21 Grad und es wird nicht heisser

Heiz-Diktat der ABL lässt Mieterinnen kalt

In den Wohnungen der ABL, hier beim Himmelrich 3, wird es diesen Winter nicht wärmer als 21 Grad. (Bild: ABL)

In allen Siedlungen der ABL wird es diesen Winter nicht wärmer als 21 Grad. Die Baugenossenschaft setzt zum Heiz-Diktat an. Die Mieter freut's.

Die ganze Schweiz, ein einig Volk von Energiesparern. Wegen der hohen Energiepreise und der drohenden Strommangellage rufen Bund, Kantone und Gemeinden seit Wochen zum Energiesparen auf. Nach dem hunderttausendsten Energie-Spartipp, hat wohl auch der allerletzte Einwohner verstanden, dass Fenster nicht gekippt, weniger lang geduscht, und die Heizung nicht zu warm eingestellt werden soll.

Nur: Wer hält sich freiwillig an diese Empfehlungen? Auch der Bundesrat kann hier nur auf die Eigenverantwortung der Bevölkerung hoffen. Der Luzerner Baugenossenschaft ABL reicht das aber nicht. Sie will die Zügel lieber selber in der Hand halten – und setzt darum diesen Winter zum Heiz-Diktat an.

In allen 16 Siedlungen und 2100 Wohnungen der ABL wird es diesen Winter nicht wärmer als 21 Grad. Die Genossenschaft stellt dafür extra die Heizungen neu ein. Die maximale Heiztemperatur beträgt somit 21 Grad – wer es gerne kühler mag, darf die Heizung natürlich noch stärker runterdrehen.

Übertritt die ABL damit eine Grenze?

Die Baugenossenschaft greift mit der Massnahme in die «Wohnfreiheit» ihrer Mieterinnen ein. Aus Sicht der ABL ist das aber vertretbar: «Aus mietrechtlicher Sicht sind 20 bis 21 Grad vertretbar. Der Bundesrat spricht in seiner Energiesparkampagne von denselben Werten», sagt ABL-Sprecher Benno Zgraggen auf Anfrage. «Die Massnahme hilft zudem, dass die steigenden Energiekosten sich weniger stark auf die Heizkosten auswirken.»

Rund 90 der ABL-Wohnungen werden mehrheitlich mit Gas, manchmal auch mit Öl geheizt. Die Baugenossenschaft erhofft sich von der Massnahme eine Reduktion des Gasverbrauchs von zehn bis 15 Prozent.

«Ist die Temperatur gefühlt kalt, hilft wohl nur, sich warm anziehen und in Bewegung bleiben.»

Benno Zgraggen, ABL-Sprecher

Über die 2100 Wohnungen der ABL ist der CO₂-Fussabdruck der Genossenschaft wegen der vielen fossilen Heizträgern gross. Die Baugenossenschaft erarbeitet deshalb eine Strategie, um klimaneutral zu werden. Sämtliche Öl- und Gasheizungen sollen ersetzt, die Häuser besser isoliert und wo möglich zusätzliche Solaranlagen realisiert werden.

Darum komme der jetzige Entscheid nicht aus dem Nichts, wie Benno Zgraggen erklärt: «Die Heizkurve in unseren Siedlungen zu senken, war bereits vor der Energiekrise ein Thema. Letztere hatte einen beschleunigenden Effekt bei der Umsetzung. Klar ist, dass diese langfristig gilt.»

Das sagen die Mieterinnen zum Heiz-Diktat

21 Grad fühlen sich für die meisten zwar noch immer angenehm warm an. Für vulnerable Personen wie ältere Menschen oder Kleinkinder kann das aber durchaus zu kalt sein. Für sie sieht die ABL vorerst aber keine Lösungen vor. Das Problem: Die maximale Heiztemperatur wird in den meisten Siedlungen über eine Zentralheizung gesteuert. «Eine Erhöhung der Temperatur ist also nur zentral möglich», sagt Zgraggen und deutet gleichzeitig Gesprächsbereitschaft an: «Sollten die Werte in Wohnungen zu tief sein, suchen wir nach Lösungen.»

Und für Mieter mit einem ausgeprägten Kälteempfinden empfiehlt er: «Ist die Temperatur gefühlt kalt, hilft wohl nur, sich warm anziehen und in Bewegung bleiben.» Doch haben alle Mieterinnen Lust auf Wollsocken und Dauerlauf in der eigenen Wohnung?

Ja, wie eine Umfrage unter einigen ABL-Mitgliedern zeigt. «Ich finde das gut, mich stört das nicht», sagt etwa ein Mieter vom Jungfrauweg. «Bei mir zu Hause ist es jetzt bereits nie wärmer als 21 Grad und das geht eigentlich ganz gut.»

«Ich hasse es, kalt zu haben. Aber ich bin mit der Massnahme trotzdem einverstanden.»

Mieter im Himmelrich 3

Gleich klingt es bei einer weiteren Mieterin vom Jungfrauweg: «Ich schätze es, dass ich mich dank der Initiative der ABL nicht direkt darum kümmern muss und die Temperaturen somit quasi «automatisch» so eingestellt sind, dass man die Wohnung nicht überheizt. Ich habe bisher niemanden darüber klagen gehört.»

Und sogar ein im Himmelrich 3 wohnhafter «Gfröhrli» ist überzeugt von der Massnahme der ABL: «Ich hasse es, kalt zu haben. Aber ich bin mit der Massnahme trotzdem einverstanden. Erstens sind die Wohnungen in unserem Haus bisher überheizt. Und zweitens sehe ich das Runterdrehen der Heizung als Zeichen der Solidarität mit den Menschen in der Ukraine, die teilweise nicht mal mehr ein Dach über dem Kopf haben.»

Dürftige Kommunikation

Die hier befragten ABL-Mieter begrüssen also die Massnahme der Baugenossenschaft. Zu reden gibt jedoch die Kommunikation. Denn die Massnahme wurde lediglich in einem Artikel im ABL-Magazin, dem offiziellen Kommunikationsorgan der Baugenossenschaft kommuniziert. Zudem stand die Info auf der Homepage und in den sozialen Medien. Einen Informationsbrief oder ähnliches gab es nicht. So wurden die Mieterinnen vor vollendete Tatsachen gestellt. Bei diesen sorgt das für Kritik:

«Davon wusste ich bisher nichts. Das finde ich schade. Ich wäre froh gewesen, diese Information zu erhalten.»

Mieterin im Himmelrich 3

«Die Kommunikation ist dürftig, ich habe das auch nur im ABL-Magazin gelesen. Eine proaktive Kommunikation fände ich da schon gut», sagt etwa ein Mieter vom Himmelrich 3. Eine weitere Mieterin aus dieser Siedlung bestätigt: «Davon wusste ich bisher nichts. Das finde ich schade. Ich wäre froh gewesen, diese Information zu erhalten.» Sie denke dabei insbesondere an ältere Personen oder Familien mit Kleinkindern, die vielleicht froh wären, von der 21 Grad-Regel ausgenommen zu sein. Doch ob solche Ausnahmen überhaupt möglich sind, sei wegen der dürftigen Kommunikation eben unbekannt.

Mieterverband begrüsst die Massnahme und warnt gleichzeitig

Die ABL ist übrigens nicht die erste Baugenossenschaft, welche die Appelle zum Energiesparen resolut umsetzt. Noch weiter ging beispielsweise eine deutsche Genossenschaft im Bundesland Sachsen. Diese stellt ihren Mietern nämlich seit dem Sommer zu bestimmten Zeiten das Warmwasser ab. So bleibt die Dusche in der Nacht zwischen 21 und 4 Uhr sowie am Tag zwischen 8 und 11 sowie 13 und 17 Uhr kalt.

Aus rechtlicher Sicht ist diese Massnahme fraglich, wie es in einem Artikel der «NZZ» heisst. Anders sieht es beim Heiz-Diktat der ABL aus. Wie der Mieter- und Mieterinnenverband auf seiner Webseite darlegt, gibt es eine ungeschriebene Regel, die besagt, dass die Raumtemperatur zwischen 20 und 22 Grad liegen muss. Erst wenn die Temperatur deutlich darunter liegt, also beispielsweise bei 17 Grad, haben Mieterinnen Anspruch auf eine Mietzinsreduktion.

Daniel Gähwiler, Co-Geschäftsleiter des Mieterverbands Luzern, fasst zusammen: «Aus unserer Sicht ist die Massnahme der ABL sinnvoll und angebracht.» Gleichzeitig bestehe jedoch die Gefahr, dass diese pauschale Massnahme den Bedürfnissen von älteren Personen oder Kleinkindern nicht mehr gerecht wird. «Darum fordern wir eine verbrauchsabhängige Abrechnung der Heizkosten», betont Gähwiler. Er ist überzeugt, dass auch eine solche Massnahme grosses Energie-Sparpotential hat (zentralplus berichtete).

Verwendete Quellen
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