Vorwürfe an Hotelinvestor Kirill Androsov

Eigentümer des Luzerner Gütsch: Wie viel Putin-Nähe ist erlaubt?

Benno P. Hafner, Verwaltungsratspräsident der Château Gütsch AG (links), Eigentümer Kirill Androsov und Direktor Andreas Gartmann (Bild: Markus Mathis)

Stolz thront das Château Gütsch über Luzern. Doch nun ziehen dunkle Wolken auf, denn dessen Besitzer wird Putin-Nähe unterstellt. Investor Kirill Androsov steht allerdings auf keiner Sanktionsliste. Er selbst versteht sich als Geldgeber für Wagniskapital und hat in dieser Eigenschaft 2020 den Kreml beraten.

217 Personen und 18 Unternehmen standen am 8. April auf der Sanktionsliste der EU. Die USA unterhalten wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukrainie eine andere Liste, Grossbritannien wieder eine andere. Mit jeder Eskalation, jedem Massaker, jeder Monstrosität steigt der Druck, zusätzliche Politiker oder Geschäftsleute auf diese Liste zu setzen (bei Unternehmen ist die Hemmschwelle wesentlich höher).

Dazu brauchen die Sanktionierer aber jeweils eine nachvollziehbare Erklärung. Was etwa dazu führt, dass Putins mutmassliche Geliebte Alina Kabajewa, die sich gemäss Gerüchten im Tessin aufhalten soll, auf keiner Sanktionsliste erscheint. Weil die steinreiche Ex-Sportlerin eben nur seine mutmassliche Geliebte ist.

Grund zur Nervosität haben indes russische Geschäftsleute, die im Westen tätig sind, aber früher im öffentlichen Sektor Russlands arbeiteten – und daraus nie einen Hehl machten. Wie Kirill Androsov, Eigentümer des Schlosshotels Gütsch in Luzern.

Androsov macht kein Geheimnis aus seiner Biografie

Als er sich im vergangenen Juli zusammen mit seinen Vertrauten den lokalen Medien vorstellte, liess der heute 50-Jährige seinen Lebenslauf an die Journalisten verteilen. Darin stand unter anderem, dass er fürs russische Handelsministerium gearbeitet hatte und von 2008 bis 2012 stellvertretender Stabschef des russischen Ministerpräsidenten war - das war damals Wladimir Putin. Danach fungierte er als Verwaltungsratspräsident der Fluggesellschaft Aeroflot und der russischen Staatsbahn (zentralplus berichtete). Seit 2017 ist er privater Investor in Singapur. Wichtige Firmenvehikel unterhält er dort oder in Luxemburg.

Androsov liess nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine durch seinen Anwalt Benno P. Hafner wiederholt ausrichten, dass er sich «in aller Form von allen kriegerischen Ereignissen in der Ukraine» distanziere (zentralplus berichtete). Hafner, der als Verwaltungsratspräsident der Château Gütsch AG amtet, stellte klar, dass das Hotel als schweizerisches Unternehmen gelte und Androsov kein Oligarch, sondern ein internationaler Investor sei, gegen den keinerlei Einreisebeschränkungen bestünden.

Dennoch sind seit Ausbruch des Kriegs mehrere Medienbeiträge erschienen, die Androsovs Verbindungen mit dem russischen Staat – aber auch seine Geschäfte – kritisch unter die Lupe nehmen.

Tätigkeit für Rosneft oder VTB

Angemerkt wird unter anderem, dass er in seiner Zeit beim Staat auch im Vorstand von wichtigen staatlichen Konzernen wie Rosneft, Zarubezhneft oder VTB sass. Solche Unternehmen aus der Rohstoff- und der Finanzbranche halfen mit, die Kriegskasse des Kremls zu äufnen.

Dann war Androsov Verwaltungsratspräsident der Staatsbahn und der Fluggesellschaft Aeroflot. Mit der Eisenbahn verschiebt die russische Armee ihr schweres militärisches Gerät. Das war schon 2014 bei der Krim-Krise und beim Ausbruch des Donbas-Konflikts so, als Androsov in der strategischen Verantwortung stand. Aeroflot stellte über ihre Billigflugtochter Pobeda (russisch für «Sieg») ab 2014 die Flugverbindungen auf die völkerrechtswidrig annektierte Krim sicher. Androsovs Nachfolger bei der Bahn und der Fluglinie stehen mittlerweile alle auf den Sanktionslisten.

Offenherziger als die Oligarchen

Bei seinem Auftritt in Luzern 2021 machte Androsov einen offenen und auskunftsfreudigen Eindruck. Nüchtern, ein wenig spröde vielleicht, aber nicht unsympathisch. Seine Offenheit unterscheidet ihn von anderen russischen Exponenten, etwa dem «Luzerner Oligarchen» Sulejman Kerimov, der noch nie ein Wort mit einem Medienvertreter gewechselt hat. So hat Androsov auch schon Dinge gesagt, die nun gegen ihn ausgelegt werden.

Die «Australian Financial Review» hat in einem Artikel jüngst ein Interview ausgegraben, das Androsov der «Australian Broadcasting Corporation» gegeben hatte. Dort wurde er gefragt, wie die Zusammenarbeit mit Putin gewesen sei. Androsov antwortete, dieser sei «ein Anführer, der sagt, was er will. Das ist sehr hilfreich.» («He is a staightforward leader. This helps a lot.»)

Darstellung im Internet aufgehübscht

Die «Australian Financial Review» thematisierte Androsovs Beziehungen zu anderen russischen Geschäftsleuten, etwa sein angeblich freundschaftliches Verhältnis zu Herman Gref. Der war früher ein Wirtschaftsliberaler, und riskierte manchmal einen frechen Spruch. Mittlerweile gehört er als CEO der staatlich kontrollierten Sberbank, der grössten Finanzeinrichtung Russlands, fest zu Putins Kriegs-Kosmos.

Thema des besagten Artikels der Australier waren aber eigentlich die Pandora Papers. Das sind geleakte Dokumente, die zeigen, wie Staatsführer, Geschäftsleute oder Berühmtheiten aus aller Welt das Bezahlen von Steuern vermeiden, indem sie ihr Geld durch komplizierten Firmenstrukturen in Offshore-Steuerparadiesen verstecken. Das ist moralisch problematisch, aber rechtlich oftmals zulässig. Auch Androsov benützt mitunter Offshore-Konstrukte und hat offenbar nach der Veröffentlichung der Pandora Papers eine Genfer Firma damit beauftragt, die Darstellung seiner Person im Internet zu schönen.

Steuerfragen haben indes nichts mit der konkreten Finanzierung des Kriegs zu tun. Für Aufsehen sorgte ein Artikel in der jüngsten Ausgabe des Luzerner Kulturmagazins «041». Dieser enthüllte, dass Kirill Androsov am Mai 2020 in Moskau an einem Treffen teilgenommen hat, bei dem Investoren den mittlerweile als Kriegsverbrecher bezeichneten russischen Präsidenten Wladimir Putin beraten haben. Ein Foto, das der Kreml dazu veröffentlichte, zeigt Androsov am selben Tisch mit Putin. Ist er doch noch beratend für Putin tätig?

Spezialist für Wagnis-Kapital

Androsovs Anwalt sagt auf Anfrage von zentralplus: Seit dem Ausscheiden aus der Administration sei Androsov «weder Beamter noch wichtiger Berater des Kremls». Androsov selbst sagt, er habe an dem Treffen teilgenommen. Es sei ein Treffen von Wagniskapital-Investoren gewesen. Dass er dazu eingeladen gewesen sei, unterstreiche seine Stellung als bekannter Wagniskapital-Investor. Er zählt darauf einige Funds auf, mit denen er in hoffnungsvolle Projekte investiert. In der Tat ist Androsov in der Vergangenheit auch beim Wirtschaftsforum in Davos (WEF) in dieser Eigenschaft aufgetreten.

Androsov sagt, Gegenstand des Treffens sei die Frage gewesen, was die russische Regierung tun könne, um Wagniskapital-Investitionen im eigenen Land zu fördern und das Fortkommen von jungen IT-Unternehmern zu verbessern. «Es macht Sinn, dies mit international erfahrenen Wagniskapitalgebern zu diskutieren, die lokal verankert sind.»

Wie Putin-nah ist Androsov wirklich? Dass er immer noch geschäftliche Verbindungen mit Russland hat, erzählte er im vergangenen Sommer selber, auch wenn er sich als international tätigen Geschäftsmann sieht.

Musterschüler mit schneller Karriere

Eine russischsprachige Gewährsperson, die sich auf Bitte von zentralplus Androsovs Biografie angesehen hatte, sagte: «Ich habe den Eindruck, er ist ein Musterschüler.» Es sei augenfällig, wie schnell er Karriere gemacht habe. Allerdings habe er auch immer versucht, sich aus Problemen herauszuhalten.

Aufgewachsen ist er im hohen Norden, in Murmansk. Seine Familie gehörte nicht zum Establishment, aber Androsov war talentiert. Er studierte in St. Petersburg und machte seinen Master in Chicago. Erste Berufserfahrung als Investment-Banker sammelte er in einer Finanz-Boutique in Finnland. Dann stieg er beim Energieversorger Lenergo in St. Petersburg ein, der den ganzen Nordwesten des Landes versorgt. Dort war er mit Finanz- und Investment-Fragen beschäftigt. So erklärt sich wohl, dass er via öffentlichem Sektor zu seinem Engagement in Infrastrukturunternehmen gekommen ist.

Vertrauen und persönliche Loyalität

Ein Gewährsmann, der mit der Welt der Schweizer Wirtschaftskanzleien vertraut ist, sagte zentralplus, dass russische Geschäftsleute als zuverlässig gälten, Termine und Vereinbarungen immer einhielten. Basis der Geschäftsbeziehungen sei das Vertrauen, gefragt sei persönliche Loyalität. Indes gilt das Paradox, dass der russische Staat selber korrupt ist, in der Rangliste von Transparency International ist er sogar schon hinter die Ukraine zurückgefallen.

Leute, die Geschäfte in Russland tätigen, sind also mehr als in anderen Weltgegenden auf Verbindungen angewiesen. Sie brauchen Freunde, die sie beim Lösen von Problemen unterstützen können. Und hier hilft eine vorübergehende Tätigkeit im öffentlichen Sektor. Abgesehen davon braucht man als Investor Zugang zu Fremdkapital. Und wenn man wie Androsov nicht aus reichem Haus stammt, sind auch hier wieder die richtigen Beziehungen von Nutzen.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Peter P. Odermatt
    Peter P. Odermatt, 16.03.2024, 20:18 Uhr

    Der Mann ist doch klar liiert mit Putin. Naheliegend, dass er es abstreitet – niemand glaubt ihm das, rascher als gedacht kommt er auf die schwarze Liste.

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  • Profilfoto von Remo
    Remo, 13.04.2022, 20:57 Uhr

    Geld stinkt nicht. Das hat in der Schweiz eine lange Tradition.

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  • Profilfoto von Michel von der Schwand
    Michel von der Schwand, 13.04.2022, 09:07 Uhr

    Die UBS hat der Stadt damals doch ein Angebot gemacht. Da war es denjenigen zu teuer, welche jetzt auf den Sanktionsschnellzug aufgesprungen sind. Es war schon immer das Los des Proletariats sich zwischen Pest und Cholera entscheiden zu müssen.

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