Nur im Ausland lebende Luzerner sind digital dabei

Kein Geld: Luzern tritt beim E-Voting auf die Bremse

Im Kanton Luzern wird die Einführung der elektronischen Stimmabgabe noch einige Jahre auf sich warten lassen.

(Bild: giw)

Fahrzeug anmelden, Strafregisterauszug bestellen oder Fristerstreckung für die Steuern: Immer mehr Dienstleistungen des Kantons sind online verfügbar. Doch eines der wichtigsten Bürgerrechte können die Luzerner bisher nur in der analogen Welt in Anspruch nehmen: das Stimm- und Wahlrecht. Während der Bund beim E-Voting aufs Gas drückt, steht Luzern auf der Bremse.

Dieser Stress am Sonntagvormittag, kurz bevor die Urnenbüros schliessen, wenn wieder einmal der Abstimmungstermin vergessen ging – oder die Stimmabgabe ewig hinausgezögert wurde. Wer kennt ihn nicht und wünscht sich, den ganzen Prozess entspannt vom Sofa aus erledigen zu können?

Just das wichtigste Bürgerrecht ist noch nicht online wahrnehmbar. Obwohl die Digitalisierung die Luzerner Kantonsverwaltung beschäftigt – und auch die Politik Massnahmen fordert, öffentliche Dienstleistungen vermehrt online verfügbar zu machen (zentralplus berichtete). Doch es kommt Bewegung in die Sache, der Bund drückt beim E-Voting auf die Tube.

Wird der Kanton Luzern abgehängt?

Der Bundesrat hat im April die Versuchsphase für das E-Voting abgeschlossen und will den Kantonen die definitive Einführung ermöglichen. Bis 2019 sollen zwei Drittel aller Schweizer Kantone die elektronische Stimmabgabe eingeführt haben – dieses Ziel hat sich der Bundesrat gesteckt. Seit 2004 haben 14 Schweizer Kantone – darunter der Kanton Luzern – in über 200 Versuchen die elektronische Stimmabgabe getestet. Wie die Bundesverwaltung berichtet, mit grossem Erfolg: Bis zu zwei Drittel der Stimmenden eines Kantons, die den elektronischen Stimmkanal nutzen können, entscheiden sich dafür.

Doch in Luzern stockt der Motor. Im Aufgaben- und Finanzplan (AFP) 2017–2020 steht schwarz auf weiss: «Die Prüfung der Erweiterung von E-Voting auf Stufe Gemeinden und Kanton wird wegen der finanziellen Belastung verschoben.» Laut dem Wortlaut des AFP verzögert sich die Einführung um ein Jahr.

Heisst dies, dass mit dem Projekt in einem Jahr gestartet wird? «Das können wir derzeit nicht sagen», so Kathrin Graber, Leiterin Abteilung Gemeinden des Kantons Luzern. Zunächst sei ein Vorprojekt geplant. Insgesamt 1,2 Millionen Franken sind dafür vorgesehen, verteilt auf drei Jahre. «Aber auch dies wird nur Sinn machen, wenn die Finanzierung der Ausdehnung von E-Voting auf Inlandschweizer und Inlandschweizerinnen sichergestellt ist», gibt Graber zu bedenken.

Grosse Nachfrage bei den Auslandschweizern

Fakt ist: Vorerst können in Luzern nur die Auslandschweizer bei Bundesvorlagen – im Herbst 2015 auch erstmals bei den Nationalratswahlen – elektronisch abstimmen. «Der Kanton Luzern ist bisher der einzige Kanton in der Zentralschweiz, der E-Voting für die Auslandschweizer seit 2010 eingeführt hat.» Dies in Zusammenarbeit mit dem Kanton Genf, der eine eigene Software fürs E-Voting entwickelt hat. Auch hier ist die Nachfrage gross, derzeit nützen regelmässig über 60 Prozent den elektronischen Stimmkanal, berichtet Graber.

Für die Leiterin der Abteilung Gemeinden ist klar, Luzern wird trotz Verzögerung nicht abgehängt: «Mit der Teilnahme des Kantons Luzern beim Projekt E-Voting für Auslandschweizer, der engen Zusammenarbeit mit dem Kanton Genf sowie dem intensiven Austausch mit dem Bund in Sachen E-Voting ist gewährleistet, dass der Kanton Luzern bei der Weiterentwicklung von E-Voting aktiv dabei ist.» Der Regierungsrat begrüsse die Absichten des Bundes, mittelfristig die elektronische Stimmabgabe bei Abstimmungen auf allen Stufen Bund, Kanton und Gemeinden einzuführen, so Kathrin Graber.

«Die Kosten für eine Ausdehnung auf die Inlandschweizer liegen noch nicht definitiv vor.»

Kathrin Graber, Leiterin Amt für Gemeinden

Kosten für Einführung unbekannt

Wie so oft hakt es in Luzern aber an den Kosten. Dabei ist briefliches Abstimmen auch nicht gerade günstig. Eine kantonale Abstimmung kostet laut Graber ungefähr 76’000 Franken und zusätzlich schätzungsweise 220’000 Franken in den Gemeinden. Das sind die Aufwendungen für den Druck und den Versand der Abstimmungsunterlagen an die rund 270’000 Stimmberechtigten des Kantons. Nicht eingerechnet sind beispielsweise die Personalkosten der Urnenbüros des Kantons und der Kommunen: «Wir machen keine Vollkostenrechnung», so Kathrin Graber.

Doch wie würde die Einführung des E-Votings im Kanton Luzern zu Buche schlagen? «Die Kosten für eine Ausdehnung auf die Inlandschweizer liegen noch nicht vor», so Graber. Fest steht, dass für eine Ausdehnung diverse technische, juristische und organisatorische Fragen zu lösen wären, die Kosten verursachen würden. Ausserdem müsste die Ausdehnung auf die Inlandschweizerinnen und -schweizer wohl öffentlich ausgeschrieben werden.

E-Voting light bereits grosser Fortschritt

Ein grosser und wichtiger Schritt wäre, wenn der ganze Prozess der Stimmabgabe digitalisiert würde, das heisst, sowohl Stimmunterlagen als auch Stimmabgabe im Netz abgewickelt werden könnten: «Dann spart man die hohen Kosten für Druck und Versand des Stimmmaterials», erklärt Graber.

Bisher gilt nämlich bei E-Voting, dass sämtliches Stimmmaterial, egal ob der Stimmberechtigte die Stimme elektronisch oder brieflich abgeben wird, mit der Post an die Auslandschweizer versandt wird. «Das ist bereits aus demokratischer Sicht ein grosser Fortschritt, denn bisher war es vielen Auslandschweizern gar nicht möglich, ihr Stimmrecht auszuüben», meint Abteilungsleiterin Graber.

Bund prüft papierlose Stimmabgabe

Der Bundesrat hat jedenfalls weiterreichende Pläne: Er möchte die papierlose Stimmabgabe in die Hand nehmen, dabei würde der Stimmprozess vollständig digitalisiert. Damit würde auf die Zustellung von Stimm- und Wahlzettel, Stimmausweis- und -couvert sowie Erläuterung teilweise oder gar vollständig verzichtet. Die entsprechenden rechtlichen und technischen Voraussetzungen will der Bund gemeinsam mit den Kantonen erarbeiten.

Neben dem Kanton Genf hat auch die Schweizerische Post eine Lösung entwickelt. Sie bietet eine Demo-Version, auf welcher man unter anderem an einer fiktiven Abstimmung teilnehmen kann (siehe externe Links zum Artikel).

Doch wie sieht es bei der Sicherheit aus? Das E-Voting-System des Kantons Genf, das der Kanton Luzern zusammen mit anderen Kantonen nutzt, entspricht den Sicherheitsanforderungen, welche die Bundeskanzlei vorschreibt. «Dass das Genfer System den hohen Sicherheitsanforderungen entspricht, ergibt sich auch daraus, dass die bisherigen elektronischen Abstimmungen ohne Pannen durchgeführt wurden», erklärt Kathrin Graber. Und wie sieht der weitere Fahrplan für das E-Voting im Kanton Luzern aus? Wie es genau weitergeht, kann Graber aufgrund der finanziellen Situation im Kanton nicht sagen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Libero
    Libero, 04.08.2017, 19:28 Uhr

    E-Voting schaft Probleme wo keine sind
    Man sich fragen, warum die Schweiz eigentlich E-Voting braucht? Es gibt keine Anzeichen, dass das heutige System nicht funktioniert. Auch die Befürworter geben zu, dass damit keine höheren Stimmbeteiligungen zu erwarten sind. Bund und Kantone haben eher bescheidene Ziele mit dem E-Voting: eine Investition für die Stimmberechtigten; keine ungültigen Stimmern mehr; Ergebnisse werden früher bekannt; Behinderte und Auslandschweizer sind nicht mehr benachteiligt. Probleme, die sich zum grossen Teil organisatorisch lösen lassen.
    Bei den leeren Kasse des Kantons Luzern ist der Verzicht auf E-Voting ein echter Gewinn. Bekanntlich stehen mit der Einführung von E-Voting neuen Kantone vor einem Scherbenhaufen, weil vom Bund die Zulassung verweigert wurde.
    Auch heute gibt es Unregelmässigkeiten und Pannen. Das System mit den Auszählbüros in den Gemeinden ist eindeutig weniger anfällig als ein zentrales Onlin-Monster. Nur noch wenige Experten hätten den Einblick und die Verantwortung in das Ergebnis. Lohnt sich dieser riesige finanzielle Aufwand für eine Prestige-E-Urne? Warum wird das unnötig das Risiko mit dem Vertrauen in die demokratischen Abläufe eingegangen? Mit E-Voting schaffen wir ohne Not eine „Drei Klassengesellschaft“. Sie können den Urnengang nicht abschaffe, auch die briefliche Stimmabgabe nicht. E-Voting bringt bringt keinem etwas, ausser enormen Kosten, unberechenbare Risiken und allenfalls Vertrauensverlust.

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