Luzerner Journalist zur No-Billag-Abstimmung

Arrogante SRG-Spitze? Peter Studer kennt das Problem

Die Surseer Journalistenlegende Peter Studer in seinem Arbeitsbüro in Rüschlikon bei Zürich.

(Bild: hae)

Der bekannte Journalist Peter Studer war lange Jahre Chefredaktor beim Fernsehen. Der Luzerner sieht drei grosse Gefahren für die Annahme der No-Billag-Abstimmung: die hohen Gebühren, der linke Ruf der TV-Journalisten – und das Image des ehemaligen SRG-Direktors Roger de Weck.

Peter Studer (82) aus Luzern sagte unlängst den Zeitungen eine Lebensdauer von 20 Jahren voraus (zentralplus berichtete). Im zweiten Interview äussert sich der ehemalige Chefredaktor des Schweizer Fernsehens und des «Tagesanzeigers» zur No-Billag-Initiative.

zentralplus: Peter Studer, was sagt Ihr Bauchgefühl, was wird bei der Abstimmung zu No Billag passieren?

Peter Studer: Thomas Milic, ein Medienforscher beim Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft der Uni Zürich, schrieb in der «NZZ am Sonntag»: «Viele wünschen SRF einen Denkzettel …»

zentralplus: … ganz nach dem Motto «die fahren wir erstmal an die Wand», diese «arroganten Journalisten vom Leutschenbach, dem Zürcher TV-Studio».

Studer: Das hört man tatsächlich immer wieder! Da frage ich aber immer: Wo liegt denn die Arroganz des Schweizer Fernsehens genau? Häufig erhalte ich die Antwort: bei Ex-Generaldirektor Roger de Weck mit seinen Auftritten.

«Roger de Weck ging den Leuten mit seiner Beharrlichkeit auf die Nerven.»

zentralplus: Ist de Weck wirklich arrogant?

Studer: Roger de Weck wirkt manchmal etwas abgehoben, aber er ist meiner Meinung nach kein arroganter Mensch. Er ist ein sehr qualitätsbewusster Journalist. Aber er ging den Leuten mit seiner Beharrlichkeit auf die Nerven. Das fütterte natürlich die negative Grundhaltung gegenüber der SRG.

Print und TV, Presserat und Kunst

Peter Studer (82) war Chefredaktor des «Tagesanzeigers» (1978–1987) und des Schweizer Fernsehens SF (1989–1999) sowie Präsident des Schweizer Presserats (2001–2007). Von 2007 bis 2012 war Studer Präsident des Schweizer Kunstvereins. Er schrieb diverse Bücher wie «Medienrecht für die Praxis»; «So arbeiten Journalisten fair» (2012); «Medienrecht der Schweiz« (2013). Der Luzerner kommentiert heute das Mediengeschehen für das Onlinemedium Journal21.ch. Mit seiner Partnerin, der australischen Journalistin Margaret Walsh, lebt er in Rüschlikon (ZH).  

zentralplus: Also, was bedeutet diese Grundhaltung bei der No-Billag-Abstimmung?

Studer: Es wird der Institution des Schweizer Fernsehens (SRF) und den verbündeten Privatsendern mit SRF-Subventionen wohl wirklich eins vor den Bug geschossen. Aber ich glaube nicht, dass Schweizer Radio und Fernsehen verschwinden werden.

zentralplus: Wieso nicht?

Studer: Weil die meisten Leute als Hörer und Zuschauer zufrieden mit den SRF-Leistungen sind. Bei Umfragen sprechen sich regelmässig um die 60 Prozent positiv aus. Das ist ein hoher Wert. Und in den sprachlichen Minderheitsgebieten ist er gar noch höher. Es wird zwar immer wieder Konkretes kritisiert: der «Schawinski», die «Landfrauenküche» …

zentralplus: … oder auch das billig gemachte, aber durchaus erfolgreiche «Glanz & Gloria» …

Studer: … genau – aber der Tenor ist dennoch ein positiver. Deshalb glaube ich – wie auch Thomas Milic –, dass es nicht zu einer No-Billag-Annahme kommt. Aber gefährlich ist die Abstimmung trotzdem.

zentralplus: Was ist denn der Plan B bei einer Annahme? Irgendwo müssten die 1,2 Milliarden fehlenden Gebühren nachher herkommen.

Studer: Es gibt den Plan B nicht: ohne Gebühren kein öffentlich-rechtlicher Sendebetrieb. Und wenn man darüber reden würde, wäre das verkehrt. Ich war unlängst an einer SRF-Filmpremiere. Da war viel Prominenz: Nationalräte, Ständeräte und viele TV-Angestellte sagten alle, diese Abstimmung sei brandgefährlich …

«Und sollte die Initiative scheitern, dann kommt die SVP im nächsten Jahr wieder mit einem ganz ähnlichen Vorstoss.»

zentralplus: … man spürt die Angst auch im Deutschschweizer Fernsehstudio Leutschenbach.

Studer: Genau, die SRG-Angestellten sagen alle: «Jetzt müssen wir noch mehr den Finger rausnehmen, Qualität liefern, noch professioneller Gegenposition verbreiten. Und den Leuten glaubhaft machen, was sie im Falle einer No Billag vermissen würden.» Sehr heikel. Und sollte die Initiative scheitern, dann kommt die SVP im nächsten Jahr wieder mit einem ganz ähnlichen Vorstoss.

zentralplus: Der Grund dafür ist ja so simpel: Die Rechten finden, alle Journalisten sind links und im Leutschenbach sind sie gar noch mehr links.

Studer: Das hört man oft. Natürlich gibt es im Journalismus eine gewisse kritische Grundhaltung, vor allem, wenn verborgen Gehaltenes wie etwa die Glencore-Bestechungen aufgedeckt wird. Aber diese Haltung muss nicht unbedingt links sein.

So kannte man Peter Studer, den ehemaligen Fernseh-Chefredaktor, bei seinen TV-Kommentaren.

So kannte man Peter Studer, den ehemaligen Fernseh-Chefredaktor, bei seinen TV-Kommentaren.

(Bild: Schweizer Fernsehen /zvg)

zentralplus: Wie sind Sie selber mit den SRG-Leistungen zufrieden?

Studer: Ich schaue vor allem Informationssendungen, weniger Unterhaltung. «Tagesschau», «10vor10», «Rundschau», gelegentlich ein Magazin. «Tagesschau» war einst das Lagerfeuer der Nation, bis Mitte der Achtziger versammelte sich die Familie vor dem TV-Apparat. Und die Eltern kommentierten, was in der Welt abging. Die Treue zu einzelnen Sendern ist allerdings mit dem grösseren Angebot im Internet und den Social Media immer kleiner geworden.

zentralplus: Wo schauen Sie fremd?

Studer: Als alter Amerikanist schaue ich mit meiner Frau, die auch lange in den USA gelebt hat, oft CNN. Gerade weil wir Trump sehr kritisch beäugen und den US-Präsidenten verheerend finden, wollen wir wissen, wie weit er es noch treibt. Und vor allem: wie lange noch.

zentralplus: Macht Ihnen TV von heute denn noch Spass?

Studer: Im Bereich der Informationssendungen wird gut gearbeitet. Oft sage ich zu meiner Frau, dass ein dreiminütiger Beitrag in der Tagesschau es oft treffender auf den Punkt bringt als die Amerikaner auf CNN.

zentralplus: Braucht es das Schweizer Fernsehen in der heutigen Form eigentlich noch?

Studer: Ja, als verbindende Klammer. Und damit nicht ununterbrochen «in Blasen» informiert wird. Viele Menschen informieren sich nur noch so und konsumieren nur noch Infos, die ihre eigene Grundhaltung und Vorurteile in kleinen Gruppen bestätigen.

zentralplus: Sie meinen Scheuklappen-Konsumenten.

Studer: Genau, und die sind eine grosse Gefahr für die Demokratie, weil viele so gar nicht mehr wahrnehmen, was andere sagen. Das ist doch die Hauptverpflichtung von SRF: eine breite Darstellung und Auslegung der Fakten und der verschiedenen Meinungen. 10vor10 ist wieder besser geworden, das Team merkte, dass es auch Schwerpunkte setzen muss. Und nicht immer den Schlagersängergirls bis nach London oder New York nachhecheln. Die sind zum Glück in dieser Sendung weitgehend verschwunden. (lacht)

«Mir geht die Werbung in der Prime Time ab 19 bis 22.20 Uhr auf die Nerven.»

zentralplus: Aber das ist ja gerade das Infotainment, mit dem sich 10vor10 von der Tagesschau absondern will.

Studer: Ja, Infotainment gab es schon zu Zeiten der griechischen Philosophen. Man muss Infos auf unterhaltende Weise verbreiten, damit sie auch zum Publikum gelangen. Vom Demokratiewert her finde ich die SRG schon sehr wichtig. Das sollte sie auch bleiben. Mir geht die Werbung in der Prime Time ab 19 bis 22.20 Uhr auf die Nerven: Sie lenkt von der Aufnahme der Service-public-Leistungen ab. Und dann bringen die auch noch dreimal den gleichen Spot – sapperlott.

zentralplus: TV ist sehr teuer, das bemängeln viele Schweizer: ein Franken pro Tag. Doch wie anders finanzieren?

Studer: Das weiss ich auch nicht. Da kamen letzthin im Filmmagazin Frame der NZZ interessante Forderungen für die SRG (holt das Heft hervor).

Straffung der Programme und des Personals, weniger Werbung: Peter Studer findet in einer NZZ-Beilage gute Ideen.

Straffung der Programme und des Personals, weniger Werbung: Peter Studer findet in einer NZZ-Beilage gute Ideen.

(Bild: hae)

zentralplus: Nämlich?

Studer: (Er liest vor) Straffung im Personal und in der Verwaltung. Auch bei der Umschichtung der Gebühren wird man einiges verändern müssen. Und auch eine gewisse Straffung der Programme: Vor allem die Deutschschweiz hat sich sehr verstädtert und ich glaube, das urbane Publikum muss mehr Sendeanteil bekommen. Auch wenn die «Landfrauenküche» gute Einschaltquoten hat, passt diese Sendung nicht ganz zum umfassenden Programmauftrag.

zentralplus: Haben die Autoren noch mehr Vorschläge?

Studer: Ja, dann diese drei Forderungen: weniger Werbung; präzise Ziele; und aufhören, private TV-Stationen zu konkurrenzieren.

Gegen den Widerstand der Redaktion von Peter Studer angestellt: Katja Stauber.

Gegen den Widerstand der Redaktion von Peter Studer angestellt: Katja Stauber.

(Bild: SRF / zvg)

zentralplus: Die Privaten haben sich erfolgreich aufs Entertainment spezialisiert. Soll die SRG das denen überlassen?

Studer: Unterhaltung ist ja auch einer der drei in der Bundesverfassung geforderten Punkte für die SRG, nebst Information und Kultur. Das ist einzigartig, dass Entertainment in einem europäischen Service-public-Programm als Programmauftrag auf Verfassungsstufe vorkommt, schon in den Achtzigerjahren (schmunzelt). Unterhaltung muss sein, aber vielleicht gewisse Serienimporte dann doch nicht. Aber eben: Unterhaltung müsste vermehrt auf ein urbanes Publikum zugespitzt sein. 

«Ich höre selten, dass Moderatoren abgelehnt werden.»

zentralplus: Was muss man noch machen? Ein paar der geschniegelten Moderatoren auswechseln?

Studer: Finde ich nicht. Ich habe 1992 Katja Stauber, damals beim «European Business Channel» tätig, gegen den Widerstand der Redaktion angestellt. Die ist doch hervorragend. Nicht nur, wie sie die Sendung leitet, sondern auch ihre selbst geschriebenen Moderationen sind erste Klasse. Ich höre selten, dass Moderatoren abgelehnt werden.

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