Zug schafft ein umfassenderes Bedrohungsmanagement

Wegen Corona: Mehr Drohungen gegenüber der Verwaltung

20 bis 30 Leute werden in Zug derzeit von der Polizei aufgrund von gefährdendem Verhalten beobachtet. (Bild: zvg Adobe Stock)

Wer sich bedrohlich gegenüber den Behörden gebärdet, gerät in den Fokus der Fachstelle Gewaltschutz. Der Zuger Sicherheitsdirektor Beat Villiger (Die Mitte) zieht nach zweieinhalb Jahren ein positives Zwischenfazit. Die Fachstelle will zudem das Bedrohungsmanagement weiter stärken.

Ein Verbrechen sehen, bevor es passiert: Um dieser schwierigen Aufgabe nachzukommen, wurde im Kanton Zug 2019 die Fachstelle Gewaltschutz ins Leben gerufen. Diese ist bei der Zuger Polizei angesiedelt. Diese «schlanke Form» eines Bedrohungsmanagements sollte einen verstärkten Gewaltschutz und einen erleichterten Informationsaustausch unter den Behörden ermöglichen.

Doch wie kommen potenzielle Gefährder überhaupt ins Visier der Polizei? Ganz einfach: Behörden und Dienststellen, die für den Kanton oder die Gemeinden handeln, sind berechtigt, Bedrohungsmeldungen an die Polizei zu machen.

«Die Datenbank ist geschützt und für das restliche Korps nicht einsehbar.»

Beat Villiger, Zuger Regierungsrat

Was dort passiert, erklärt Sicherheitsdirektor Beat Villiger: «Die Fachstelle Gewaltschutz der Zuger Polizei bearbeitet im Rahmen von Monitorings individuelle Personendaten gemäss Polizeigesetz. Diese Datenbank ist geschützt und für das restliche Korps nicht einsehbar.»

Gefährder werden direkt angesprochen

Wird ein Monitoring eröffnet, wird das der betroffenen Person in einer sogenannten Präventivansprache mitgeteilt. Zu wissen, dass das Verhalten der Polizei bekannt ist, soll laut Villiger deeskalierend wirken.

Der Kanton Zug führe jedoch keine sogenannte «Gefährderliste», betont er. Und es würden auch keine Personen überwacht. Was bei einem Monitoring genau gemacht wird, bleibt aus den Antworten Villigers unklar. Was er sagt: «Die Fachstelle Gewaltschutz bearbeitet die eingehenden Fälle inklusive Monitoring, bis die Beurteilung der jeweiligen Verbindungen zum persönlichen Umfeld einen Abschluss des einzelnen Falls zulässt.» Dies könne von einer einmaligen Beratung bis zu einem mehrmonatigen Monitoring reichen.

Ziel: problematisches Verhalten früh erkennen

Das Bedrohungsmanagement sei vielmehr eine Methode, um Verhaltensweisen, die zu einem schweren Gewaltdelikt führen könnten, zu erkennen. Und sie richtig einzuschätzen und, falls Gefahr drohe, geeignet deeskalieren zu können.

Vor einigen Jahren sprach Sicherheitsdirektor Beat Villiger von zehn Personen, die einem «Monitoring» unterstünden. Mittlerweile bewege sich die Zahl zwischen 20 und 30.

Als Gefährder gelten gemeinhin unter anderem Querulanten oder mögliche Terroristinnen. Aber auch Personen, die häusliche Gewalt anwenden, können auf den Listen landen. Auf die Frage, wer in Zug «gemonitort» wird, will man beim Kanton nicht genauer eingehen.

Zugs Sicherheitsdirektor Beat Villiger. (Bild: woz)

Mehr Gefährdungsmeldungen während der Pandemie

«Es wird generell eingeschätzt, ob sich eine Person an der Handlungsschwelle zu einem schweren Gewaltdelikt befindet», so Villiger. Ziel sei, Gewalttaten zu verhindern, unabhängig davon, was für ein Motiv dahinterstecke oder gegen wen sich die Gewalt richte.    

Dazu, warum sich die Zahl der Gefährder in den letzten Jahren vervielfacht hat, äussert sich der Regierungsrat wie folgt: «Dies einerseits aufgrund der stets wachsenden Vernetzung der Fachstelle bei den Behörden, andererseits aber auch aufgrund der gesellschaftlichen Ereignisse in den letzten beiden Jahren.»

So seien während der Pandemie vermehrt Personen mit Drohungen gegen Behörden in Erscheinung getreten als zuvor oder nun danach.

Die Ombudsstelle spürt eine starke Zunahme

Zu spüren bekommen hat diese Veränderung auch Bernadette Zürcher, die Zuger Ombudsfrau: «Wir hatten so viele Beschwerdefälle wie noch nie. Die Leute sind aktuell, sowohl aufgrund der Pandemie als auch wegen des Ukrainekriegs, verunsichert.»

«Es ist für mich schwierig zu beurteilen, ob eine Person gefährlich ist oder nicht.»

Bernadette Zürcher, Zuger Ombudsfrau

Wenn man sowieso schon emotional belastet sei, könne diese zusätzliche Verunsicherung das Fass zum Überlaufen bringen. Sie relativiert sogleich: «Es ist für mich jedoch schwierig zu beurteilen, ob eine Person gefährlich ist oder nicht. Dies primär, weil ich nicht die Person bin, gegen die sich das Unverständnis oder die Wut richtet.»

Deeskalation durch Klartext

Häufig kann die Ombudsfrau deeskalieren: «Etwa, wenn ich den Personen den Hintergrund einer Sachlage erkläre oder wo sie in den Verwaltungsabläufen stehen. Auch hilft es manchmal, wenn sie merken, welche Rechte sie haben, respektive wie sie sich wehren können.»

Handkehrum müsse sie Klientinnen auch darauf hinweisen, welche Pflichten sie akzeptieren müssen. «Weil wir eine unabhängige Stelle sind, kann dies eher akzeptiert werden.»

«Aktuell ist es offenbar fast unmöglich, einen Termin für eine psychologische Beratung zu erhalten.»

Bernadette Zürcher, Zuger Ombudsfrau

Ein Problem beschäftigt die Ombudsfrau derzeit besonders: Ratsuchenden, die – etwa aufgrund von Kesb-Streitigkeiten – emotional stark belastet seien, rät Zürcher jeweils zu psychologischer Hilfe. «Doch aktuell ist es offenbar fast unmöglich, einen Termin für eine psychologische Beratung zu erhalten. Psychologen und Psychiater haben oft keine Kapazitäten mehr frei.»

Eine Gefährdungsmeldung musste sie noch nie machen

Kommt es vor, dass Zürcher selbst Gefährdungsmeldungen bei der Polizei machen muss? «Bis jetzt war ich noch nie in dieser Situation.» Grundsätzlich sei sie diesbezüglich sehr zurückhaltend.

«Bei uns herrscht ein Setting des Vertrauens. Da wäre es besonders schwierig, wenn jemand von der Ombudsstelle eine Gefährdungsmeldung einreichen würde.» Untätig bleibe sie bei besorgniserregenden Fällen jedoch nicht. «Dann nehme ich Kontakt mit der entsprechenden Behörde auf und frage diese, ob bereits eine Meldung vorliegt oder ob eine zur Debatte steht.»

Drohendes Verhalten wird direkt angesprochen

In solchen Fällen sei Zürcher gegenüber den Klienten transparent: «Äussert sich jemand bedrohlich, thematisiere ich das: ‹Ihr Verhalten hat etwas Drohendes. Haben Sie sich überlegt, was dieses Verhalten beim Vis-à-vis auslöst und dass dies zu einer Gefährdungsmeldung führen könnte?›»

«Man darf nicht überborden, aber soll auch nichts Relevantes ignorieren.»

Beat Villiger

Oft komme das gut an und wirke gar deeskalierend. «Häufig schauen mich die Leute entgeistert an, da sie selber gar nicht realisiert haben, wie sie wirken.»

Eine «gute und wichtige Investition»

Wie die Zahlen der Fachstelle Gewaltschutz zeigen, schaffen es nicht alle wütenden Bürgerinnen, sich im Griff zu haben. Beat Villiger spricht von einer guten und wichtigen Investition, die man 2019 getätigt habe. Die Stelle habe sich innerhalb der Zuger Polizei wie auch bei anderen Amtsstellen fachlich etablieren können.

«Mit der Einführung der Fachstelle konnten interne Prozesse vereinfacht werden. Gleichzeitig steigt der Bedarf anderer Behörden und Unternehmen an Beratung im Umgang mit schwierigen Persönlichkeiten.» Im Rahmen von Präventivansprachen hätten mehrere Personen ermahnt und auf Folgen von Gewalthandlungen sensibilisiert werden können.

Wie viele Gewalttaten man so vorab habe «abfangen» können, lasse sich jedoch schwer sagen. «Präventive Tätigkeiten lassen sich nicht statistisch erfassen. Für die Zuger Polizei ist aber unbestritten, dass kritische Situationen nachhaltig entschärft und regelmässige, sich wiederholende Interventionen bei den gleichen Personen minimiert werden konnten», sagt der Regierungsrat.

Beim Status Quo soll es übrigens nicht bleiben. So soll noch dieses Jahr ein umfangreicheres Bedrohungsmanagement analog der Kantone Zürich und Solothurn entwickelt werden.

Dazu Villiger: «Im Kontakt mit möglichen Bedrohungen braucht es professionelles Know-how, damit sie richtig eingeschätzt und adäquate Massnahmen getroffen werden können.» Über allem stehe dabei die Verhältnismässigkeit. «Man darf nicht überborden, aber soll auch nichts Relevantes ignorieren oder zu spät erkennen.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 04.07.2022, 15:24 Uhr

    Ich heisse die Gewalt nicht gut, aber seid bitte präzis, nicht Corona ist die Ursache, sondern diese völlig masslosen unnötigen und schädlichen Massnahmen und die Politiker, die auf die PR-Abteilungen der Pharma rein gefallen sind, statt zu recherchieren und nicht jeder, der anderer Meinung ist, ist ein Gefährder, wir leben ja noch nicht in Nordkorea oder China!

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  • Profilfoto von Hans Flüe
    Hans Flüe, 04.07.2022, 07:08 Uhr

    Unglaublich, ich bin schockiert.

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