Luzerner RAV-Beraterinnen leisten Überstunden

«Die Situation ist spürbar angespannter»

Die 110 Personalberatenden des RAV leisten derzeit alle mehr Einsatz als üblich. (Symbolbild: Berkeley Communications/Unsplash)

Sie arbeiten unter Höchstlast, arbeiten mehr Stunden als gefordert: Die Mitarbeitenden des RAV in Luzern haben zu Krisenzeiten viel zu tun, sind es doch knapp 3'000 Stellensuchende mehr als letztes Jahr. Wir haben nachgefragt, wie Beraterinnen mit dieser Situation umgehen.

Im Kanton Luzern sind derzeit rund 9’000 Personen auf Stellensuche – das sind über 2’800 Personen mehr als im Vorjahr.

Emilia ist eine von ihnen. Auch sie hat ihren Job wegen Corona verloren (zentralplus berichtete). Sie meinte im Gespräch kürzlich, dass auch die Beraterinnen vom RAV, dem regionalen Arbeitsvermittlungszentrum, alle Hände voll zu tun haben.

zentralplus hat das zum Anlass genommen, eine Beraterin zu fragen, wie es ihr derzeit geht. Ob sich die Überstunden stapeln. Ob es nicht deprimierend sei, so viele Stellensuchende betreuen zu müssen. Mitten in einer Zeit, geprägt von Unsicherheiten und Ängsten.

Mit einer Beraterin zu telefonieren, ist allerdings nicht möglich, wie es auf Anfrage heisst. «Unsere RAV-Beratenden sind aufgrund der vielen Stellensuchenden den ganzen Tag und ununterbrochen mit Beratungsgesprächen besetzt.» Dafür stellt sich Daniela Bieri, Leiterin des RAV Emmen – was WIRA Luzern, schriftlich den Fragen.

RAV hat personell aufgestockt

«Wir arbeiten zurzeit mit rund 110 Personalberatenden unter Höchstlast», schreibt Bieri. Vor einem Jahr waren es noch 80 Personen. Das RAV dürfte weiter aufstocken: Aktuell finden verschiedene Vorstellungsgespräche statt, der Rekrutierungsprozess bleibt aktiv. «Die Arbeitstage sind intensiv und der Arbeitsmarkt verändert sich stetig», schreibt Bieri weiter. Um die vielen Beratungen und E-Mail-Korrespondenzen stemmen zu können, würden aktuell alle mehr als die geforderten Stunden pro Woche arbeiten.

«Die Beratung bleibt in der Krise gleich und der sich laufend verändernde Arbeitsmarkt wird in jeder Beratung integriert.»

Daniela Bieri, RAV-Leiterin Emmen

Auf die Frage hin, ob es nicht deprimierend und belastend sei, in dieser Krisenzeit mehr Stellensuchende begleiten zu müssen, schreibt Bieri, dass RAV-Beratende in diesem Monat rund zehn Prozent mehr Anmeldungen entgegennehmen mussten, als sie Abmeldungen verzeichnen konnten. Der Arbeitsmarkt sei aber weiterhin in Bewegung und es seien viele Stellen offen.

Die Beratung bleibt gleich – deswegen ergreift das RAV keine weiteren Massnahmen

Das RAV hat das Personal aufgestockt, abgesehen davon reagiert man nicht spezifisch auf die Krise. Ist das in Anbetracht der vielen Stellensuchenden überhaupt gerechtfertigt? «Die Beratung bleibt in der Krise gleich und der sich laufend verändernde Arbeitsmarkt wird in jeder Beratung integriert», antwortet Bieri.

Zudem verweist sie auf die arbeitsmarktlichen Massnahmen. Durch diese könnten Stellensuchende individuell unterstützt und gefördert werden, beispielsweise in einem dreiwöchigen Bewerbungskurs. Auch bietet das RAV psychologische Beratungen an, die aktuell gut genutzt würden.

Stellensuchende mussten weniger Bewerbungen nachweisen

In der Regel werden zehn bis zwölf Arbeitsbemühungen gefordert. Diese habe man während der Krise aber «grosszügig beurteilt». «Während der Corona-Verordnung wurden die geforderten Arbeitsbemühungen stark reduziert», so Bieri. Seit dem ersten September erwarten sie wieder monatlich acht bis zwölf Arbeitsbemühungen. Diese Anzahl könne aber vom Personalberatenden auf die individuelle Situation vom Stellensuchenden angepasst werden. Auch seien praktisch keine Sanktionen zu der Zeit ausgesprochen worden.

Eine Zürcher Petition, deren Unterschriftensammlung aktuell noch am laufen ist, fordert hingegen, dass Stellensuchende während der Krise von der Bewilligungspflicht befreit werden sollen. Grund: Insbesondere während des Lockdowns waren Bewerbungshilfen geschlossen, zudem würden viele Armutsbetroffene keinen Computer besitzen. Lanciert hat die Petition ein Internet-Café, das zugleich als Treffpunkt für Armutsbetroffene dient.

Ein Anliegen, das bei Bieri wenig Anklang findet. «Für uns gilt der Grundsatz: Ohne Bewerbungen gibt es keine neue Anstellung.» Man befürworte eine Handlung mit «Aktiv-Bleiben anstelle von Passiv-Werden».

Kontrolle ist dem RAV wichtig

Seit Juni wurde im RAV wieder schrittweise face to face beraten. Die Beratungsintervalle hätten sich «situativ verändert». Auf Nachfrage erklärt Karin Lewis, Bereichsleiterin Arbeitsmarkt, dass Stellensuchende monatlich ein Beratungsgespräch im RAV haben. Dieser Rhythmus könne auf zwei Monate ausgeweitet werden. Während der Corona-Verordnung konnte dies sogar auf drei Monate ausgeweitet werden.

«Eine der vielen Pflichten der Personalberater ist die Kontrolle.»

Doch: Können sich die Beraterinnen überhaupt noch genügend Zeit nehmen für die Stellensuchenden, oder geht es derzeit mehr um Kontrolle als um Unterstützung? «Eine der vielen Pflichten der Personalberater ist die Kontrolle und somit der Vollzug der Arbeitslosenversicherung», schreibt Bieri. Diese Aufgabe ist ihrer Meinung nach wichtig. Denn sie zeige auf, ob die Suchstrategie richtig umgesetzt werde und ermögliche dem Personalberatenden allenfalls korrigierend einzuwirken.

Auch den vielen Stellensuchenden macht die Krise zu schaffen. Das wissen nicht zuletzt auch die RAV-Mitarbeitenden. «Die Situation ist spürbar angespannter aufgrund der unsicheren Situation», so Bieri. «Das ist verständlich, haben sich doch ganze Branchen stark verändert.» Aber man versuche, Zuversicht zu vermitteln und mögliche Chancen aufzuzeigen.

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