Neues Zuger Altstadtreglement

«Das ist kein organisiertes Schlafquartier»

Die Belebung der Altstadt wird für die Stadt Zug zum Streitpunkt. (Bild: wia)

Die Zuger Altstadt soll nicht einschlafen. Im Gegenteil: Sie soll belebt werden. Das schreibt die Bau- und Planungskommission, welche am Montag die revidierte Vorlage zum bestehenden Altstadtreglement veröffentlicht hat. Der Stadtrat möchte die Umsetzung der Vorlage jedoch mit einem «Marschhalt» abbremsen. Ob der Stadtrat damit bei den Fraktionen durchkommt, darf jedoch bezweifelt werden.

Das neue Altstadtreglement liegt vor. Dies, nachdem die Bau- und Planungskommission (BPK) über eineinhalb Jahre an dieser revidierten Vorlage des bestehenden Reglements gearbeitet hat. Die nun veröffentlichte Vorlage soll das alte Reglement ablösen, welches seit den 70-er Jahren in Gebrauch ist.

Die Zugrichtung der neuen Fassung ist klar: Die Zuger Altstadt soll nicht einschlafen, sondern im Gegenteil belebt werden. So wird geschrieben, dass die Erdgeschossnutzung in der Altstadt mit wenigen Ausnahmen publikumsattraktiv sein soll. Auch hält die BPK fest, dass in der Altstadt auch weiterhin eine normale und liberale Nachtruheregelung gelten solle. Einige Altstadtbewohner sind jedoch gegen eine Neuerung des Reglements. Sie fürchten sich insbesondere vor Lärmemissionen (zentral+ berichtete).

Noch vor einem Jahr hat sich auch der Zuger Stadtrat für die Belebung ausgesprochen. Bauchef André Wicki kündete jedoch im Sommer dieses Jahres einen sogenannten «Marschhalt» an (zentral+ berichtete). Will heissen: Der SVP-Stadtrat beantragt dem Grossen Gemeinderat nächste Woche eine Denkpause, um das neue Reglement punkto Lärmbelastung noch einmal zu überprüfen. «Es ist dem Stadtrat ein Anliegen, mit den diversen Nachbarschaften innerhalb des Altstadt-Perimeters, welche alle den vorliegenden Reglementsentwurf ablehnen, Themen wie Belebung oder Nachtruhe nochmals in Ruhe zu diskutieren», sagt Wicki dazu.

BPK habe «alles richtig gemacht»

Die Kommission zeigte sich im Juli überhaupt nicht begeistert, als Wicki dem Grossen Gemeinderat einen «Marschhalt» vorankündigte. BPK-Präsident Urs Bertschi sagt dazu: «Die BPK ist dezidiert gegen einen solchen Marschhalt. Ein solcher ist unverhältnismässig. Im Reglement, das wir revidiert haben, geht es um viel Technisches, Bauliches. Nur in einem Punkt wird wirklich die Nutzung der Altstadt thematisiert. Ein Marschhalt hiesse, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Kritische Stimmen sind vom Stadtrat mit Argumenten zu überzeugen, nicht mit einem unangebrachten Marschhalt.»

Wicki stimmt dem Einwand zu, dass es in erster Linie um ein Baureglement gehe. «Baureglemente regeln jedoch auch die Nutzungsarten und deren Anordnung. Somit geht es in einem Paragrafen um die Nutzung der Erdgeschosse und folglich um den Charakter der Altstadt, beziehungsweise den Grad der öffentlichen, publikumsattraktiven Nutzung.»

Bertschi kann die Ängste und Vorbehalte der Altstadt-Bewohner nicht nachvollziehen: «Das ist kein organisiertes Schlafquartier. Wer in die Altstadt zieht, weiss, dass dort andere Verhältnisse bestehen als auf der grünen Wiese.» Grundsätzlich sei es richtig, dass der Stadtrat ein Ohr für berechtigte Anliegen der Bevölkerung habe. Aus diesem Grund habe die Stadt einen Vertreter der Altstadt in die Arbeitsgruppe eingebunden und damit «alles richtig gemacht». «Daher braucht der Stadtrat der Quartieropposition nun nicht zu hofieren. Bevor man einen parlamentarischen Prozess abwürgt, sollte man sich erst einmal mit der seriösen Arbeit der BPK auseinandersetzen», sagt Bertschi.

Wicki will gemeinsam mit dem Volk politisieren

Dem entgegnet Wicki: «In der Stadt Zug wird gemeinsam mit der Bevölkerung politisiert. Deren Anliegen sind ernst zu nehmen und müssen möglichst optimal eingebunden sein in den politischen Prozess.» Nachgelagerte Beschwerdeverfahren seien dabei wenig zielführend.

 

«Wenn in allen politischen Belangen konzentrierte Quartieropposition oberste Priorität geniesst, passiert in unserer Stadt nichts mehr.»

Urs Bertschi, SP-Fraktionspräsident und Präsident der Bau- und Planungskommission

 

Bertschi ist überzeugt, dass die 2.Lesung im GGR eine angemessene und auch hinreichende Plattform für Kritik und neue Vorschläge biete. «Hier können konkrete Anträge gestellt werden, über die dann der GGR zu befinden hat. Das letzte Wort haben dann so oder so die Stimmbürger.» Es ist eine gefährliche Diskussion, die wir führen. Wenn in allen politischen Belangen konzentrierte Quartieropposition oberste Priorität geniesst, passiert in unserer Stadt nichts mehr. Man knickt Ideen, bevor die ganze Stadt überhaupt etwas dazu sagen kann. Im Moment steckt das Altstadtreglement in einem ordentlichen parlamentarischen Prozess, den es trotz Quartierkritik zu Ende zu gehen gilt.»

Fraktionen sind eher gegen einen Marschhalt

Die Gemeinderats-Fraktionen haben teilweise bereits entschieden, wie sie mit dem vorgeschlagenen Marschhalt umgehen wollen.

Die Stadtzuger SP-Fraktion beispielsweise spricht sich einstimmig dagegen aus und auch die SVP ist gegen einen solchen Boxenstopp. SVP-Fraktionschef Manfred Pircher sagt: «Wir können nicht einfach einen Hofknicks machen, weil sich ein paar Leute in der Altstadt wehren. Es kann nicht sein, dass plötzlich das Quartier selber sein Reglement aufstellt.» Pircher ist selber Mitglied der BPK und findet: «Wir haben gut gearbeitet.»

«Der Stadtrat hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Im Gegensatz zur BPK.»

Hugo Halter, CVP-Fraktionschef der Stadt Zug

Derselben Meinung ist auch der Fraktionschef der Alternativen, Stefan Hodel. Und obwohl seine Partei noch nicht darüber beschlossen habe, sagt er: «Wir sind dagegen, dass wieder von vorne angefangen werden soll.»

Die CVP ist sich uneinig

Auch CVP-Fraktionschef Hugo Halter ist der Ansicht, dass die BPK ihre Hausaufgaben gemacht habe. «Der Stadtrat eher nicht», fügt er bei. «Die BPK hat viel Zeit investiert, um ein gutes Reglement aufzustellen, da wäre es meines Erachtens fragwürdig, wenn wir einen Marschhalt einlegen würden.» Trotzdem herrscht in der CVP keine Einigkeit darüber, ob man auf einen Marschhalt eintreten will oder nicht. Insbesondere CVP-Ratsmitglied Martin Eisenring, der selber in der Altstadt wohnt, setzt sich dafür ein, dass der Stadtrat das Geschäft nochmals überdenkt.

Auch FDP-Mitglied Daniel Blank kann noch keine Aussage dazu machen, wie seine Partei abstimmen wird. Blank, der ebenfalls Mitglied der BPK ist, sagt: «Grundsätzlich gibt es vorgegebene politische Abläufe, also nach der ersten Lesung die Möglichkeit, Anträge zu stellen. Das wäre eigentlich der ordentliche Weg, wenn man eine Zeitausdehnung beabsichtigt.»

 

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