Neuer Präsident von Luzern Tourismus im Interview

«Ich denke nicht, dass Luzern beim Tourismus schon an Grenzen stösst»

Will den Dialog mit der Bevölkerung verbessern und sie stärker am Erfolg teilhaben lassen: Martin Bütikofer, neuer Präsident von Luzern Tourismus vor dem Bourbaki.

(Bild: bic)

Der Direktor des Verkehrshauses, Martin Bütikofer, ist neuer Präsident von Luzern Tourismus. Im Gespräch verrät er, wie er die Bevölkerung stärker am Nutzen daraus teilhaben lassen will. Denn eines ist auch ihm klar: Massentourismus wie in Venedig oder Barcelona ist in Luzern schon rein politisch nicht möglich.

Martin Bütikofer wird neuer Präsident von Luzern Tourismus. Der aktuelle Direktor des Verkehrshaus Luzern übernimmt das Amt von Hotelier Ferdinand Zehnder. Wohin steuert der Tourismus in Luzern mit ihm als Captain und wie möchte er sicherstellen, dass die Stimmung bei der Bevölkerung beim diesem Thema nicht kippt?

Diese und weitere Fragen beantwortet der 58-Jährige im Interview im Bourbaki Panorama. An einem Ort, der symbolisch für seine Vision von Luzern als Reisedestination steht. 

zentralplus: Herr Bütikofer, was hat Sie dazu bewogen, das Amt des VR-Präsidenten von Luzern Tourismus zu übernehmen?

Martin Bütikofer: Ich bin seit zwei Jahren im Verwaltungsrat von Luzern Tourismus. Als Luzerner, der hier aufgewachsen ist und das Verkehrshaus weiterentwickeln darf, will ich mit meiner Energie und meinem beruflichen Netzwerk der Stadt und der Region etwas zurückgeben. Der Verwaltungsrat von Luzern Tourismus ist nach dem Rücktritt von Ferdinand Zehnder auf mich zugekommen. Ein wichtiger Grund, weshalb die Wahl auf mich fiel, war, dass ich als Direktor einer kulturellen Institution arbeite und viel touristische Erfahrung mitbringe. Den grössten Respekt habe ich vor der Aufgabe, den sehr erfolgreichen Kurs von Luzern Tourismus langfristig beizubehalten.

«Es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass die Schiffbetreiber und die Bergbahnen der Region auf ein gewisses Volumen angewiesen sind.»

zentralplus: Welche Visionen haben Sie für den Tourismus? Wie präsentiert er sich in 15 Jahren? 

Bütikofer: Ich wünsche mir, dass Luzern zu einem Ausgangspunkt für touristische Aktivitäten wird und mehr als einen Tagesausflug wert ist. Das Ziel muss sein, dass die Aufenthaltsdauer steigt und man durchschnittlich mehr als zwei Nächte hier verbringt. Dies würde es den Gästen auch ermöglichen, Angebote zu besuchen, die man als Tagestourist nicht wahrnehmen kann. Als Direktor des Verkehrshauses denke ich natürlich unter anderem an die Museen, an ausgedehnte Ausflüge in der Region oder mehrtägige Festivals.

Damit wir dieses Ziel erreichen, ist es wichtig, dass sich die Leute hier wohl fühlen und die «Swissness» spüren können. Das beinhaltet insbesondere, dass der Tourismus in der Bevölkerung weiterhin die nötige Akzeptanz erfährt. Das ist eine der grossen Herausforderungen, die auf uns zukommen.

zentralplus: Erleben wir also bald einen anderen Tourismus mit mehr Individualreisenden und weniger Grossgruppen, die mit Cars auf den Schwanenplatz fahren?

Bütikofer: Die Frage ist, inwiefern das durch uns steuerbar ist. Ich möchte Rahmenbedingungen, die für alle Arten des Tourismus funktionieren und sicher nicht auf nur ein Pferd setzen. Zumal 80 Prozent der Tagesgäste aus der Schweiz nach Luzern kommen. Es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass die Schiffbetreiber und die Bergbahnen der Region auf ein gewisses Volumen angewiesen sind. Unsere Aufgabe ist es folglich, der Bevölkerung aufzuzeigen, dass wir diese Angebote unter anderem dank des Tourismus haben. Ohne die Gäste wäre es kaum möglich, dass auf dem See eine der grössten Dampfschiffflotten Europas unterwegs ist.

zentralplus: Können Sie das etwas konkretisieren?

Bütikofer: Wenn wir es schaffen, die Aufenthaltsdauer zu verlängern und die Gäste zum Beispiel vermehrt auch zu den kulturellen Angeboten zu locken, können wir aufgrund der zusätzlichen Einnahmen in Institutionen wie den Museen, bei Konzerten oder am Theater mehr und vielleicht grössere Projekte umsetzen. Davon profitieren letztlich auch die Einheimischen und Luzern gewinnt für seine Bewohner an Lebensqualität. Die Wertschöpfung sickert also direkt zur Bevölkerung durch. Um diese Botschaft von der Vernetzung von Kultur und Tourismus zu transportieren, habe ich für unser Gespräch das Bourbaki vorgeschlagen.

Profitieren könnten aber auch Institutionen und kleinere Destinationen in den umliegenden Kantonen. Dazu müssen wir den Gästen aufzeigen, dass die Region um den Vierwaldstättersee viele Attraktionen bietet und sich ein etwas längerer Aufenthalt lohnt.

zentralplus: Gehen die Touristen, falls sie künftig länger in Luzern bleiben, auch in der Neustadt shoppen oder einen Kaffee trinken?

Bütikofer: Das muss sich zeigen. Interessant wird es sein, zu sehen, wie die Leute dort reagieren. Denn auch hier finden es die einen toll, während die anderen lieber nichts davon wissen wollen. Dass sich zum Beispiel Airbnb in der Neustadt breitmacht, kommt nicht überall gut an, was auch verständlich ist. Darum ist es wichtig, dass wir es schaffen, so viele Menschen wie möglich abzuholen und von unserer Vision zu überzeugen.

«Stand heute habe ich nicht das Gefühl, dass wir an Grenzen stossen.»

zentralplus: Sie scheinen also einen Plan zu haben, wie sie die Bevölkerung mit ins Boot nehmen. Trotzdem gibt es in der Stadt und der Region vermehrt kritische Stimmen, was die Zukunft des Tourismus betrifft. Ein prominentes Beispiel ist der Konflikt auf der Rigi. Bereitet das Ihnen Sorgen?

Bütikofer: Wir müssen solche Aspekte sehr ernst nehmen und das so früh wie möglich. Bei mir persönlich steht dies ganz weit oben auf der Agenda. Denn in einem demokratischen Land müssen Prozesse mehrheitsfähig sein. Wir dürfen aber durchaus die Freude darüber zeigen, dass bei uns diese Fragestellungen überhaupt auftauchen. Ein Blick auf andere Regionen in der Schweiz zeigt, dass diese gerne ein paar Gäste mehr hätten.

zentralplus: Dann haben wir also ein Luxusproblem und die kritische Grenze ist noch nicht erreicht?

Bütikofer: Nein, Stand heute habe ich nicht das Gefühl, dass wir an Grenzen stossen. Nehmen wir als Beispiel die 4’000-köpfige chinesische Reisegruppe, die uns neulich besucht hat. Ein FCL-Match zieht in guten Fällen rund dreimal so viele Leute an. Ein grosser Teil davon kommt von ausserhalb in die Stadt und kaum jemand stellt dies infrage. Dies zeigt, dass man solche Ereignisse mit dem richtigen Augenmass beurteilen muss.

Aber nochmals: Wir müssen genau zuhören und schauen, dass die Bevölkerung sich in der Stadt weiterhin wohlfühlt. Es ist wichtig, dass zum Beispiel die Märkte am Dienstag und Samstag für die Bevölkerung erhalten bleiben und nicht zu touristischen Attraktionen verkommen, um nur zwei Beispiele zu nennen.

zentralplus: Der Verlust der Stadt ist ein gutes Stichwort. In Venedig und Barcelona haben viele Einheimische mittlerweile das Gefühl, dass sich ihre Stadt immer mehr entfremdet. Was muss Luzern anders machen als diese Destinationen? 

Bütikofer: Eine neue Studie der Hochschule Luzern zum Thema «Overtourism» zeigt, dass sich das zahlenmässige Verhältnis zwischen Einheimischen und Touristen in Luzern nicht einmal ansatzweise so präsentiert wie in Barcelona oder Venedig. Hinzu kommt, dass die Zonen, in denen sich die Besucher bewegen, in Luzern klar abgesteckt sind. In der Neustadt treffen sie kaum auf Touristen und die Leute reagieren dementsprechend anders als vielleicht in der Altstadt oder rund ums Löwendenkmal.

«Bei der Diskussion um die Cars darf nicht vergessen werden, dass er grundsätzlich ein sehr effizientes Verkehrsmittel ist.»

zentralplus: Wie wollen Sie sicherstellen, dass sich die grossen Touristenströme auch in Zukunft in den beschriebenen Perimetern bewegen und nicht noch andere Quartiere in Beschlag nehmen?

Bütikofer: Ich bin grundsätzlich bereit, über Massnahmen zu diskutieren, welche die grossen Gruppen in gewisse Bahnen lenken. Ich denke dabei aber eher an Parkleitsysteme für die Cars als an die Steuerung der Gäste an sich. Daran sind auch die Geschäfte rund um den Schwanenplatz und die Touroperators selber interessiert. Die Digitalisierung bietet aber noch viel mehr Möglichkeiten. Mit intelligenten Lösungen könnte man zum Beispiel die Cars erfassen, wenn sie noch 30 Kilometer vor der Stadt sind und ihnen auf einem Monitor in Echtzeit den besten Weg zu einem freien Parkplatz zeigen. So könnten viele Leerfahrten durch die Stadt vermieden werden.

zentralplus: Sie setzen also weiterhin auf die Cars? Ein Wort, das in Luzern nicht von allen gern gehört wird.

Bütikofer: Bei der Diskussion um die Cars darf nicht vergessen werden, dass es grundsätzlich ein sehr effizientes Verkehrsmittel ist, das wenig Platz in Anspruch nimmt. Immer mehr asiatische Touristen beginnen aber damit, an den Flughäfen ein Auto zu mieten und so durchs Land zu reisen. Da sind mir ein paar Cars viel lieber als hunderte Autos, die jeden Tag nach Luzern kommen. Der vergleichsweise geringe Treibstoffverbrauch ist hier noch nicht einmal eingerechnet. Im Gegenzug bleiben kleine Gruppen aber länger an einem Ort als grosse.

zentralplus: Die SGV verzichtet auf ein zusätzliches Touristenschiff, um die Diskussion nicht weiter anzuheizen. War diesbezüglich die Annahme der Inseli-Initiative vor zwei Jahren ein Schuss vor den Bug?

Bütikofer: Es ist klar, dass dieser Entscheid in Tourismuskreisen nicht für Begeisterung gesorgt hat. Aber natürlich sind wir uns bewusst, dass die Inseli-Initiative eine Botschaft seitens der Stimmbevölkerung war. Das Problem ist aber nach wie vor, dass dieser Entscheid gefällt wurde, ohne eine Alternative zu haben. Wie hätte die Zentralbahn vor ein paar Wochen die Gleise sanieren wollen, wenn es nicht in der Nähe des Bahnhofs Einsteigeplätze für die Ersatzbusse gegeben hätte? Bald wird die Zentralbahn auf Doppelspur ausbauen, während des Baus des Tiefbahnhofes wird es auch wieder viele Ersatzbusse brauchen. Ich hoffe deshalb, dass man das Inseli erst dann sperrt, wenn wir tatsächlich eine Alternative für solche Situationen haben.

«Der Tourismus ist in der Politik sicher stärker in den Fokus geraten.»

zentralplus: Dann wäre zum Beispiel ein Carparking auf der Allmend für Sie keine Option?

Bütikofer: Ich habe mich noch zu wenig mit dieser Möglichkeit befasst. Es braucht einfach einen adäquaten Ersatz. Denn es wäre schade, wenn die Schifffahrtsgesellschaft schöne Schiffe wie die MS Diamant mit einem grossen Festsaal baut, es aber schwierig wird, die Leute an Bord zu bringen.

zentralplus: Eine Politisierung des Tourismus ist in Luzern aber eindeutig festzustellen.

Bütikofer: Der Tourismus ist in der Politik sicher stärker in den Fokus geraten. Ich stelle jedoch fest, dass parteiübergreifend eine gute Gesprächskultur herrscht. Ich bin überzeugt, dass man sich von links bis rechts über die Bedeutung des Tourismus für die Stadt bewusst ist, unsere Zielsetzungen nachvollziehbar erscheinen und man deshalb nach konstruktiven Lösungen sucht. Das ist meiner Meinung nach eine Stärke der Stadtluzerner Politik. Man hat seine Standpunkte, hört einander aber auch zu.

Luzern Tourismus wird auch von den Stadträten Franziska Bitzi und Adrian Borgula, die sich mit den Themen rund um den Tourismus befassen müssen, miteinbezogen und wir können mit unserem Fachwissen beratend zu Seite stehen und Lösungsvorschläge einbringen. Das motiviert mich für meine Arbeit dahingehend, dass wir in Luzern an einem runden Tisch nach dem Motto «hart aber fair» nach geeigneten Lösungen suchen können.

zentralplus: Und wie treten Sie mit der Bevölkerung in Kontakt?

Bütikofer: Wir sind nicht nur mit den Politikern im Gespräch, sondern auch mit den Quartiervereinen und mit den Menschen in der Stadt. Hier zeigen wir an der Basis auf, warum auch ein Bäcker oder ein Maler etwas von der Wertschöpfung hat und das touristische Angebot auch uns Einheimischen zugute kommt. Kritiker wird es aber immer geben, damit müssen wir umgehen können.

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