Luzerner Wahrzeichen bedient rechte Ideologien

Wieso sich Rechtsextreme für das Löwendenkmal begeistern

Der Kleber der «Identitären Bewegung» mit dem Löwendenkmal.

(Bild: zvg)

Was haben Joseph Goebbels und das Luzerner Löwendenkmal gemeinsam? Ziemlich viel, wie bei einer genaueren Betrachtung deutlich wird. Deshalb wird das Luzerner Wahrzeichen, das als Postkarte wohl an Hunderttausenden Kühlschränken in aller Welt hängt, von Rechtsextremen gerne für ihre Zwecke verwendet.

In der Toilette eines kleinen Restaurants im Aargau hängt er an prominenter Stelle. Ein Aufkleber der «Identitären Bewegung», einer rechtsradikalen Organisation. Darauf abgebildet ist das Löwendenkmal, darüber prangt das Wort «Loyalität».

Die Ideologie der Identitären basiert auf dem sogenannten Ethnopluralismus. Dieser geht von einer biologisch begründeten Einheitlichkeit einer Volks- und Abstammungsgemeinschaft aus und strebt die kulturelle «Reinhaltung» der Gesellschaft von äusseren Einflüssen an. In den Augen der Identitären werden die europäische Identität und Kultur zunehmend von einer «Islamisierung» bedroht.

Löwendenkmal bedient rechte Ideologie

Dass das Luzerner Wahrzeichen, das jährlich von Millionen Touristen aus aller Welt besucht wird, von der rechtsextremen Gruppierung für ihre Zwecke verwendet wird, überrascht Szenebeobachter und Grüne-Kantonsrat Hans Stutz nicht. «Das Löwendenkmal steht auch für eine Vorstellung, die für rechtsextreme Ideologien zentral ist», erklärt er. 

So benutze es zum Beispiel auch die Gruppierung «Résistance Helvetique» aus der Romandie für ihre Sache. Ihr Logo zeigt einen Löwen, der auf einem Schild mit Schweizerkreuz liegt. Auf der Website prangt zuoberst ein Foto des steinernen Luzerner Löwen. Zum Ziel hat die Gruppe nichts Geringeres, als das Überleben der Schweiz zu sichern, welches aufgrund der angeblichen «Massenimmigration» (L’immigration de masse) gefährdet sei.

«Die Schweiz ist dabei, zu verschwinden, weil immer mehr Menschen mit kulturellen Hintergründen in die Schweiz kommen, die nicht mit den hiesigen Werten vereinbar sind», lässt sich ihre Botschaft in etwa übersetzen. Um dies zu verhindern, müssten unter anderem alle Migranten konsequent abgeschoben werden. Zudem gelte es, die Parteien zu verbieten, da diese nur Einzelinteressen vertreten, obwohl es eigentlich nur ein einziges und wahres Volk gebe. 

Ein Denkmal wider die Freiheit

Der Löwe wurde 1821 in den Felsen geschlagen und steht für die Abschaffung der Errungenschaften der Französischen Revolution, die 1789 ihren Anfang nahm: Freiheitliche Menschen- und Bürgerrechte und die liberale Verfassung der Helvetischen Republik, die von 1798 bis 1803 existierte. Eingeführt wurde die erste Verfassung der Schweiz von den Franzosen, als diese die Schweiz besetzten. Die dort festgehaltenen Werte und Normen bilden heute den Kern des Verständnisses von Gesellschaft und Staat in den westlichen Demokratien.

«Damit wird das Jahr 1789 aus der Geschichte gestrichen.»

Josef Goebbels, 1933

Gebaut wurde das Denkmal vom Luzerner Patrizier Carl Pfyffer von Altishofen. Es erinnert an die Schweizer Söldner, die 1792 beim Sturm auf den Königspalast in Paris im Zuge der Revolution die französische Königsfamilie beschützten und dabei getötet wurden. Es werden also Schweizer Männer geehrt, welche die alte, absolutistische Ordnung verteidigten, in welcher es Herrscher und Beherrschte gab.

Die von Pfyffers aus Luzern sowie andere Patrizierfamilien sehnten sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach einer Wiederherstellung des alten Systems, das vielerorts in der Schweiz nach der Niederlage Napoleons bei Waterloo 1815 bis zur Gründung des Bundesstaates 1848 für kurze Zeit denn auch wieder eingeführt wurde. In den Städten die herrschenden Patrizier, auf dem Land die rechtlich schlechter gestellten Bauern.

Der Löwe im Gleichschritt mit Goebbels

«Rechtsextreme Gruppierungen wie die Identitären gehen davon aus, dass nur Menschen gleicher Herkunft gleichberechtigt in einem Staat leben sollen und folglich Menschen anderer Herkunft keine politischen Rechte zustehen würden», sagt Hans Stutz. Die Gruppierung umfasse in der Schweiz nur sehr wenige Aktive und sei daher bedeutungslos. 

Die Negierung der Werte der Aufklärung, wonach alle Menschen gleich und frei an Rechten geboren sind und dies auch bleiben sollen, war auch Programm der Nazis seit den 1920er-Jahren. Hans Stutz erinnert an eine Aussage von Joseph Goebbels nach den ersten landesweiten Aktionen gegen Juden im März 1933. Zuerst habe Goebbels angekündigt, den Liberalismus beseitigen zu wollen, und dann hinzugefügt: «Damit wird das Jahr 1789 aus der Geschichte gestrichen.»

«Die grosse Mehrheit der Touristen bekommt die politische Komponente nicht mit.»

Sibylle Gerardi, Luzern Tourismus

1789 vergessen machen will auch das Löwendenkmal, weshalb das Luzerner Wahrzeichen und Joseph Goebbels im Kern dieselbe Botschaft transportieren. Auch wenn der Kontext natürlich nicht eins zu eins vergleichbar ist. Dennoch ist es an beiden Schauplätzen tatsächlich gelungen, die liberalen Menschen- und Bürgerrechte vorübergehend abzuschaffen.

Kantonsrat Hans Stutz (Grüne) war den protestierenden wohlgesinnt.

Hans Stutz, Grüner Luzerner Kantonsrat und Beobachter der rechten Szene.

(Bild: giw)

Touristen sehen nur das Kunstwerk

Doch was bedeutet es, wenn ein Denkmal, das menschenverachtende Ideologien bedient, in die ganze Welt hinausgetragen wird? «Die grosse Mehrheit der Touristen, die das Denkmal besuchen, bekommt die politische Komponente gar nicht mit. Es ist einfach schön anzuschauen, aber was man damit ursprünglich vermitteln wollte, interessiert die Leute nicht», sagt Sibylle Gerardi von Luzern Tourismus.

Zumindest sei ihr nicht bekannt, dass der Umgang mit der politischen Botschaft des Löwen in der Vergangenheit in der hiesigen Tourismusbranche einmal Thema gewesen wäre. «Das ist aber auch bei Dutzenden anderen Denkmälern auf der Welt so», ergänzt Gerardi. 

«Vor allem im angelsächsischen Raum kennt man den Luzerner Löwen aus den Erzählungen Mark Twains, welcher davon fasziniert war», sagt sie. In seinen literarischen Schilderungen beziehe er sich aber ausschliesslich auf die ästhetischen und künstlerischen Aspekte. «Und genau diese Aspekte wollen auch die Besucherinnen und Besucher sehen», sagt Gerardi. Deshalb sehe man auch keinen Handlungsbedarf, etwas zur besseren Information zu unternehmen.

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