Wie hält es Luzern mit der Medienpolitik? Gar nicht!
Die lokale Zeitung kommt künftig teils aus dem Aargau, Kompetenzen wandern vom Medienplatz Luzern ab, die No-Billag-Initiative gefährdet das lokale Fernsehen – und die Luzerner Regierung schweigt. Im Gegensatz zu anderen Regionen scheinen die Sorgen hier noch nicht bei den Verantwortlichen angekommen zu sein.
In der Luzerner Medienlandschaft bleibt kein Stein auf dem anderen – und was tut die Luzerner Regierung? Sie schweigt. So kann man die Situation etwas vereinfacht beschreiben.
Es ist erst gut ein Jahr her, seit die «Luzerner Zeitung» und das «St.Galler Tagblatt», beide im Besitz der NZZ, zusammenrückten. Sie glichen sich im Layout an, tauschen Artikel aus, haben gemeinsame Ressorts und einen gemeinsamen Chefredaktor. Seit Herbst 2016 werden die Blätter und ihre Regionalausgaben von Zürich aus gesteuert. Die Regierung hat dazu geschwiegen.
Diesen Dezember der nächste Hammer: Nun werden die NZZ-Regionalblätter mit jenen der AZ-Medien fusioniert. Noch mehr Kompetenzen und Eigenständigkeit wandern aus der Region Richtung Zürich und Aargau ab. Die Luzerner Regierung, sie schweigt.
Die Ostschweizer tun’s
Dazu ein Blick in die Ostschweiz, die gleich stark betroffen ist. Dort hat die St. Galler Kantonsregierung noch am gleichen Tag, als NZZ und AZ ihr Joint Venture ankündigten, die Entwicklung bedauert und die «zentrale Bedeutung einer starken und gut funktionierenden Medienlandschaft für die Ostschweiz» betont.
Die Sorge aus der Ostschweiz teilt man offenbar in der Zentralschweiz nicht.
Das ist nicht alles, die Regierung ist aktiv geworden und hat im Herbst (also noch vor dem Joint Venture) Medienprofessor Ottfried Jarren und den Verwaltungsrat des «Tagblatt» zu einer Klausur eingeladen, wie die «Schweiz am Wochenende» kürzlich schrieb. Zudem hat die Regierung Jarren mit einer politisch-rechtlichen Auslegeordnung der Mediensituation beauftragt und erwägt gar eine aktive Medienförderungspolitik.
Die Sorge aus der Ostschweiz teilt man offenbar in der Zentralschweiz nicht. Zum Beispiel, dass über Bundespolitik nicht mehr aus der regionalen Optik, sondern aus Sicht einer fusionierten Mantelredaktion berichtet wird, die gleichermassen das Mittelland, die Zentralschweiz, Zürcher Regionen und die Ostschweiz beliefern soll.
Verstecken hinter Vorstössen
Die Luzerner Regierung schweigt – und das ist zumindest formell ihr gutes Recht: Auf einen detaillierten Fragekatalog von zentralplus (siehe Box) schreibt die Kommunikationsabteilung zwar, dass sich der Regierungsrat derzeit mit der Entwicklung des Medienplatzes befasse. Trotzdem könne er sich weder zur Entwicklung des Luzerner Medienplatzes noch zu ihrer Haltung bezüglich No Billag äussern. Grund: Zu beiden Geschäften sind Vorstösse hängig.
Wenn die Regierung wollte, könnte sie sich durchaus zum Joint Venture äussern, ihre Sorge ausdrücken, die Entwicklung bedauern.
Zum einen sorgt sich CVP-Kantonsrat Daniel Piazza um die regionale Verankerung und den abnehmenden Bezug zur Region der «Luzerner Zeitung» (zentralplus berichtete). Zum anderen will der Grüne Politiker Hans Stutz wissen, welche Konsequenzen «No Billag» für die Luzerner Medienlandschaft hat. Denn immerhin wären mit Tele 1 und Radio 3fach zwei Sender durch die wegfallende Gebühr in ihrer Existenz bedroht.
Was man von einer Regierung erwartet
Formell ist das Vorgehen also korrekt. Trotzdem ist es eine Ausrede, es bleibt das Gefühl, dass sich die Regierung um eine klare Haltung drückt und sich hinter den Vorstössen versteckt. Denn die Anfrage von Daniel Piazza wurde eingereicht, bevor NZZ und «Aargauer Zeitung» bekanntgaben, ihre Regionalzeitungen zusammenzulegen.
Wenn die Regierung also wollte, könnte sie sich durchaus zum Joint Venture äussern, ihre Sorge ausdrücken, die Entwicklung bedauern – etwa, dass die Chefs der LZ-Blätter künftig im Aargau sitzen. Sie könnte ein Statement setzen, dass es ihr nicht gleichgültig ist, wie die Zentralschweiz künftig über die Entwicklungen in Bundesbern journalistisch informiert wird. Und neuen Medien könnte der Regierungsrat seine Unterstützung oder zumindest Sympathie ausdrücken. Was man von seiner Regierung halt so erwartet als besorgter Bürger.
No-Billag-Debatte läuft jetzt
Die No-Billag-Abstimmung ist zwar erst im März, also kann die Antwort und Haltung des Regierungsrates durchaus noch warten – theoretisch zumindest. Aber die Meinungen werden jetzt gemacht, das sieht man in anderen Regionen. Immer mehr Kantonsregierungen geben eine Abstimmungsempfehlung ab: die Konferenz der Kantonsregierungen, die welschen Kantone inklusive Bern, die Kantone Schaffhausen, St.Gallen, beide Appenzell, Basel-Stadt, Tessin, Graubünden, Thurgau …
Es sollte auch der Luzerner Regierung nicht egal sein, wenn Tele 1 (das auch zu LZ Medien und damit zur NZZ gehört) und das Jugendradio 3fach in ihrer Existenz gefährdet sind und die Medienlandschaft noch mehr auszutrocknen droht.
Wissen wir im Januar mehr?
Übrigens, das letzte Mal, dass die Luzerner Regierung medienpolitisch Stellung bezog, war 2009: Damals ging es um die Konzessionsvergabe der regionalen TV- und Radiosender. In der Zentralschweiz ging diese bekanntlich an «Tele 1» auf Kosten des bisherigen «Tele Tell» (AZ Medien).
AZ Medien hat damals beim Bundesveraltungsgericht Beschwerde eingereicht, und auch die Luzerner Regierung hätte eine Konzession an Tele Tell favorisiert. Ein Vorstoss aus dem Kantonsrat wollte die Regierung dazu bewegen, beim Bund vorstellig zu werden in dieser Sache.
Vergebens, auch damals machte sich die Regierung nicht für die lokalen Meiden stark: «Staatliche Eingriffe in die Medienlandschaft des Kantons sind in diesem Kontext nicht sinnvoll», schrieb die Regierung damals, die Anbieter- und Meinungsvielfalt seien nicht gefährdet.
Wie die Luzerner Regierung fast zehn Jahre später die medienpolitische Entwicklung beurteilt, werden wir frühestens auf die nächste Kantonsratssession hin Ende Januar wissen, wenn er die beiden hängigen Vorstösse beantworten wird.
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