Luzerner Experte Andreas Liebrich zu E-Tourismus

Roboter-Concierge und gläserne Touristen: Eine Branche wird digital

Andreas Liebrich, Dozent und Projektleiter Institut für Tourismuswirtschaft an der Hochschule Luzern.

(Bild: giw)

Die Digitalisierung verändert den Tourismus nachhaltig – und damit auch den wirtschaftlichen Nerv der Leuchtenstadt. Andreas Liebrich ist Dozent an der Hochschule Luzern und beschäftigt sich intensiv mit dem E-Tourismus. Ein Gespräch über Mikroblogging, Entschleunigung und die Zukunftstrends der Branche.

zentralplus: Herr Liebrich, Sie sind unter anderem Mitautor des 2015 erschienenen Buches «Nachhaltige Entwicklung im Tourismus: die Luzerner Perspektive». Wie sieht die aus?

Andreas Liebrich: Der Tourismus verändert sich, der Aspekt der Nachhaltigkeit wird dabei immer wichtiger. Immer mehr Gäste machen sich Gedanken darüber, welchen lokalen Bezug sie am Ferienort erleben, wer von ihren Ferien ökonomisch profitiert oder wie der ökologische Fussabdruck ihrer Reise aussieht. Das gilt es auch in Luzern zu beachten.

zentralplus: Viele Gäste in Luzern, besonders aus Asien, sind eher vermögend. Was sind die digitalen Standards, die von dieser internationalen und kaufkräftigen Kundschaft erwartet werden: Eine Webseite, Online-Check-in oder gar eine Hotel-App?

Liebrich: Man muss unterscheiden. Da sind einerseits die Gruppenreisenden, besonders aus der neuen chinesischen Mittelschicht, die immer noch die grosse Gruppe der asiatischen Besucher in Luzern bilden. Diese werden vorwiegend von ihrem Gruppenführer orientiert. Bei den internationalen Gästen, die individuell reisen, fällt immer wieder auf, dass sie nicht in erster Linie die hiesigen Plattformen nutzen, sondern Webseiten und Dienste, die ihnen bereits bekannt sind. Beispiele dafür sind das chinesische Mikrobloggin-Portal «Weibo», die Suchmaschine «Baidu» oder die Buchungsmaschine «Ctrip».

Speziell bei den Geschäftsreisenden muss es schnell gehen, hier sind zunehmend auch Dienstleistungen wie Online-Check-in gewünscht. Eine App ist nicht zwingend notwendig, denn insbesondere bei Kurzaufenthaltern ist die Hürde, eine solche zu installieren, hoch. Wenn ein Hotel eine eigene App bietet, muss sie einen echten Mehrwert bieten.

zentralplus: Luzern ist eine weltbekannte Touristenstadt. Aber ist sie auch Trendsetter, wenn es um den Tourismus geht?

Liebrich: Das ist schwierig zu sagen. Die Stärke der Stadt liegt weiterhin in der Kombination des gepflegten historischen Stadtbilds, des Sees, den nahen Bergen sowie der vielen und gut vernetzten touristischen Angebote.

Andreas Liebrich an seinem Arbeitsplatz an Hochschule Luzern.

Andreas Liebrich an seinem Arbeitsplatz an Hochschule Luzern.

(Bild: giw)

zentralplus: Kann man heute noch als Hotel- oder Gastrobetrieb überleben, ohne in die eigene Webpräsenz zu investieren?

Liebrich: Im Rahmen des Tourismustages haben wir spezifisch einen touristischen Leistungsträger gesucht, der auf den Antitrend setzt. Es hat sich gezeigt, dass es immer schwieriger wird, solche Betriebe zu finden. Es gibt Hoteliers, die ihren Kunden mit einem Verzicht auf WLAN eine Entschleunigung bieten möchten. Doch gerade als ein solcher Nischenanbieter braucht man eine Webseite und eine Präsenz auf Plattformen wie «booking.com», um die Gäste zu finden, welche bewusst Ferien ohne Internet verbringen möchten.

zentralplus: Schweiz Tourismus hat mit dem City Guide Luzern eine eigene App entwickelt, Luzern Tourismus eine informative Webseite. Wie würden Sie deren E-Tourismus-Bereitschaft bewerten?

Liebrich: Luzern hat in den letzten Jahren definitiv Fortschritte gemacht in diesem Bereich. Beispielsweise arbeitet Luzern Tourismus an einer neuen Webseite, eine Art Gästeportal, sowie an einer elektronischen Gästekarte. Doch die Entwicklung geht mit neuen aufkommenden Technologien wie Robotern oder künstlicher Intelligenz weiter: Man kann es sich nicht erlauben, auszuruhen.

Zur Person

Andreas Liebrich ist Dozent und Projektleiter am Institut für Tourismuswirtschaft. Der Basler doziert seit 2007 an der Hochschule Luzern und beschäftigt sich insbesondere mit E-Tourism und Online-Marketing.

zentralplus: Intensiviert die Digitalisierung den Wettbewerb unter den Tourismus-Destinationen? Und ist das für die Luzerner Hotellerie ein Vorteil oder ein Nachteil?

Liebrich: Ja, die Digitalisierung führt klar zu mehr Wettbewerb. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Starken profitieren und die Schwachen noch stärker unter Druck geraten.

zentralplus: Mit «Airbnb» kann heutzutage jeder Gastgeber sein. Das Angebot hat eine grosse Nachfrage. Was heisst das für etablierte Hotelbetriebe und die Tourismusbranche?

Liebrich: Solche Angebote gab es schon immer, zum Beispiel mit privaten Pensionen. Generell nimmt auch die Beherbergung durch Freunde, Verwandte und Bekannte zu, wie Zahlen zeigen. Die Angebote sind eine gewisse Konkurrenz für Hotels. Zunehmend nutzen jedoch auch Gasthäuser die Möglichkeiten der Plattform, um Hotelzimmer anzubieten. Oder sie schauen den privaten Anbietern etwas ab und bieten Zimmer an, die das «Airbnb»-Gefühl vermitteln. Für die gesamte Tourismusbranche ist «Airbnb» auch eine Chance, in Spitzenzeiten mehr Gäste in einer Stadt beherbergen zu können.

zentralplus: Wird es im Tourismus neue, respektive andere Stellen geben durch die Digitalisierung?

Liebrich: In den letzten Jahren wurden neue Stellen im Online-Marketing geschaffen. Ein neuer Trend sind ausserdem sogennante Influencer – unabhängige Personen, die auf Einladung und bezahlt um die Welt reisen und ihre Eindrücke beispielsweise mit ihrer Instagram-Community teilen. Die Herausforderung ist es heute nicht mehr, ein tolles Foto der Destination zu schiessen, sondern Informationen über die richtigen Kanäle den relevanten Zielgruppen zur Verfügung zu stellen.

«In Japan gibt es bereits ein Hotel, das nur von Robotern betrieben wird.»

zentralplus: Und in welchen Berufssparten müssen Arbeitende um ihre Zukunft fürchten?

Liebrich: Grundsätzlich alle Aufgaben, die ein Roboter übernehmen kann, ohne dabei die Gäste zu stören. In Japan gibt es bereits ein Hotel, das ausschliesslich von Robotern betrieben wird. Das ist natürlich ein Extrembeispiel. Aber es ist durchaus vorstellbar, dass an der Rezeption in Zukunft das Check-in ähnlich wie beim Fliegen über eine App erfolgt. Ob dadurch eine Stelle verloren geht, kann man nicht sagen. Das ist immer auch eine strategische Entscheidung des Managements. Vielleicht wird sich die Person stattdessen um spezielle Wünsche der Gäste kümmern.

zentralplus: Eine Digitalisierung im Tourismus führt auch zu grossen Datenmengen. Was bringt Big Data in der Tourismusbranche?

Liebrich: Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Big Data heisst Big Challenge. Big Data setzt eine Datenanalysekompetenz und Integration von Daten aus verschiedenen Systemen voraus. Schon einfache Datenanalysen aus einem System werden aber vernachlässigt. In meinen Weiterbildungen fällt mir immer wieder auf, wie wenig Unternehmen Bescheid wissen über das Nutzungsverhalten ihrer potenziellen Kundschaft. Wenn ich die Frage stelle, wie viele Nutzer ihre Webseite besuchen, hat kaum jemand eine Antwort darauf. Das zeigt klar auf, wie viel Potenzial hier noch liegt.

Big Data ist mit viel Aufwand verbunden. Die Nutzungschancen all der Daten von E-Mail-Verkehr über Newsletter, Bewertungen bis hin zur Gästedatenbank sind enorm. Doch wenn diese nicht in der Schweiz genutzt werden, werden intelligente Big-Data-Anwendungen von «Google» oder «Booking.com» angeboten. Das würde zu einem Verlust an Wertschöpfung in der Schweiz und zu einer noch grösseren Abhängigkeit von grossen Anbietern führen.  

Zentralschweizer Tourismustag

Das Interview wurde im Rahmen des Zentralschweizer Tourismustages 2017 der Hochschule Luzern geführt. Dieser findet heute Donnerstag auf dem neuen Eventschiff, MS Diamant, der Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees SGV zum Thema «Digital reisen – smart unterwegs» statt. Zur Digitalisierung im Tourismus referieren Experten wie Philipp Ries von Google Schweiz, Wilhelm K. Weber von swiss hospitality solutions, Tom Hanan, Gründer von Webrepublic und ehemaliger Leiter Yahoo! Schweiz sowie erster Mitarbeiter Google Schweiz, und Prof. Dr. Andreas Liebrich, Dozent E-Tourismus und Online-Marketing an der Hochschule Luzern.

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