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Davon, dass die mehrstöckige, rosarote Fassade des «Brandenberghauses» oder heute «Claverhauses» bis vor kurzem grosse Schäden aufwies, ist nichts mehr zu sehen. Das Restaurierungsteam hat offenbar gute Arbeit geleistet. Auch wenn die Arbeiten alles andere als einfach gewesen seien. Denn das beeindruckend bemalte Haus, das im Besitz der Petrus-Claver-Schwestern ist, hat bereits eine lange Geschichte hinter sich. Aber dazu später mehr.
Das «Claverhaus»
Das spätgotische Steinhaus an der St.-Oswalds-Gasse 15 stammt aus dem Jahr 1540, die aufwändige Fassadenmalerei wurde wohl im Jahr 1740 angebracht. Um wen es sich beim Künstler handelte, ist unklar. Es könnte der Wandermaler und Freskant Johann Melchior Eggmann aus Rorschach sein.
Von besonderem kunsthistorischem Wert
«Mit seiner repräsentativen Fassadenmalerei, die zu den besten derartigen Leistungen in der barocken Schweiz gehört, ist das Haus besonders prägend für das Erscheinungsbild der Gasse. Seine wertvolle Ausstattung im Innern und Äussern sowie seine gut erhaltene historische Bausubstanz begründen einen besonderen architekturgeschichtlichen, kunst- und kulturhistorischen Wert», so wird das denkmalgeschützte Gebäude im Inventarblatt gewürdigt.
Ab dem 17. Jahrhundert lebten verschiedene Vertreter des adligen Geschlechts Brandenberg im Haus, im 18. Jahrhundert gelangte es in den Besitz der nicht-adligen Brandenbergs. Ein Jahrhundert später war das Anwesen mit seinem Nebengebäude im Besitz der gleichnamigen Seifensiederei und Kerzenfabrik. Das Gebäude ist seit 1905 im Besitz der Petrus-Claver-Sodalität, die hier unter anderem das Afrika-Museum betreibt.
Unter dem Putz klafften Hohlräume
Die Ordensschwestern riefen die Restauratoren von Fontana & Fontana, weil sich nach der Winterzeit plötzlich grössere Putzschäden an der Fassade zeigten. Die Restauratoren sahen an der Fassade Hunderte von kleinen Einschlägen und fragten nach einem vergangenen Hagelereignis.
«Dass der verheerende Hagelsturm vom 21. Juni 2021 nicht nur unzählige Fenster des Gebäudes kaputtschlug, sondern auch grosse Schäden an der Fassade verursachte, bemerkten wir also erst später», erzählt Fredy Rickenbacher, der Bauleiter des Unterfangens. Seit Jahrzehnten steht Rickenbacher immer wieder im Dienst der Petrus-Claver-Schwestern.
Heimtückische Hagelschäden
Sylvia Fontana ergänzt: «Nach einem Hagelereignis sind Schäden etwa an Fensterscheiben für jedermann klar sicht- beziehungsweise fühlbar.» Anders sei dies an Fassadenoberflächen. «Die Fassadenoberfläche wurde zwar durch den Hageleinschlag beeinträchtigt und damit das Putzgefüge insgesamt geschwächt, aber ein sichtbarer Schaden entsteht erst mit der Abschälung der Farbe beziehungsweise durch Ausbrüche bis und mit Putz.»
Dies passiere meist erst mit der Zeit. Insbesondere mit dem Klimawechsel, vor allem durch den Frost, würden sich die Schäden auch für ein ungeübtes Auge bemerkbar machen. «So auch in diesem Fall», sagt Sylvia Fontana.
Die Fassadenfarbe liess sich bereits mit dem Finger abwischen
Der Hagel spickte die Putzschicht an unzähligen Stellen weg. Zusätzlich entdeckten sie, dass sich unter dem harten Putz vielerorts Hohlräume aufgetan hatten. «Die Malschicht hatte sich demnach von ihrem Träger gelöst. Das machte die Restaurierung enorm aufwändig.» Auch sei die Fassadenoberfläche bereits derart beschädigt gewesen, dass sich die Farbe, wenn sie nass war, mit dem Finger abwischen liess.
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Ein gigantischer Aufwand
Im Frühsommer dieses Jahres begannen die Festigungsarbeiten. Die Fachleute mussten zunächst die Fassade perforieren, um später Kieselsäureester mithilfe von Spritzen in die Hohlräume zu injizieren. Zwei Monate dauerte es, bis die erste Festigung getrocknet war. Im August begannen die weiteren Festigungs- und Restaurierungsarbeiten, die kürzlich abgeschlossen wurden.
Bereits mehrmals war die Fassade in der Vergangenheit restauriert worden. Auch das sei bei den aktuellen Arbeiten spürbar gewesen. «Von Weitem mögen die Farben zwar uniform wirken, doch wurden an der gesamten Fassade Hunderte von Grautönen verwendet. Auch wurde nicht ein spezifisches Rosa verwendet», erklärt Farbgestalterin Olivia Fontana. Das sei gerade bei der Restaurierung einfarbiger Flächen herausfordernd gewesen.
Auch die Fenster und ihre Einrahmungen wurden dabei neu gestrichen. «Diese wiesen zuvor unterschiedliche und vor allem mit den Jahren veränderte Farbtöne auf. Die Sandsteineinfassungen wurden wieder sandsteinfarben und die Fenster in einem braunen Holzfarbton – wie die illusionistisch aufgemalten Fenster an der Fassade zeigen – gestrichen.»
Aufmerksame Zugerinnen dürften zudem bemerkt haben, dass sich auch das Sockelgeschoss verändert hat. «Wir vermuteten, dass das Sockelgeschoss ursprünglich nicht rosa, sondern grau war. Dies bestätigten uns Fotografien von früher. In Absprache mit der Denkmalpflege haben wir den Sockel nun wieder in seiner ursprünglichen Farbe bemalt», erklärt Sylvia Fontana.
Selbst für die Restauratorinnen war es ein besonderer Auftrag
Für das Unternehmen Fontana & Fontana aus Jona war der Auftrag an der St.-Oswalds-Gasse 15 ein aussergewöhnlicher. «Dies insbesondere, weil es sich um eine sehr schwierige Restaurierung handelte. Ausserdem ist das Haus speziell, da es sich um eines von sehr wenigen handelt, deren Fassade bemalt ist», erklärt Sylvia Fontana.
Nicht nur arbeitstechnisch, sondern auch finanziell waren die mehrmonatigen Restaurierungsarbeiten sehr aufwändig. Wie hoch die Kosten effektiv sind, können die Verantwortlichen zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.
So viel ist jedoch klar: Ein Grossteil davon wird von der öffentlichen Hand getragen. Für den Anteil, den die Missionsschwestern selber beziffern müssen, suchen diese aktuell nach Spendengeldern. Zu hoch sei der Betrag, als dass sie diesen selber stemmen könnten.
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Auch künftig muss die Fassade regelmässig kontrolliert werden
Zudem wird es auch künftig finanzielle Mittel brauchen, denn nach Abschluss der Instandstellung muss die Fassade regelmässig kontrolliert werden. Dazu sagt Sylvia Fontana: «Viele glauben, solche historischen Fassadenmalereien seien für die Ewigkeit. Dem ist leider nicht so. Irgendwann braucht es wieder erhöhtes Engagement, um sie zu retten.»
Beim Zuger Claverhaus ist den Restauratoren die Konservierung gelungen. Jedenfalls für die kommenden Jahre. Doch wer weiss, wie viele Hagelstürme das Altstadthaus in Zukunft noch überdauern muss.
- Besuch der Baustelle
- Gespräche mit den Restauratorinnen und dem Bauleiter
- Unterlagen aus dem Archiv
- Inventarblatt des Amtes für Denkmalpflege
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