Kanton braucht 3'500 Plätze für Flüchtlinge

Ukraine-Krieg: Kantonsrat stockt Luzerner Spende auf

Der Kanton Luzern hat beim Inseli eine Anlaufstelle für ukrainische Flüchtlinge geschaffen. (Bild: mik/zvg)

Der Ukraine-Krieg lässt den Kanton Luzern nicht kalt. Das Parlament hat am Dienstag beschlossen, mindestens einen Franken pro Einwohner zu spenden. Die Unterbringung von Flüchtlingen wird ein Kraftakt. Die Regierung rechnet damit, dass bis Ende Jahr bis zu 15’000 Menschen hierher flüchten.

«Das Leid lässt sich kaum in Worte fassen», sagt Guido Roos (Mitte) am Dienstagvormittag im Luzerner Kantonsrat. «Die Bilder aus der Ukraine machten betroffen und hilflos», sagt Riccarda Schaller (GLP). Von herzzerreissenden Schicksalen spricht Jörg Meyer (SP). Und Urban Frye, in dessen Music Box mehrere ukrainische Studentinnen leben, sagt sichtlich bewegt: «Einige versperren sich der Realität. Andere reden gar nicht. Und manche reden, und was sie sagen, ist kaum auszuhalten.»

Die Betroffenheit war im Luzerner Kantonsrat am Dienstag deutlich zu spüren. Der Ukraine-Krieg bewegt die Gesellschaft im Kanton Luzern ebenso wie die Politik. Mehrere dringliche Vorstösse zum Thema hatte das Parlament zu beraten.

Anlaufstelle auf dem Inseli eingerichtet

Das Staatssekretariat für Migration rechnet aktuell mit täglich rund 650 Flüchtlingen, die in der Schweiz ankommen. Der Kanton Luzern erwartet pro Tag derzeit 30 bis 50 Menschen aus der Ukraine. «Wir brauchen bis im Sommer zirka 3’500 Plätze», sagte Gesundheits- und Sozialdirektor Guido Graf (Mitte). Das sei ein Kraftakt, aber zu bewältigen. Bis Ende Jahr könnten bis zu weitere 12’000 Menschen hier Zuflucht suchen.

Der Kanton Luzern hat letzte Woche die Notlage erklärt und eine Task-Force ins Leben gerufen. Bislang hat der Kanton rund 500 zusätzliche Betten in Grossunterkünften organisiert. 140 Menschen könnten in der Zivilschutzanlage Rönnimoos in Luzern untergebracht werden. Ebenso wird die Mehrzweckhalle Allmend mit maximal 300 Plätzen eingerichtet. Beide dienen nur der kurzzeitigen Unterbringung. Parallel dazu prüft der Kanton Optionen in Miethäusern oder bei Gastfamilien.

«Die Betroffenen wünschen sich Ruhe und Sicherheit sowie eine Kommunikation in die Ukraine.»

Guido Graf, Regierungsrat

Gemäss Regierungsrat erhält der Kanton zurzeit viele Angebote von Privaten, die Flüchtlinge aufnehmen würden (zentralplus berichtete). Die Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen sammle alle Wohnangebote im Kanton Luzern und führe eine entsprechende Liste.

Zudem hat er auf dem Inseli einen sogenannten «First Contact Point» eingerichtet. Dort empfangen Mitarbeitende der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen (DAF) die Menschen, nehmen ihre Personalien auf und organisieren die Unterbringung sowie den Transport zu den Unterkünften.

Ukraine-Krieg: Kanton Luzern will Deutschkurse organisieren

Der Kantonsrat würdigte am Dienstag das grosse Engagement des Kantons und der Bevölkerung. Das sei wichtig, um die Geflüchteten möglichst schnell zu integrieren. Denn Betten allein, darin war man sich einig, reichen nicht, um die Krise zu bewältigen. «Die Betroffenen wünschen sich Ruhe und Sicherheit, sowie eine Kommunikation in die Ukraine», sagte Regierungsrat Guido Graf. «Das müssen wir jetzt sicherstellen.»

«Ein Franken pro Person beendet nicht den Krieg in der Ukraine, aber er hat eine ungeheure Symbolkraft.»

Anja Meier, SP

Eine Mehrheit stimmte folglich dem Postulat von Karin Stadelmann (Mitte) zu: Der Kanton soll Unterkünfte für Schutzsuchende systematisch erfassen und die freiwillige Betreuung von Flüchtlingsfamilien im Alltag stärker unterstützen und koordinieren.

Ebenso verlangt der Kantonsrat, dass die Integration von jungen Erwachsenen gefördert wird. «Machen wir uns nichts vor: Diese Menschen werden nicht übermorgen bereits zurückkehren können», sagte Jörg Meyer (SP), Urheber des überwiesenen Postulats. Dieser Ansicht ist auch Guido Graf, der davon ausgeht, dass viele Geflüchtete mehr als ein Jahr in der Schweiz bleiben. Der Kanton Luzern gleist derzeit die Organisation von Deutschkursen auf. Ebenso werden Brückenangebote oder der Zugang zur Integrationsvorlehre geprüft.

Mehr Geld wollte Luzerner Regierung nicht spenden

Auch finanziell engagiert sich der Kanton Luzern. Er hat 120’000 Franken gespendet. Zu wenig, findet die SP, und forderte einen Solidaritätsbeitrag von mindestens einem Franken pro Einwohner (zentralplus berichtete). «Ein Franken pro Person beendet nicht den Krieg in der Ukraine. Aber ein Franken pro Person hat eine ungeheure Symbolkraft», sagte Kantonsrätin Anja Meier. «Damit zeigt der Kanton Luzern Haltung und Herz.» 

Ihr Appell blieb nicht ungehört. Nebst der SP unterstützten auch die Fraktionen der Grünen/Jungen Grünen, Grünliberalen, FDP und Mitte die Forderung. Einzig die SVP war mit dem Regierungsrat einig, dass eine Aufstockung der finanziellen Hilfe momentan nicht der richtige Weg ist.

Die wesentliche Unterstützung für die kriegsbetroffene Bevölkerung leiste der Kanton nicht in Form von Spenden, sondern durch die Aufnahme von Flüchtlingen, argumentierten sie. Laut Finanzdirektor Reto Wyss wendet der Kanton für die Bewältigung der Krise mindestens eine siebenstellige Summe auf. Doch eine Mehrheit sah das anders und überwies das Postulat von Anja Meier deutlich.

Schutzstatus S

Mit dem erstmals aktivierten Schutzstatus S erhalten Flüchtlinge aus der Ukraine rasch und unbürokratischen Schutz in der Schweiz, ohne dass sie ein ordentliches Asylverfahren durchlaufen müssen. Der spezielle Status erlaubt es ihnen auch, ohne Wartefrist sofort arbeiten zu können. Auch der Familiennachzug ist möglich.

Kinder zwischen 4 und 16 Jahren können hier die Schule besuchen. Die Flüchtlinge aus der Ukraine sind zudem – analog zu Asylsuchenden – krankenversichert und erhalten auch die gleichen Existenzsicherungsleistungen. Weil der Schutzstatus S darauf ausgelegt ist, dass die Betroffenen wieder in ihre Heimat zurückkehren, zahlt der Bund indes keine Integrationsleistungen. Das Aufenthaltsrecht in der Schweiz ist auf ein Jahr befristet, kann aber verlängert werden.

Verwendete Quellen
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