Farbschichten mehrere Zentimeter dick

Dreieck statt «ACAB» – auf Verschönerungstour in Zug

Der Stadtingenieur Jascha Hager erzählt von den Plänen der Stadt Zug. (Bild: mre)

In Zug laufen derzeit mehrere Projekte, um Schmierereien Herr zu werden und ein wenig mehr Farbe in die Stadt zu bringen. Teilweise greifen die Behörden dabei gar selber zur Spraydose.

Das Wandbild in der «Katastrophenbucht» am Zugersee ist mit Kritzeleien und sogenannten Tags befleckt.

Der Stadtingenieur Jascha Hager zeigt auf den LED-Streifen an der Decke, der seit einigen Jahren die städtische Nische in der Nacht beleuchtet und illegale Machenschaften verhindern soll. Doch diese lassen sich nicht abwehren, wie man vor Ort sieht.

«Es ist seit Jahren ein Problem», sagt Hager beim Vorbeilaufen. Solche kleinen Tags und Zeichnungen sind überall im öffentlichen Raum zu sehen.

«Die Kritzeleien lassen sich grob in drei Kategorien aufteilen», erklärt er weiter. Das sind zum einen die klassischen «Gemälde» von primären und sekundären Geschlechtsteilen. Daneben reihen sich Tags von «Systemkritikern» und Sport-Fans. Die Namen der favorisierten Fussballclubs sind etwa an die Wände gekritzelt oder Slogans wie «ACAB», der sich gegen die Polizei richtet.

Die Stadt Zug beauftragt einmal im Jahr einen Maler, der die Kritzeleien überdeckt. An gewissen Stellen trägt die Mauer deshalb bereits eine mehrere Zentimeter dicke Farbschicht. Grund für das regelmässige Übermalen ist auch der sogenannte Broken-Window-Effekt, sagt Hager: Wo bereits Tags und Sprüche gesprayt sind, kommen schnell noch mehr dazu. Es ist ein Tauziehen zwischen Stadt und Vandalen.

«Wir wollen deshalb einen neuen Weg im Umgang mit dem Problem einschlagen», sagt Jascha Hager. Die Idee: Tags und Sprayereien werden nicht weggeputzt, sondern übermalt. zentralplus begleitet den Stadtingenieur bei der Arbeit.

Der Bahnviadukt bekommt einen neuen Anstrich

Der Weg führt Richtung Bahngleis – genauer gesagt zum historischen Viadukt. Dieser gibt in Zug schon länger zu reden. Beispielsweise forderten Politiker, dass er mit Pop-up-Stores und Gastrobetrieben belebt wird (zentralplus berichtete). Diese Idee stellte sich jedoch als nicht realisierbar heraus. Nun werden die zugemauerten Bögen neu bemalt.

Hier trifft Hager die «wahren Künstler», wie er sie nennt, die mit und nicht gegen die Stadt arbeiten. Pirmin Beeler und Flurin Forster vom Zuger Künstlerkollektiv ArtGrid arbeiten gerade an einem Gemälde im Auftrag der Stadt. Das Wandbild ist Teil des neuen Projekts.

Als zentralplus dem Künstler Beeler begegnet, ist er in seinem Element. Er arbeitet gerade an den sogenannten Outlines, den dunklen Skizzen. Beeler setzt jeden Pinselstrich in höchster Konzentration.

Dabei vergisst er schon auch mal die Zeit. «Gestern hat mich mein Kollege darauf hingewiesen, dass es Abend wird und Zeit zum Aufräumen ist», erzählt Beeler. Er habe ihm zuerst gar nicht geglaubt und dachte, es sei noch mitten am Nachmittag.

Das Wetter fordert Beeler beim Malen gerade etwas heraus. Die grosse Fläche bemalte er Anfang Woche bei sommerlichen Temperaturen – eine körperlich eher anspruchsvolle Arbeit. Jetzt, wo es kälter ist, muss die filigrane Arbeit gemacht werden. Für die Outlines braucht es Fingerspitzengefühl. Bewegen tue man sich kaum. Deshalb sind lange Unterhosen angesagt, sagt Beeler und macht sich wieder ans Malen.

Flurin Forster, der Initiant des Künstlerkollektivs, stösst dazu. Er freut sich darüber, ein Gemälde im öffentlichen Raum gestalten zu dürfen. Sonst mache das Kollektiv vor allem Kunst auf Privatgrund. «Hier laufen viele Menschen vorbei, wir sind mittendrin.»

Dass sie mittendrin sind, merkten die Künstler auch, als ihnen der Kasten rechts an der Wand auffiel. Es handelt sich dabei nämlich nicht um einen Zigarettenautomaten, sondern um einen Kasten mit sauberen Spritzen für den Drogenkonsum. «Das ist die Realität», ergänzt Jascha Hager. Der Kasten werde auch weiterhin dort bleiben und das Kunstwerk wird drumherum gestaltet.

Hier werden die Werkhofmitarbeiter zu Künstlern

Der Weg durch die Stadt Zug führt weiter am Bahnhof vorbei und zur Unterführung bei der Bushaltestelle Landis & Gyr/Bahnhof. Diese war ebenfalls von Kritzeleien gezeichnet. Vor wenigen Tagen legten jedoch die Werkhofmitarbeiter Hand an.

Anders als normalerweise bestand ihre Aufgabe nicht im Versuch, die Tags zu entfernen. Sondern: Mit Spraydosen und Schablonen überdeckten sie die Kritzeleien mit neuen Formen. Angeleitet wurden sie dabei unter anderem von Flurin Forster, der auch bei den Viadukt-Gemälden involviert ist. «Wir haben die Unterführung in Wert gesetzt», findet Forster. Jascha Hager nickt.

Der Künstler erzählt, dass den Werkhofmitarbeitern die Arbeit sehr viel Spass bereite. Denn: Hier ist Kreativität gefragt. Sobald ein neues Graffito zu sehen ist, holen die Arbeiter Schablonen und Spraydosen aus dem Auto. Und dann kommt es auf ihr Augenmass an. Sie entscheiden, welche Form wo und in welcher Farbe gesprayt wird.

Dies habe auch mal zu erstaunten Blicken geführt. «Die Passanten schauten überrascht, als sie sahen, dass Werkhofmitarbeiter am Sprayen sind», erzählt Forster.

Auch die Kosten spielen eine Rolle

Flurin Forster begrüsst es, dass die Stadt dem Problem mit einer positiven Grundhaltung begegnet. Der Ansatz habe auch pragmatische Vorteile, ergänzt Stadtingenieur Jascha Hager. Bei neuen Tags können die Werkhofmitarbeiter in kürzester Zeit reagieren. Dies sei kostengünstiger und weniger zeitaufwendig.

Die Zeit ist dennoch knapp. Mit einem «Ich muss nun weiter» verabschiedet sich Hager. Das Tauziehen mit den Sprayern geht weiter – auch wenn die Mitarbeiter der Stadt Zug nun mit Sprühdosen statt Putzlumpen ausgerüstet sind.

Verwendete Quellen
  • Rundgang mit Jascha Hager, Leiter Tiefbau Stadt Zug
  • Persönliches Gespräch mit den Künstlern Flurin Forster und Pirmin Beeler
  • Mitteilung der Stadt Zug zum Stadtviadukt
  • Medienarchiv zentralplus
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