Verstösst Zug gegen Bundesrecht?

Anwohner der Zugerbergstrasse reichen Beschwerde ein

Anwohner der St.-Oswalds-Gasse und der Zugerbergstrasse wehren sich dagegen, dass Tempo 30 auf letzterer nun doch nicht gelten soll. (Bild: wia)

Der Stadtrat komme seinen gesetzlichen Pflichten in den Bereichen Lärmschutz und Behindertengleichstellung nicht nach. Dies betonen Anwohner der Zugerbergstrasse. Weil die Exekutive kürzlich Pläne für eine Temporeduktion zurückzog, reichen sie eine Vollzugsklage beim Kanton ein.

Es wird nicht ruhig um die Zugerbergstrasse. Und das gleich in mehrerlei Hinsicht. Eigentlich plante der Zuger Stadtrat, im Rahmen einer Lärmschutzsanierung auf dem unteren Bereich der abfallenden Strasse Tempo 30 einzuführen. Zudem wären die Fussgängerstreifen versetzt und die talwärts stehende Busbucht aufgehoben worden.

Nicht alle Anwohner waren über die Pläne der Stadt erfreut. Insbesondere äusserten sich Bewohner der Nachbarschaft St. Michael nicht nur kritisch über die geplante Temporeduktion, sondern auch darüber, dass sie vorgängig nicht über das Vorhaben informiert worden seien. Drei Betroffene wehrten sich mit einer Baueinsprache sowie einer Verwaltungsratsbeschwerde (zentralplus berichtete).

Tempo-30-Pläne versickerten rasch

Wenig später knickte der Stadtrat ein. Aus politischen Gründen werde das Projekt per sofort zurückgezogen und bis auf Weiteres nicht ausgeführt, entnahm die Zuger Bevölkerung dem Amtsblatt. Detailliert begründen mochte die Stadt den Entscheid auf Anfrage nicht (zentralplus berichtete).

Das schnelle Einlenken des Stadtrats passt nun einigen Anwohnerinnen der unteren Zugerbergstrasse wiederum gar nicht. 24 Betroffene reichten beim Verwaltungsgericht am vergangenen Freitag ihrerseits eine Rechtsverzögerungsbeschwerde ein. Am Montag darauf luden sie die Medien zu einer Informationsveranstaltung vor Ort ein, um ihre Sicht der Dinge zu erläutern.

Anwohner fordern Umsetzung der Lärmschutzmassnahmen

«Der Zuger Stadtrat hat Ende 2023 das eigene, rechtlich einwandfreie Projekt für die Zugerbergstrasse wider besseres Wissen, nämlich entgegen den klaren Empfehlungen der von ihm eigens eingeholten Gutachten, zurückgezogen», kritisiert Daniel Brunner, der Organisator des Anlasses. Dies offenbar wegen einer einzigen Beschwerde von Zugern, die nicht einmal direkt im betroffenen Gebiet wohnen würden.

Johanna Niederberger wohnt an der St.-Oswalds-Gasse, nahe der Zugerbergstrasse. Die Pflegespezialistin sagt: «Ich kann bestätigen, dass der Strassenlärm auf der Zugerbergstrasse in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Es ist bekannt, dass Lärm in vielerlei Hinsicht krank macht.» Für sie ist die Lösung des Problems einfach: «Weniger Beschleunigung gleich weniger Lärm.»

Luftballone sollen dem Vorhaben Aufwind bescheren. (Bild: wia)

Kein Sicherheitsproblem? Von wegen, finden Anwohnerinnen

Auch sicherheitstechnisch fühlt sich die Seniorin an der Zugerbergstrasse nicht wohl. «In der Altersstrategie der Stadt Zug ist explizit festgehalten, dass sich im Rahmen der Barrierefreiheit auch ältere Menschen möglichst mühelos in der Stadt bewegen können sollen.» Die Realität sei eine andere: «Bereits zweimal wurde ich beim Queren des Fussgängerstreifens beinahe angefahren.»

Das Ehepaar Chapuis-Waller lebt ebenfalls an der St.-Oswalds-Gasse. Das Paar stösst ins gleiche Horn, dass mit Tempo 30 die Sicherheit vor Ort deutlich verbessert werden könnte. Wie sich das in konkreten Fällen äussere, erklärt Gilbert Chapuis im Video:

Bewohner wollen keine Symptombekämpfung

Vor 30 Jahren liess das Ehepaar Chapuis mehrere Häuser an der St.-Oswalds-Gasse umbauen. Dies in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege. Die technischen Möglichkeiten zur Verbesserung der Fenster seien beschränkt gewesen. «Es ist an sich nicht korrekt, dass man die Fenster verbessern soll, wenn es doch viel einfacher wäre, das Problem an der Quelle, nämlich beim Verkehr, anzugehen», sagt Gilbert Chapuis, der einst als Stadtarchitekt von Chur fungierte.

Die Tempo-30-Gegnerinnen äusserten sich in ihrer Beschwerde vergangenen Herbst dahingehend, dass auf dem besagten Streckenabschnitt keinerlei Verkehrsgefährdungen bestünden. Daniel Brunner empfindet diese Aussage als Affront. «Es ist eine Frechheit zu behaupten, dass es hier kein Sicherheitsproblem gebe. Sehr wohl ereigneten sich in diesem Bereich in den vergangenen Jahren einige Unfälle», sagt er. Teilweise würden die Verunfallten noch heute an den Spätfolgen leiden, betont Brunner.

«Die Stadt Zug verstösst gegen zwingendes Bundesrecht.»

Martin Looser, Anwalt

Der mit dem Fall betraute Rechtsanwalt Martin Looser ist zuversichtlich, dass die Anwohnerschaft mit ihrer Beschwerde recht bekommt. «Die Sanierungsfrist gemäss der Lärmschutzverordnung ist bereits im März 2018 abgelaufen. Es ist demnach keine Frage, ob der heutige Zustand rechtsverletzend ist.» Die Lärmimmissionen lägen über dem gesetzlich geregelten Grenzwert und müssten zwingend gesenkt werden. Und weiter: «Damit verstösst die Stadt Zug gegen zwingendes Bundesrecht.»

Zwar gehe es vielen Gemeinden ähnlich, trotzdem taxiert dies Looser als inakzeptabel. «Zumal die Stadt ja entsprechende Gutachten eingeholt und konkrete Sanierungspläne hatte, diese nun jedoch trotzdem weiter hinauszögert.»

Auch punkto Gleichstellung im Hintertreffen

Dasselbe gelte für die Umsetzung der Forderungen des Behindertengleichstellungsgesetzes, welches in diesem Fall die Anpassung der Bushaltestelle betrifft. «Die autonome Zugänglichkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln hätte bis Ende 2023 umgesetzt werden müssen. Es ist also auch in dieser Sache unbestritten, dass die Stadt ihren gesetzlichen Pflichten nicht rechtzeitig nachgekommen ist.»

Bei der Stadt Zug habe man bis dato keine offizielle Kenntnis der Beschwerde, heisst es auf Anfrage. Die Stellungnahme, die sie zudem abgibt, ist dieselbe, wie jene vor einem Monat, als klar wurde, dass der Stadtrat das Vorhaben auf Eis legt (zentralplus berichtete).

Verwendete Quellen
  • Besuch des Medieninformationsanlasses
  • Gespräche mit Anwohnern
  • Telefonischer Austausch mit Martin Looser
  • Schriftlicher Austausch mit der Stadt Zug
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5 Kommentare
  • Profilfoto von Nelli
    Nelli, 01.02.2024, 15:23 Uhr

    Da die Autos, sowie die übrige Mobilität immer leiser werden, gilt das mit dem Lärm macht krank nur bedingt. Und ehrlich gesagt seit wir eine 30 Zone mit Schikane neben dem Haus haben ist es bei uns definitiv lauter geworden. Zone 30 bedeutet auch keine Fussgängerstreifen, dann müssen ja die älteren Fussgänger ja noch mehr Angst haben die Strassen zu überqueren… Viele ältere Menschen vergessen, dass sie sich früher auch sorgloser in ihrer Umwelt bewegten und jetzt wo sie ein gewisses Alter erreicht haben muss dies und das nach ihrem Gusto sein. Ich finde es dort gut so wie es ist, alle wissen worauf sie zu achten haben und gut ist.

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    Erich Staub, 30.01.2024, 11:00 Uhr

    Ziemlich schwierig für eine qualitative Entwicklung, wenn der Stadtrat Zug so mutlos und passiv ist. Gute Stadtentwicklung bedingt Vorstellung, Mut, Überzeugung und Rückgrat. Und Atem, welcher länger dauert als eine Legislatur.

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    Mike, 30.01.2024, 07:07 Uhr

    Zuviele (und immer dümmere?) Menschen auf dem Planeten. Es kommt mir vor wie in Kloten, günstig Boden kaufen, Häuschen aufstellen und dann: «da starten und landen ja Flugzeuge, das darf doch nicht wahr sein»…ich muss klagen…

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      C. Bucher, 30.01.2024, 11:21 Uhr

      Ich finde es nicht in Ordnung, wie Sie dieses Anliegen lächerlich zu machen versuchen.
      Die Lärmschutzverordnung ist nun mal ein geltendes Gesetz. Die BewohnerInnen bringen also sehr gute Argumente vor, die Sie unpassend vergleichen.

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    Karl, 29.01.2024, 21:08 Uhr

    Der Zugerberg wurde in den letzten Jahren auch verbaut, klar gibt es mehr Verkehr und Lärm. Deshalb nach 30er Zone zu schreien ist schlicht übertrieben.

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