Vorwürfe nach Luzerner Bahnhof-Shutdown

Gerücht: SBB sollen Gleiswartung am Bahnhof vernachlässigt haben

Die intensiven Arbeiten an der Unfallstelle am Bahnhof Luzern dauern an.

(Bild: gwi)

Die Ursache für den Bahnunfall am Mittwoch wird zwar noch vom Bund untersucht. Doch dass die SBB im Rückstand bei den Sanierungen sind, ist kein Geheimnis. Wurde auch beim Unterhalt am Bahnhof Luzern geschlampt?

Die Schäden gehen in die Millionen, die gesamte Region ist betroffen vom Zugunglück an der Achillesferse des Luzerner Kopfbahnhofes. Der Eurocity vom Typ ETR 610 der italienischen Trenitalia verliess am frühen Mittwochnachmittag den Bahnhof Luzern in Richtung Basel, weit kam er aber nicht: Bereits bei der Langensandbrücke sprang er gegen 14 Uhr am Anfang einer Weiche aus der Schiene (zentralplus berichtete). Die Ursache für diesen Unfall zu ermitteln, ist Sache der unabhängigen Unfalluntersuchungsstelle des Bundes (Sust), ausserdem sind die Luzerner Behörden sowie Experten der SBB involviert.

Laut der Sust stehen derzeit Mängel an den Gleisen oder am Zug im Vordergrund – mehr ist nicht bekannt. Seit dem ersten Tag an kursieren hierzu belastende Gerüchte an die Adresse der Bundesbahnen. Sie kommen etwa aus dem Umfeld der Einsatzkräfte, die am Mittwoch ihren Dienst leisteten: Das Gleisbett an der Unfallstelle habe man nicht saniert, obwohl es nötig gewesen wäre. Als Gleisbett kommen meist grobkörnige Gesteinsarten – Schotter genannt – zum Einsatz. Dieser soll die einwirkenden Kräfte auf dem Gleis aufnehmen.

Eindrücke aus den Sanierungsarbeiten unter der Langensandbrücke:

Bodensenkungen sind nicht auszuschliessen

Aus Sicht von Walter von Andrian gibt es verschiedene Möglichkeiten für die Ursache. Wie der Verleger der «Schweizer Eisenbahn-Revue» erklärt, liegt das Gebiet des Bahnhofs wie auch die umliegenden Gebiete auf Schwemmland: «Der gesamte Untergrund ist relativ instabil, das zeigt sich auch beim Bau von Gebäuden hier in der Innenstadt. Bodensenkungen sind nicht auszuschliessen.»

Bei den Bundesbahnen weist man die Vorwürfe zurück: «Das Gerücht, dass die Wartung der Gleisinfrastruktur vernachlässigt wurde, kann ich dementieren», erklärt SBB-Sprecher Reto Schärli. «Die SBB machen bei der Sicherheit keine Kompromisse.» Nur wenn die Infrastruktur konstant unterhalten werde, sei der Bahnverkehr sicher möglich. Unsere konkreten Frage zu letzten Sanierungsarbeiten wollte man seitens der SBB jedoch nicht beantworten. 

Bahnexperte kritisiert SBB

Dass es um die Bahninfrastruktur nicht zum Besten steht, ist bereits seit Jahren bekannt. 2013 schrieb der «Tagesanzeiger», dass sich bei den SBB in den vergangenen Jahren ein gewaltiger Sanierungsstau gebildet habe, den die Bahn dringend abbauen müsse. Der Nachholbedarf bei den Unterhalts-, Reparatur- und Sanierungsarbeiten an den bestehenden Anlagen werde auf 1,8 Milliarden Franken beziffert, und er kann nur schrittweise bewältigt werden: Erst im Jahr 2032 soll der Rückstand aufgeholt sein.

Der diplomierte Ingenieur ETH sagt: «Zu Beginn des neuen Jahrtausends haben die SBB ihre Investitionen in den Bahnunterhalt, also auch ins Gleis, innerhalb kürzester Zeit massiv reduziert, seither ist man mit dem Unterhalt im Rückstand.» Man repariere immer dort, wo es gerade notwendig ist: «Das Schienennetz ist ein Flickenteppich.» Neben diesem Ansatz kommt für von Andrian auch eine zweite mögliche Unfallursache infrage: «Ein Problem bei der Zugkomposition selbst, insbesondere am Fahrwerk.»

Wie Sust-Bereichsleiter Christoph Kupper am Donnerstagmittag gegenüber der Schweizerischen Depeschenagentur sagte, liefen die Ermittlungen in verschiedene Richtungen. Derzeit sei noch «alles offen», so Kupper weiter.

Weitere Eindrücke von den Bauarbeiten am Bahnhof Luzern:

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1 Kommentar
  • Profilfoto von M. Moser
    M. Moser, 25.03.2017, 15:04 Uhr

    Als ehemaliger Bahnangestellter mit Dienstort Luzern kenne ich diese Weiche. Sie war damals schon ein «Sorgenkind». Uns wurde diese Weiche schon in der sogenannten Einführung als Herzstück des Luzerner Bahnhofs angepriesen. Was viele nicht wissen, diese Weichen unterliegen einer regelmässigen Kontrolle. Sollte also die Weiche eine Fehlfunktion gehabt haben kann man sicherlich davon ausgehen, dass nicht Unterhaltsmängel die Ursache waren. Ebenso kann ein defekter Spurkranz die Ursache gewesen sein. Aber sicher werden die Untersuchungen des Unfalles durch die SUST Klarheit über die Ursache dieser Entgleisung geben. Warten wir also ab bevor wir mit dem Schwarzpeter-Spiel der Schuldzuweisung beginnen.

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