Luzerner Fischer über die Gefahren für Seen

«Die Quagga-Muschel ist nur eines von vielen Problemen»

Der Vizepräsident des Fischereiverbands Luzern, Peter Schürmann, am Sempachersee. (Bild: mre)

Die invasive Quagga-Muschel breitet sich in Schweizer Seen aus. Die Zentralschweizer Seen blieben bislang verschont. Der Luzerner Fischerei-Experte Peter Schürmann erzählt im Interview, welche Probleme die Muschel mit sich bringt und weshalb sie nur die Spitze des Eisbergs ist.

In vielen Schweizer Seen gibt es Quagga-Muscheln. Dazu gehören der Genfer-, der Boden- und der Murtensee (zentralplus berichtete). In den Gewässern der Zentralschweiz kommt die invasive Tierart (noch) nicht vor. Wie kann verhindert werden, dass die Quagga-Muschel in die hiesigen Seen kommt? Und was steht der Zentralschweiz bevor, wenn sie sich auch hier ausbreitet? Der Vizepräsident des Fischereiverbands Luzern und Instruktor für den «Sachkundenachweis Fischerei» Peter Schürmann gibt Auskunft.

zentralplus: In vielen Schweizer Seen hat sich die Quagga-Muschel schon ausgebreitet. Was passiert in den betroffenen Gewässern?

Peter Schürmann: Die Quagga-Muscheln pflanzen sich sehr schnell fort. Sie können auch in den extremen Tiefen der Seen gut leben. Dabei ernähren sich die Muscheln von Plankton und essen so den einheimischen Fischen die Nahrung weg. Dadurch geht die Fischpopulation zurück. Zudem können sie sich an einheimischen Muscheln festsetzen. Diese sterben dann deswegen. Die Quagga-Muscheln haben also einen enormen Einfluss auf das Ökosystem. Darüber hinaus kommt es zu Problemen für die Menschen direkt.

zentralplus: Wie sehen diese Folgen für die Menschen aus?

Schürmann: Am Bodensee beispielsweise kommt es zu Problemen bezüglich des Trinkwassers. Die Trinkwasserentnahmen sind in der Regel 40 bis 60 Meter in der Tiefe im See. Dort halten sich die Muscheln auf. Sie setzen sich an den Installationen fest und verstopfen dadurch die Zuführungen. Damit die Trinkwasserversorgung trotzdem gewährleistet ist, bräuchte man bei einer Trinkwasserfassung immer drei Leitungen: eine, die funktioniert, eine, die halb verstopft ist, und eine, die gerade repariert wird. Das führt zu massivsten Kosten.

zentralplus: Welche Probleme ergeben sich für Schiffe und Boote?

Schürmann: Da die Larven der Quagga-Muscheln so klein sind, kommen sie überall rein. Sobald sie grösser sind, setzen sie sich fest. Das passiert beispielsweise auch bei den Kühlungssystemen von Booten. Gerade bei den grossen Kursschiffen wird dies zu enormen Problemen führen. Die Quagga-Muscheln werden dann einen gewaltigen Einfluss auf die Kühlung haben.

zentralplus: Der Mythos hält sich hartnäckig, dass es im Vierwaldstättersee bereits Quagga-Muscheln gibt. Was sagen Sie dazu?

Schürmann: Das Monitoring des Eawag im Kastanienbaum ist sehr genau. Permanent werden Planktonfilterungen durchgeführt. Dort würden die Mitarbeiter direkt sehen, wenn sich Larven der Muschel im See befinden. Das ist bisher noch nicht geschehen. Seit einigen Jahrzehnten gibt es jedoch die Zebramuschel in den hiesigen Seen. Diese sieht der Quagga-Muschel sehr ähnlich. Sie kommt auch aus dem Schwarzen Meer.

zentralplus: Wo liegt der Unterschied zwischen der Zebra- und der Quagga-Muschel?

Schürmann: Die Zebramuschel war und ist auch immer noch invasiv. Sie hat aber nicht so einen grossen Lebensraum wie die Quagga-Muschel, sprich, sie lebt nicht in der Tiefe. Ausserdem hat sie mit der Zeit natürliche Feinde erhalten. Lebewesen im und um den See haben gelernt, die Muscheln zu essen.

zentralplus: Mit der Revision der Schifffahrtsverordnung will der Kanton die Reinigungspflicht für Schiffe einführen (zentralplus berichtete). Reicht diese Massnahme im Kampf gegen die Quagga-Muschel?

Schürmann: Auf der gesetzlichen Ebene kann man neben der Reinigungspflicht nicht gross mehr machen. Das Wichtige ist dann aber die Umsetzung. Im Kanton Zug muss sich das Fischereiamt drum kümmern. Das ist nicht der passende Ort. Beim Schiffsamt wäre die Problematik besser angesiedelt. Dort bestehen die Kontakte zu Bootsbauern, Stegbesitzern und so weiter. Eine grosse Verantwortung bezüglich der Reinigung sehe ich bei den Fischern. Wenn diese beispielsweise im Murtensee fischen, ist es extrem wichtig, dass sie die Gerätschaften im Anschluss fein säuberlich reinigen. Sonst werden die Larven verschleppt. Auch Segelboote, die an Regatten teilnehmen, wechseln häufig die Gewässer. Diese sind deshalb sehr gefordert. Genauso wie Taucherinnen.

zentralplus: Wo können die Boote oder Utensilien gereinigt werden?

Schürmann: Dafür müssen Reinigungsstellen geschaffen werden. Bei der Reinigung wird wahrscheinlich eine Art Desinfektionsmittel verwendet und nicht nur Wasser. Dieses darf nicht ins Grundwasser und in die Seen gelangen. Ich könnte mir deshalb beispielsweise vorstellen, dass Boote auf dem Autowaschplatz gereinigt werden könnten. Denn dieser Ort ist darauf ausgerichtet, dass es Flüssigkeiten gibt, die in irgendeiner Form kontaminiert sind. Der Autowaschplatz ist aber lediglich eine Idee von mir.

Peter Schürmann kontrolliert die Steine am Sempachersee. (Bild: mre)

zentralplus: In einer aktuellen Medienmitteilung schreibt der Fischereiverband, dass die Quagga-Muscheln «nur die Spitze des Eisbergs» seien. Was meinen Sie damit?

Schürmann: Etwas Weiteres, das unsere Seen bedroht, ist die Krebspest. Diese wird von invasiven Krebsen in die Gewässer gebracht. Während die invasiven Krebse resistent gegen die Pest sind, verenden die hiesigen Krebse daran. Dadurch sind schon ganze Krebsbestände ausgerottet worden. Dazu kommen noch viele weitere Problematiken für die Seen. Gewässerverschmutzungen, Freizeitdruck und invasive Vögel belasten das Ökosystem. Wenn das alles zusammenkommt, werden die Seen massiv belastet. Wir müssen deshalb an allen Fronten schauen. Wir müssen achtsam und vorsichtig sein. Ich wünsche mir, dass sich die Menschen mehr fragen, was ihr Verhalten für Konsequenzen hat. Der See ist nicht nur da, um konsumiert zu werden. Die Erfahrung zeigt, dass es nie gut kommt, wenn Menschen in die Natur eingreifen.

zentralplus: Trotzdem ist derzeit «nur» die Quagga-Muschel in aller Munde …

Schürmann: Manchmal bin ich den Quagga-Muscheln fast schon ein bisschen dankbar dafür (lacht). Sie geben uns den Anlass, der breiten Bevölkerung wieder mehr zu zeigen, dass der See nicht nur eine Wasseroberfläche ist. Es lebt hier drin, und es gibt viele Einflussfaktoren, die dafür sorgen, dass das System auch weiter so funktioniert. Gewässer sind extrem wichtig. Das müssen wir uns bewusst machen und Sorge dazu tragen.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Peter Schürmann, Vizepräsident Fischereiverband Luzern und Sana-Instruktor
  • Mitteilung Fischereiverband Luzern vom 24. Januar 2024
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1 Kommentar
  • Profilfoto von R. Gisler
    R. Gisler, 06.02.2024, 23:43 Uhr

    Wenn es der Politik wirklich ernst wäre die Ausbreitung dieser Muschel zu stoppen, gäbe es einfache Mittel dies zu tun. Aber da damit kein Wahlkampf und kein Geld zu gewinnen ist, wird einfach auf eine mögliche Änderung in der Zukunft der bestehenden Gesetze hingewiesen. Wanderboote kann man natürlich nicht verbieten, das wäre ein zu grosser Einschnitt in die persönliche Freiheit der Elite.

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