Veraltete Zahlen, Verspätungen und Zankäpfel

Spange Nord: Das sind die Knacknüsse des Luzerner Grossprojekts

Schlossberg, Sedelstrasse (Bild: Gerold Kunz)

(Bild: Gerold Kunz)

Am Mittwoch geht das kantonale Verkehrsprojekt Spange Nord in die nächste Runde: Regierungsrat Robert Küng informiert über die nächsten Schritte. Doch das Projekt ist heiss umstritten und noch bestehen einige Probleme und Unklarheiten. Die Knacknüsse in der Übersicht.

Stadt und Kanton Luzern liegen sich in den Haaren. Der Stadtrat wehrt sich vehement gegen den Bypass respektive das Teilprojekt Spange Nord. Nun nimmt das Verkehrsvorhaben den nächsten Schritt. Am kommenden Mittwoch informiert Regierungsrat Robert Küng zum Projekt und weiteren Massnahmen für den öffentlichen Verkehr. Gleichzeitig haben in den vergangenen Monaten diverse Kantonsparlamentarier Vorstösse eingereicht zum Thema – das «Departement Küng» hat diese nun beantwortet.

Die Antworten beinhalten Stellungnahmen zu den wichtigsten Streitpunkten, Problemen und vergangenen Entwicklungen rund um das Verkehrsprojekt.

1. Was stört den Stadtrat besonders?

Bereits nach Abschluss des Vorprojekts im Frühjahr 2014 zeichnete sich ab: Die Mehrheit des Stadtrats hat wenig Freude daran, dass eine neue, mehrheitlich oberirdisch verlaufende Autobahnzufahrt auf der Achse Maihof–Schlossberg–Friedental–Lochhof entsteht. Der Grüne Verkehrsdirektor Adrian Borgula sagte im Januar, das Projekt sei nicht «zumutbar» für die Stadtbevölkerung.

Streitobjekt Spange Nord

Die Spange Nord soll die Innenstadt und insbesondere die Seebrücke vom Durchgangsverkehr entlasten. Sie soll ergänzend dazu den Verkehr aus den Stadtquartieren rund um den Schlossberg sowie Reussbühl aufnehmen und beim Lochhof vor dem Tunnel Reussport auf die Autobahn lenken. Gleichzeitig wird auf der Höhe Lochhof eine viersspurige Brücke über die Reuss gebaut, damit die Autofahrer von der anderen Flussseite auf die Autobahn gelangen können.

Durch die Entlastung der Innenstadt wird eine durchgehende Busspur zwischen dem Kupferhammer in Kriens und dem Luzernerhof möglich. Kostenpunkt für das kantonale Verkehrsprojekt: 200 Millionen Franken. Für die Stadtregierung sind diese Pläne ein rotes Tuch – die negativen Auswirkungen des Projekts auf Stadt und Bewohner überwiegen aus dessen Sicht den Nutzen (zentralplus berichtete).

Die geplante vierspurige Fluhmühlebrücke wird von der Stadt als nicht verträglich für das Landschafts- und Stadtbild angesehen. Die Eingriffe auf die Wohnquartiere werden als zu belastend und siedlungstrennend beurteilt. Eine Mehrheit des Stadtparlaments fordert ausserdem eine beinahe vollständige Untertunnelung der Spange Nord ab dem Schlossberg und nicht erst auf der Höhe Friedental. Damit sollen die betroffenen Quartiere besser vor Emissionen geschützt werden.

2. Ist die Untertunnelung der Friedentalstrasse realistisch?

Diese städtische Kernforderung stösst jedoch beim Kanton auf klare Ablehnung, wie er in seiner Antwort auf den Vorstoss von FDP-Kantonsrat Daniel Wettstein darlegt. Die bereits vorgenommene Verlängerung des Tunnels um 200 Meter erachtet der Kanton als ausreichend. Eine allfällig unterirdische Friedentalstrasse auf einer Strecke von 500 Metern würde laut Abklärung des Kantons zu geschätzten Mehrkosten von weiteren 100 Millionen Franken führen. Trotz der hohen Mehrkosten müsste dennoch rund die Hälfte des Verkehrs oberirdisch geführt werden.

Ausserdem würde die Untertunnelung Gebäudeabbrüche bedingen und wäre städtebaulich äusserst kritisch zu beurteilen. Insgesamt weise diese Massnahme einen zu geringen Nutzen auf. Stattdessen wird ein «qualitätssicherndes Planungsverfahren» in Aussicht gestellt – dieses Gutachten ist Teil des Planungskredits für die Spange Nord. Wie aus den Antworten ersichtlich ist, hält die Regierung den vorliegenden Kompromiss als eine gute Basis für die Projektplanung. Damit schlägt sie den weitergehenden Forderungen nach einem längeren Tunnel vonseiten der Stadt vor Planungsbeginn faktisch die Türe zu.

Rot eingezeichnet: Auf dieser Strecke soll die Spange Nord eingetunnelt werden, fordern CVP und GLP. Dunkelrot markiert sind die 350 Meter, die der Kanton eintunneln will.

Rot eingezeichnet: Auf dieser Strecke soll die Spange Nord eingetunnelt werden. Dunkelrot markiert sind die 350 Meter, die der Kanton eintunneln will.

(Bild: zentralplus)

3. Führt die Spange Nord zu Mehrverkehr in der Innenstadt?

In der Stadt befürchtet man durch die Realisierung der Spange Nord zusätzliche Autofahrten. Doch laut einer Antwort des Regierungsrates erfolgt durch das Vorhaben kein Leistungsausbau auf dem Strassennetz. Stattdessen würde der Verkehr lediglich «umorganisiert». Es erfolge eine Verlagerung von der Achse Seebrücke auf die Spange Nord und die Stadtautobahn. Hinzu kommen die Streichung einer Autofahrspur auf der Seebrücke und die hierdurch mögliche durchgehenden Busspur von Kriens bis Luzernerhof. Auch ein Ausbau von Verbindungen für Velofahrer und Fussgänger sei in verschiedenen Bereichen möglich.

4. Stimmen die Zahlen für die Projektplanung?

Weniger Stau in der Innenstadt und auf der Seebrücke während der Rush Hour: Das ist eines der wichtigsten Argumente des Kantons für die Spange Nord – damit will Regierungsrat Küng den Stadtluzernern die Autobahnzufahrt durch die Quartiere schmackhaft machen. Ohne das Verkehrsprojekt rechnet der Kanton Luzern im Jahr 2030 mit täglich 42’000 Fahrten über die Seebrücke. Mit Realisierung des Bypasses wären es 4’000 Fahrten weniger – also noch 38’100. Erst dadurch wäre eine Reduktion der Autofahrstreifen über die Seebrücke und damit eine durchgehende Busspur von Kriens an den Luzernerhof möglich.

Doch die Prognosen für die Verkehrsentwicklung bis ins Jahr 2030 basieren auf Annahmen, die sich aus heutiger Sicht «als überholt erwiesen haben». Dies schreibt die Luzerner Regierung in seiner Antwort auf den Vorstoss von Urban Frye (Grüne). Die neuen Zahlen liegen laut der Regierung Ende 2017 vor.

5. Ist eine durchgehende Busspur ohne Spange Nord möglich?

Was es ebenfalls zu beachten gibt punkto Verkehrszahlen: Die Menge der Fahrten über die Seebrücke betrug bereits 2016 nur noch 36’000 Fahrten – 2’000 weniger, als mit der Realisierung der Spange Nord gerechnet wird. Deshalb fragte Frye die Regierung auch, weshalb die Busspur nicht bereits heute realisiert werden kann – die Grenze von 38’000 Fahrten sei ja bereits heute unterschritten.

Die Regierung argumentiert, dass nicht der Tagesdurchschnitt entscheide, sondern die Auslastung in den Spitzenstunden. Hier bewege man sich an der Leistungsgrenze. In den vergangenen Jahren habe sich die Strassenbelastung während der Abendstunden um nur zehn Prozent reduziert. Die Regierung hält fest: «Durchgehende Busspuren sind aufgrund der heutigen verkehrlichen Belastung der Seebrücke nicht vorgesehen und auch nicht umsetzbar.» Das Bau- Umwelt- und Wirtschaftsdepartement (BUWD) erinnert an die Verkehrsprobleme während der Seebrücken-Sanierung im Juli. Offen bleibt, weshalb es mit der Spange Nord plötzlich verkraftbar sein soll, eine Strassenspur bei 38’000 Seebrücken-Fahrten zu schliessen.

6. Was wären die weiteren Folgen für den öffentlichen Verkehr?

Nicht mehr möglich wären geplante Busspuren zwischen Pilatusplatz und dem Luzernerhof, schreibt die Regierung auf die Frage, was ein Verzicht auf die Spange Nord für den öffentlichen Verkehr bedeuten würde.

Um die Verfügbarkeit des öV weiterhin sicherzustellen, müsste ausserdem die Strasseninfrastruktur ausgebaut werden. Ausbauten für den öV auf dem stark befahrenen Kreisel Kreuzstutz sowie der Baselstrasse wären kaum oder nur unter sehr hohen Kosten möglich. Die Entlastung dieses verkehrsgeplagten Quartiers wird von der Regierung als weiteres Argument für die Spange Nord ins Feld geführt. Ausserdem müsste bei Verzicht auf das Grossprojekt der öV auf der Friedentalstrasse zwischen der Spitalstrasse bis zum Schlossberg notwendig.

Bald gehts nicht mehr so flugs über die Seebrücke.

Bald gehts nicht mehr so flugs über die Seebrücke.

(Bild: zvg)

7. Ist man im Zeitplan?

Bis 2035 soll das Gesamtsystem Bypass gebaut sein. Das Astra hat die Planung bereits Anfang 2017 gestartet – doch der Kanton ist noch nicht soweit, wie er in seiner Antwort auf eine Anfrage von SVP-Kantonsrat Daniel Keller schreibt. Gründe für die Verspätung sind laut der Regierung der budgetlose Zustand in diesem Jahr und die kritische Stellungnahme der Stadt zum Vorprojekt.

Deshalb verschiebt sich die Projektierungsphase auf Frühling 2018. Zuerst muss der Kantonsrat einen Planungskredit sprechen. «Wie stark diese Verspätung sich auf das Gesamtprojekt auswirkt, kann zum heutigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden», schreibt er in der Stellungnahme. Die vorgesehen Zeitspanne von zwei Jahren für die Projektplanung beurteilt die Regierung jedenfalls als «eher kurz».

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Mario Senti
    Mario Senti, 12.12.2017, 20:48 Uhr

    Eine Spange Nord wäre eine Katastrophe für das Quartier und Luzern! Wir werden dagegen kämpfen!

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