Wieso Luzern Tourismus für ein Frontex-Ja wirbt

Marcel Perren: «Die Schweiz würde zur Visumsinsel»

Marcel Perren, der Direktor von Luzern Tourismus.

(Bild: rob)

Der Direktor von Luzern Tourismus hat im Abstimmungskampf um das Frontex-Referendum Stellung bezogen. Der Tourismus brauche ein Ja an der Urne, sagt Marcel Perren, ansonsten verkomme die Schweiz zu einer Insel – mit drastischen Folgen für den Luzerner Tourismus, warnt er.

Am 15. Mai stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung über die Erhöhung des Frontex-Beitrags ab. Die Organisation ist zuständig für die Kontrolle der Schengen-Aussengrenzen und soll stark ausgebaut werden. Dagegen wurde das Referendum ergriffen.

Im Kanton Luzern haben sich bürgerliche Parteien von der SVP bis zu den Grünliberalen zum Ja-Komitee zusammengeschlossen. Für sie ist klar: Das Schengen-Abkommen dient der Sicherheit der Schweiz und damit auch dem Kanton Luzern. Ein Nein wäre hingegen mit grossen Risiken behaftet. Die Verträge würden automatisch aufgekündet, wenn die Schweiz nicht innerhalb von 90 Tagen zu einer Einigung mit der Europäischen Union komme. «Es ist eine Utopie zu glauben, man könne einen neuen Schengen-Vertrag aushandeln, wie das die Gegner dieser Vorlage behaupten», schreibt das Luzerner Ja-Komitee in einer Mitteilung.

Zusätzliche Hürde für ausländische Gäste

Ein Ausschluss hätte Folgen für den Wirtschaftsstandort Luzern, warnen die Gegner. Für den Tourismus in der Stadt Luzern wie auch in der Region um den Vierwaldstättersee hat die Personenfreizügigkeit eine grosse Bedeutung. Ein Viertel der Gäste in der Region kommt aus dem Ausland, in der Stadt Luzern ist es gar ein Drittel. Welche wirtschaftliche Bedeutung das hat, machte sich während der Pandemie bemerkbar. 2019 haben ausländische Touristinnen noch 1,5 Millionen Logiernächte gebucht, 2021 waren es nur noch 440'000.

Für ein Ja engagiert sich deshalb auch der Direktor von Luzern Tourismus. Marcel Perren erklärt im Interview die Folgen der Vorlagen und die Hintergründe seines politischen Engagements.

zentralplus: Marcel Perren, Luzern Tourismus positioniert sich klar auf der Seite der Befürworter des Frontex-Ausbaus. Wieso?

Marcel Perren: Die Schweizer Tourismusbranche ist klar der Meinung, dass wir ohne Schengen zu einer Visumsinsel werden. Dies, weil Touristen aus den wichtigen Fernmärkten ausserhalb Europas ein separates Visum für die Schweiz brauchen, wenn sie mehrere Länder in Europa bereisen.

«Ohne Schengen rechnen Studien mit einem Rückgang der Nachfrage um 40 Prozent.»

zentralplus: Was hat der Luzerner Tourismus mit Frontex zu tun?

Perren: Sehr viel, besonders im Kontext des drohenden Ausstiegs aus dem Schengen-Abkommen. 2019 zählte die Stadt Luzern insgesamt 57 Prozent aller Logiernächte aus Fernmärkten. Ohne Schengen rechnen Studien mit einem Rückgang der Nachfrage um 40 Prozent.

zentralplus: Was befürchten Sie, passiert bei einem Nein?

Perren: Ein Nein würde zu einem starken Rückgang der touristischen Wertschöpfung führen. Bekanntlich weisen die Fernmärkte die höchsten touristischen Tagesausgaben aus.

Darum gehts – das Erklärvideo des Bundes:

zentralplus: Gemäss der Luzerner Kantonsrätin Laura Spring (Grüne) fällt bei einer Ablehnung des Budgetsausbaus nicht automatisch das Abkommen weg. Die Schweiz müsse es dann neu aushandeln. Was sagen Sie dazu?

Perren: Meiner Ansicht nach entspricht dies eher einem Wunschdenken. Frontex sichert die gemeinsame Aussengrenze des Schengenraums und ist integraler Bestandteil des Abkommens. Verweigert die Schweiz ihre Unterstützung, scheidet sie automatisch innert sechs Monaten aus dem Schengen-Abkommen und dem damit verknüpften Dublin-Abkommen aus.

«Mit einem Nein würde sich gar nichts ändern. Frontex bestünde weiter wie bisher.»

zentralplus: Im zentralplus-Artikel hat das Nein-Komitee die Flüchtlinge auch als Chance bezeichnet. So könnte der Fachkräftemangel bewältigt werden, von dem auch die Gastro- und Tourismusbranche betroffen sind. Wie schätzen Sie diese Chance ein?

Perren: Ob die Flüchtlinge einen wichtigen Beitrag zum Fachkräftemangel in der Tourismusbranche leisten können, hängt von diversen Faktoren ab. Beispielsweise müssen diese in den Arbeitsmarkt integriert werden können, was oft nicht der Fall ist. Die Schweizer Hotellerie- und Gastronomiebranche setzt sich nicht erst seit der jüngsten Flüchtlingskrise aktiv für die Integration und die multikulturelle Kommunikation ein. Ausländische Fachkräfte machen rund 46 Prozent aller Mitarbeitenden aus.

zentralplus: Wie beurteilen Sie die harsche Kritik an Frontex punkto Menschenrechtsverletzungen? Wieso soll die Schweiz die Organisation trotzdem finanziell unterstützen?

Perren: Als Schengen-Mitglied kann die Schweiz bei Frontex mitbestimmen und aktiv darauf hinwirken, dass die europäische Grenzschutzagentur ihre Arbeit verbessert, dass Missstände behoben werden und die Grundrechte an den Aussengrenzen künftig besser eingehalten werden. Mit einem Nein würde sich hingegen gar nichts ändern. Frontex bestünde weiter wie bisher. Die Schweiz würde aber ihr Mitbestimmungsrecht verlieren und sich vor der Verantwortung drücken.

Tourismus: Stadthotels in Luzern von Frontex-Nein besonders betroffen

Die Luzerner Stadthotels haben mit 50 Prozent einen hohen Anteil an visumspflichtigen Gästen. Die Umsatzausfälle für die dortige Hotellerie bei einem Nein beziffert Hotelleriesuisse mit einer Bandbreite von 8,6 bis 14,2 Millionen Franken im Jahr, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet.

«Wird die Schweiz zur Visumsinsel, kämen viele Gäste, die in Europa unterwegs sind, nicht mehr zu uns», wird Patrick Hauser, Mitinhaber des Hotels Schweizerhof in Luzern, zitiert. «Das hätte einen markanten Einfluss auf unseren Umsatz.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Vreni
    Vreni, 22.04.2022, 20:21 Uhr

    Wir wollen diesen Massentourismus nicht mehr. Wir wollen Lebensqualität.

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  • Profilfoto von Aua meine Ohren
    Aua meine Ohren, 22.04.2022, 07:11 Uhr

    Weltmeister im meckern haben wir hier.

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