Luzener Kirchen aktiv im Abstimmungskampf

Billag-Gebühren als religiöse Solidarität?

Sehen die Spiritualität durch «No Billag» in Gefahr: Ursula Stämmer-Horst von der reformierten und Edi Wigger von der katholischen Kirche Luzern.

(Bild: lwo/zvg Katholische Kirche Luzern)

Die katholische und die reformierte Kirche Luzern weibeln im Luzerner Komitee «Nein zum Sendeschluss» gegen die No-Billag-Initiative. Dies, nachdem sie sich kaum mehr politisch engagieren. Was also haben die Kirchen mit der SRG am Hut? Es geht ihnen nicht zuletzt um die Vermittlung ihrer Botschaft – aber nicht nur.

Auch wenn die Abstimmung über die No-Billag-Initiative erst am 4. März des kommenden Jahres stattfindet, ist sie bereits seit Wochen in aller Munde. Befürworter und Gegner schenken sich seit dem ersten Tag nichts.

Auch in Luzern wächst der Widerstand. Das Luzerner Komitee «Nein zum Sendeschluss» bekämpft die Initiative. Mit dabei sind neben Privaten diverse Organsiationen. Aber auch die beiden Landeskirchen des Kantons Luzern sind dabei. 

Wieso das Engagement?

Doch wieso engagieren sich die Luzerner Kirchen gegen eine profane Vorlage wie die No-Billag-Initiative? Die Frage stellt sich vor allem deshalb, weil sich die Kirchen in den vergangenen Jahren immer weniger in die politische Diskussion eingemischt haben, wie die «Neue Zürcher Zeitung» festgestellt hat.

Dass sich die Kirchen nur noch wenig in den politischen Diskurs einbringen, bedauern diese auch regelmässig in ihrem Informationsmedium. Stellungnahmen zum politischen Geschehen in der Schweiz findet man dort wenig. 

«Es steht viel mehr auf dem Spiel, als nur die Gebühren», begründet Edi Wigger, Synodalverwalter der katholischen Landeskirche des Kantons Luzern, deren Engagement. Dabei gehe es auch um die Präsenz der Kirchen und deren Botschaft in der Schweiz und im Kanton Luzern, sagt Wigger.

Radio und Fernsehen als Plattform

Die Landeskirchen haben erst im März dieses Jahres mit der SRG eine neue fünfjährige Vereinbarung unterzeichnet, welche die Verkündung christlicher Botschaften in Sendungen wie «Wort zum Sonntag» oder der Übertragung von Gottesdiensten regelt.

Da die No-Billag-Initiative die Radio- und Fernsehgebühren komplett abschaffen will, sind laut den Kirchen solche Sendungen in Gefahr. Heute bezahlen private jährlich 451 Franken Empfangsgebühren. Hinzu kommen die Abgaben von Unternehmen an die SRG.

Das Komitee erhält stetig Zuwachs:

Privater Markt ist problematisch

Doch es geht den Luzerner Kirchen nicht nur um deren eigene Positionierung in den Medien, wie sie unisono sagen. Die Beweggründe würden viel tiefer liegen, erklärt Edi Wigger. Dabei spielen urchristliche Werte eine Rolle. «Informationen, egal ob über Politik, Religion oder Sport, sind ein Gut, das allen zugänglich gemacht werden muss», sagt er.

«Wenn den Menschen etwas weggenommen wird, können wir nicht tatenlos zuschauen.»

Edi Wigger, Synodalverwalter katholische Kirche Luzern

Ähnlich tönt es bei den Reformierten: «Die Radio- und Fernsehgebühren bedeuten im Grunde nichts anderes als Solidarität», sagt Ursula Stämmer-Horst, Präsidentin des Synodalrates, lapidar. Deshalb könne man es nicht dem Markt überlassen, wer wie an welche Informationen gelangt, wie dies den Initianten von No Billag vorschwebe, sind sich die beiden Luzerner Kirchen einig.

Eine der wichtigsten Aufgabe der Kirche sei es, sich um die Ärmeren und Schwächeren in der Gesellschaft, insbesondere vor Ort zu kümmern, sagt Edi Wigger von der katholischen Kirche. Diese Menschen würden bei der Annahme der Initiative allenfalls von Informationen ausgeschlossen, wenn sie sich eigentlich gewünschte Programme nicht leisten können. Dem stehe man vehement entgegen.

«Die Bereitstellung von wichtigen Informationen ist in einer Gesellschaft ebenso zentral, wie die Versorgung mit den wichtigsten materiellen Gütern. Wenn der Bevölkerung in der Form von Informationen etwas weggenommen wird, können wir nicht tatenlos zuschauen», führt Wigger aus.

Spiritualität für viele Teil des Lebens

«Die Gesellschaft besteht nicht nur aus Politik und Bankkonto, auch das religiöse Leben und die Spiritualität sind Teil davon», sagt Ursula Stämmer-Horst, von der reformierten Kirche Luzern, im Hinblick auf die von den Initianten von No Billag angestrebte Privatisierung der Schweizer Medienlandschaft.

Ein Wegfall entsprechender Inhalte von Radio- und Fersehprogrammen sei für eine Gesellschaft deshalb fatal. Spiritualität sei für viele Menschen ebenso wichtig wie materielle Güter, so die beiden Luzerner Kirchen unisono.

SRG erreicht die Menschen fast überall

Die Kirche könne mit den Programmen der SRG Beiträge zum spirituellen und religiösen Dialog leisten, was auch dem gesellschaftlichen Zusammenhalt diene, sagt Edi Wigger von der katholischen Kirche.

Inwiefern dies auch nach einer Annahme von No Billag noch gewährleistet werden könne, kann er nicht sagen. «Wir müssten dann wohl stärker auf die eigenen Kommunikationskanäle ausweichen», blickt er voraus.

«Kirchen und deren Botschaften bringen kein Geld», schildert Wigger das Problem. Eine privatisierte Medienlandschaft hätte wohl kaum Interesse, Gefässe wie das «Wort zum Sonntag» auszustrahlen.

«Die Radio- und Fernsehgebühren bedeuten im Grunde nichts anderes als Solidarität.»

Ursula Stämmer-Horst, Synodalratspräsidentin reformierte Kirche Luzern

Das Gute an der öffentlichen SRG sei indes, dass deren Programme in alle vier Landesteile und bis ins hinterste Tal ausgestrahlt werden, so Edi Wigger. In einem ländlichen Kanton wie Luzern umso wichtiger. «Der Gedanke, dass private Geldgeber alleine das Programm diktieren, ist beängstigend», teilt Stämmer-Horst von den Reformierten die Bedenken. 

Botschaft muss in der Region ankommen

Doch auf nationaler Ebene hat diesen Dezember bereits die Schweizerische Bischofskonferenz Stellung gegen No Billag bezogen. Weshalb engagieren sich die Kirchen des Kantons Luzern nun auch noch selber gegen die Initiative?

Als regionale kirchliche Organisation fühle man sich verpflichtet, die Botschaft auch auf regionaler Ebene an die Menschen heranzutragen. Denn die Gefässe der SRG würden auch zum Dialog zwischen den Glaubensgemeinschaften beitragen. Dies sei auf der kantonalen Ebene genauso wichtig wie auf der nationalen, so Edi Wigger von der katholischen Kirche.

Reformierte Kirche dezentralisiert

Im Gegensatz zur katholischen Kirche sind die Reformierten dezentral organisiert. Eine Institution wie die katholische Bischofskonferenz gibt es hier nicht. «Die Luzerner Synode ist eine nach aussen abgeschlossene Organisation», erklärt Synodalratspräsidentin Stämmer-Horst. Der Synodalrat ist quasi die Regierung der reformierten Kirche Luzern.

«Wir waren uns im Synodalrat von Beginn weg einig, dass wir als Luzerner Reformierte gegen No Billag Stellung beziehen müssen. Man steht für ein Radio und Fernsehen ein, das einen Informationsauftrag hat. Sowohl in politischen als auch in religiösen und somit gesellschaftlichen Fragen», so Stämmer-Horst.

Pfarrer haben keinen Weisungen

Neben der Mitgliedschaft im Komitee «Nein zum Sendeschluss» werden sich die beiden Kirchen bis auf weiteres nicht zusätzlich gegen die Initiative engagieren. Ob und inwiefern das politische Thema No Billag allenfalls in den Gottesdiensten präsent sein wird, können beide auf Anfrage nicht sagen.

«Wir haben unseren Pfarrern keinerlei Weisungen zum Umgang mit dem Thema gegeben», sagt Ursula Stämmer-Horst von der reformierten Kirche Luzern. Ob sie die Initiative ansprechen wollen, liege im Ermessen der einzelnen Kirchgemeinden.

Die katholische Kirche Luzern kann im Gegensatz zu den Reformierten ihren Priestern selber keine Anweisungen bezüglich der Gottesdienste geben. Dafür ist das Bistum Basel, welchem der Kanton Luzern angegliedert ist, zuständig. Auch die katholischen Pfarrer haben indes keinerlei Auflagen zum Umgang mit dem Thema «No Billag», wie Markus Thürig, Generalvikar des Bistums, auf Anfrage sagt.

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