Finanzdirektor nimmt Stellung zu Kritik

So verteidigt Reto Wyss die Luzerner Knausrigkeit

Regierungsrat und Finanzdirektor Reto Wyss. (Bild: zvg)

Eine Intervention bei den Luzerner National- und Ständeräten hat Reto Wyss (CVP) Kritik eingebracht. Im Interview nimmt der Luzerner Finanzdirektor Stellung zu den Vorwürfen – und sagt, wieso das Auszahlen der Unterstützungsgelder seine Zeit braucht.

Wer gilt in der Schweiz als Corona-Härtefall? Das war eine der Fragen, die der Nationalrat am Montag in einer stundenlangen Debatte zu beantworten hatte.

Das Resultat ist nicht entsprechend dem Willen der Luzerner Regierung ausgefallen: Der Nationalrat will nämlich auch Firmen unterstützen, die zwischen 25 und 40 Prozent Umsatz eingebüsst haben – bislang lag die Hürde bei 40 Prozent.

Dort soll sie auch bleiben, wenn es nach Reto Wyss geht. Der Luzerner Finanzdirektor und Regierungspräsident hatte sich im Vorfeld in einem Mail explizit dafür eingesetzt. Luzerner Politiker werfen ihm deshalb vor, den hiesigen KMU in den Rücken zu fallen (zentralplus berichtete).

zentralplus: Reto Wyss, viele Unternehmen hoffen in dieser Krise auf staatliche Unterstützung. Wieso wehren Sie sich gegen eine Senkung der Umsatzlimite für Härtefälle?

Reto Wyss: Die Luzerner Regierung hat sich im Rahmen der Anhörung gegenüber dem Bund Ende Januar für die Beibehaltung der Umsatzschwelle von 40 Prozent ausgesprochen. Das heisst nicht, dass wir uns wehren, sondern wir sind der Meinung, dass das nicht die geeignete Lösung ist für die Unternehmen. Aktuell setzen gemäss einer Umfrage lediglich zwei Kantone eine tiefere Umsatzgrenze als 40 Prozent ein.

zentralplus: Wieso ist das in Ihren Augen keine geeignete Lösung?

Wyss: Wir wollen pragmatische Lösungen, die ein rasches Handeln ermöglichen, um die Firmen in der Krise zu unterstützen, wenn sie am meisten auf Unterstützung angewiesen sind. Eine generelle Senkung des Umsatzlimits führt dazu, dass aufgrund der benötigten Kreditsumme eine Volksabstimmung nötig wäre. Dadurch würden die Auszahlungen verzögert. Jene Firmen, die von einem grossen Umsatzrückgang betroffen sind, könnten nicht mehr unterstützt werden, bis der Kredit von der Bevölkerung gesprochen würde. Ausserdem muss man bei einer Volksabstimmung auch immer in Betracht ziehen, dass sie abgelehnt werden könnte.

«Jedes Unternehmen muss unabhängig von Corona mit einer gewissen Umsatzeinbusse umgehen können.»

zentralplus: Das klingt, als müsste man diejenigen Firmen opfern, die einen weniger grossen Umsatzrückgang erlitten haben, damit die stärker betroffenen Geld erhalten.

Wyss: Jedes Unternehmen muss unabhängig von Corona mit einer gewissen – teilweise saisonal oder wetterbedingten – Umsatzeinbusse umgehen können. Der Regierungsrat ist in Übereinstimmung mit dem Bundesrat der Meinung, dass die heutige Regelung zumutbar ist. In Ausnahmefällen kann der Regierungsrat bei Unternehmen mit einer ausserordentlichen Bedeutung für den Kanton Luzern von der Umsatzschwelle abweichen.

zentralplus: Viele Firmen mussten im Corona-Jahr 2020 oft und mit teilweise grossem Aufwand auf politische Entscheide reagieren. Wenn die Luzerner Regierung nun mit ihrem Aufwand bei der Prüfung der Gesuche gegen eine Senkung der Umsatzlimite argumentiert, empfinden das Betroffene als Affront.

Wyss: Das geht nicht nur den Firmen so, sondern auch allen Kantonen. Mit jeder Änderung auf Bundesebene starten die Kantone wieder einen neuen Prozess. Die ständige Anpassung der Vorgaben für die Härtefälle führt dazu, dass es bei der Bearbeitung der Gesuche zu erheblichen Verzögerungen kommen wird. Firmen, die auf Unterstützung angewiesen sind, drängen auf eine rasche Bearbeitung ihrer Gesuche. Das führt zu einem Zielkonflikt.

zentralplus: Gibt es dafür keine konstruktivere Lösung?

Wyss: Wir sind in regelmässigem Austausch mit den Unternehmen und der Expertengruppe für die Prüfung der Anträge, um Gesuche so rasch wie möglich zu bearbeiten. Letztlich ist es aber für die Unternehmen von Vorteil, wenn wir sie genau prüfen. Oder nach dem Märzdekret – sollte das Parlament dem zustimmen – die bereits eingetroffenen Gesuche erneut beurteilen, weil die Unternehmen dann allenfalls von mehr A-fonds-perdu-Beiträgen profitieren können.

Zudem ist eine präzise Prüfung auch notwendig, um letztlich den «richtigen» Unternehmen das Geld zuzusprechen. Wie die Staatsanwaltschaft am Dienstag mitgeteilt hat, gibt es halt doch immer wieder Personen, die probieren, auf diesem Weg Geld zu erschleichen (zentralplus berichtete). Das müssen wir mit einer genauen Beurteilung vermeiden. Das dauert halt einige Zeit. Es steht aber auch fest: Wir haben bereits mehr als 19 Millionen Franken ausbezahlt und erhalten auch zahlreiche Dankesschreiben von Unternehmen.

zentralplus: Die Forderung nach einer Flexibilisierung des Umsatzlimits von 40 Prozent war Teil eines im Januar einstimmig überwiesenen Postulats im Luzerner Kantonsrat. Ist es angesichts dessen angebracht, dass sich der Regierungspräsident bei den Nationalräten dagegen starkmacht?

Wyss: Das Parlament hat die Regierung beauftragt, eine Senkung zu prüfen und Verbände miteinzubeziehen. Nachdem keine Mehrheit der Verbände und Branchenvertreter eine generelle Senkung gefordert hat, ist es legitim, diese Haltung zu vertreten.

zentralplus: Im Raum steht der Vorwurf, es sei nur ein Teil der Verbände angehört worden, eine richtige Diskussion habe nicht stattgefunden.

«Wir kennen die Situation der Wirtschaft und setzen alles daran – im Rahmen des Möglichen – diese zu unterstützen.»

Wyss: Es hat eine Anhörung stattgefunden mit Vertretern des KMU- und Gewerbeverbandes, der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz, des Gewerkschaftsbundes und verschiedener Branchen, beispielsweise Tourismus, Hotels, Schausteller, Zulieferer und Eventbranche.

Die Diskussion über die Senkung des Umsatzlimits hat zudem auch mit zwei parlamentarischen Kommissionen des Kantonsrats stattgefunden. Beide Kommissionen haben darauf verzichtet, auf kantonaler Ebene eine Senkung des Umsatzlimits zu beantragen.

zentralplus: Kritiker werfen der Luzerner Regierung vor, den KMU in den Rücken zu fallen und zu verkennen, wie dramatisch die wirtschaftliche Situation ist. Was sagen Sie dazu?

Wyss: Wir sind uns bewusst, dass es eine schwierige Situation ist. Für die einen Unternehmen schwieriger als für andere, je nach Branche, je nach Ausgangslage vor der Krise. Die Luzerner Regierung ist mit der Wirtschaft über Verbände und Gespräche und mit einzelnen Firmen in einem ständigen Austausch. Wir kennen darum die Situation der Wirtschaft und setzen alles daran, diese – im Rahmen des Möglichen – zu unterstützen. Es sei hier erwähnt, dass die Luzerner Wirtschaft von der öffentlichen Hand bereits mit rund 1,5 Milliarden Franken – in Form von Kurzarbeitsentschädigung, Covid-Krediten, Härtefallunterstützung usw. – unterstützt wird.

Auf Twitter reagiert Reto Wyss auf die Kritik des SP-Präsidenten David Roth:

zentralplus: Gibt es Schätzungen, wie viele Unternehmen im Kanton Luzern zusätzlich als Härtefälle gelten, wenn sich die Senkung auf 25 Prozent in Bundesbern definitiv durchsetzt? Welche zusätzliche Summe würde Ihrer Einschätzung nach nötig?

Wyss: Das können wir zum heutigen Zeitpunkt nicht beziffern. Zudem muss die Senkung zuerst noch beim Ständerat durchkommen.

zentralplus: Der Nationalrat hat sich am Montag für eine tiefere Umsatzschwelle ausgesprochen. Hoffen Sie nun auf eine Korrektur durch den Ständerat?

Wyss: Den Entscheid des Ständerates warten wir ab. Sollte dieser sich ebenfalls für eine Senkung der Umsatzgrenze entscheiden, so werden wir das wie alle anderen Bundesvorgaben umsetzen.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

7 Kommentare
Apple Store IconGoogle Play Store Icon