Luzerner lieben E-Bikes – auch noch, wenn sie einen Helm tragen müssen?
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Wer E-Bike fährt, soll einen Helm tragen – das fordert der Bundesrat. Es ist die kontroverseste von drei vorgeschlagenen Massnahmen, um der steigenden Anzahl Unfälle mit E-Bikes entgegenzuwirken. In Luzern löst der Vorschlag gemischte Reaktionen aus.
Der Boom ist Tatsache: über 133'000 E-Bikes wurden letztes Jahr in der Schweiz verkauft. Im aktuellen Jahr geht der Hype – auch Corona-bedingt – unvermindert weiter. Lange Wartezeiten und Lieferengpässe gehören beim Kauf mittlerweile oftmals einfach dazu (zentralplus berichtete).
Mehr E-Bikes bedeuten aber auch mehr Unfälle mit den motorisierten Velos. Diese entwickeln sich auch in Luzern auf unerfreuliche Weise, wie ein Blick in die Unfallstatistik zeigt: Gemäss Lustat Statistik Luzern kam es 2019 zu 81 Unfällen mit E-Bikes, rund zwanzig davon forderten Schwerverletzte.
Der Kanton Luzern erfasst Unfälle mit E-Bikes erst seit 2011. Damals wurden lediglich 17 E-Bike-Unfälle registriert. Das bedeutet eine Zunahme von über 370 Prozent innert weniger Jahre.
Bundesrat: Helm, Tacho und Licht
Dieser Tendenz will der Bundesrat nun entgegenwirken. Nun hat er ein entsprechendes Massnahmenpaket in die Vernehmlassung geschickt, das bereits heiss diskutiert wird. Der Vorschlag des Bundesrates beinhaltet folgende drei Massnahmen:
- Alle E-Bike-Fahrenden sollen dazu verpflichtet werden, einen Helm zu tragen.
- E-Bikes sollen das Licht auch tagsüber einschalten müssen.
- «Schnelle E-Bikes» sollen künftig mit einem Tacho ausgerüstet sein, damit sie die Geschwindigkeitsvorgaben genau einhalten können.
Zur Erinnerung - heute gilt Folgendes:
- Für «Schnelle E-Bikes», also solche mit Tretunterstützung bis 45 Kilometer pro Stunde, gilt schon heute eine Helmpflicht.
- Die schnellen E-Bikes sind mit einer gelben Nummer versehen.
- Als «langsame E-Bikes» gelten solche mit Tretunterstützung bis 25 Kilometer pro Stunde.
- Für langsame E-Bikes besteht weder eine Helm- noch eine Nummernpflicht.
- Eine Helmpflicht für alle E-Bikes macht Sinn – das sind keine «normalen Velos»
- Falls die Helmpflicht kommt, verkaufe ich mein E-Bike
- Die Helmpflicht sollte für alle gelten, auch Velos
«Todesstoss» für Leihvelos
Aufhorchen lässt die erste Stellungnahme der Velolobby. So stellte sich Pro Velo Schweiz dezidiert gegen die Idee einer Helmpflicht für beide E-Bike-Typen. Mit einem Helmobligatorium würde «der Bundesrat die Erfolgsgeschichte der Elektrovelos abwürgen», ist in der öffentlichen Stellungnahme zu lesen.
Der Verband befürchtet, dass die Einführung eines Helmobligatoriums dazu führen würde, dass weniger Menschen Velo fahren. Viele Schweizer Städte hätten in den letzten Jahren erfolgreich ein Netz von Leihvelos aufgebaut, argumentiert Pro Velo Schweiz weiter: «Darin erweisen sich gerade die langsamen Elektrovelos als besonders beliebt. Die vorgeschlagene Helmpflicht würde diesen Angeboten den Todesstoss geben.»
Junge Nutzer könnten sich abwenden
Doch ist der Helm beim E-Bike wirklich matchentscheidend? «Meiner subjektiven Wahrnehmung nach tragen die meisten E-Bikefahrerinnen und -fahrer sowieso einen Helm», sagt Nico van der Heiden, Co-Präsident von der Luzerner Pro-Velo-Sektion, auf Anfrage. «Man darf den Leuten in dieser Frage deshalb durchaus eine gewisse Selbstverantwortung zutrauen.»
«Schüler mit einem langen Schulweg könnten eher wieder auf den Bus zurückgreifen, was aus unserer Sicht einen Rückschritt bedeuten würde.»
Nico van der Heiden, Co-Präsident Pro Velo Luzern
Die Problematik einer Helmpflicht liege eher in dessen Signalwirkung: «Es würde altbekannten Forderungen nach einer Helmpflicht für alle Velofahrer Auftrieb verleihen. Dies würde sich durchaus negativ auf die Attraktivierung und Förderung des Veloverkehrs auswirken», ist van der Heiden überzeugt. Als Beispiel nennt er etwa die steigende Anzahl von jugendlichen E-Bike-Nutzern. «Schüler mit einem langen Schulweg könnten eher wieder auf den Bus zurückgreifen, was aus unserer Sicht einen Rückschritt bedeuten würde.»
Velohelm ist oftmals bereits vorhanden
Doch wie sieht es in der Praxis aus? Ein Umfrage bei einigen der bekannteren Velohändlern Luzerns zeigt folgendes:
Björn Hofer, Geschäftsführer von Imgrüth-Velos Luzern, ist vom Pro-Velo-Argument gegen die Helmpflicht einigermassen erstaunt. «Aus unserer Warte sieht man eh kaum E-Bike-Fahrer ohne Helm. Der Helm ist aber auch nicht wirklich ein Faktor beim Verkaufsgespräch», sagt Hofer. «Es kommt kaum vor, dass jemand beim Kauf eines E-Bikes auch gleich noch einen Helm kauft, wir versuchen auch nicht, ihnen einen anzudrehen.»
In der Regel sei das E-Bike nicht das erste Velo, das man kaufe, und meist besitze man dann schon einen Helm, weiss Hofer. Entsprechend hätten die meisten Kunden bereits einen Velohelm. Und bei den 45er-E-Bikes sei die Sache klar: «Wir verweisen natürlich jeweils auf die bestehende Helmpflicht», sagt Hofer.
Einem möglichen Helmobligatorium sieht Hofer entspannt entgegen. «Ich denke nicht, das eine solche Helmpflicht abschreckend wirken würde. Die Konsequenz für uns wären eher mehr Helmverkäufe.» Ähnlich tönt es auch bei Boardlocal. Dort stelle man keinen Einfluss der Helmpflicht bei der Wahl zwischen «schnellem» und «langsamem» E-Bike fest. Eine mögliche Helmpflicht sieht man auch dort eher als vorteilhaft.
Ästhetische Komponente ist wichtiger Faktor
Dezidiert anderer Meinung ist Mark Buchecker, Geschäftsführer und Inhaber von Ego Movement Luzern. Der E-Bike-Hersteller mit Hauptsitz in Zürich hat sich auf die Entwicklung und den Vertrieb von E-Bikes im urbanen Raum spezialisiert. «Der Helm ist oftmals ein wichtiger Faktor bei der Wahl zwischen einem 45er- oder 25er-E-Bike.» Das ästhetische Empfinden der Kundschaft sei schlicht nicht zu ignorieren.
«Ich empfehle meinen Kunden immer das Tragen eines Helms, bin aber klar gegen eine Helmpflicht.»
Mark Buchecker, Geschäftsführer und Inhaber von Ego Movement Luzern
«Ich empfehle meinen Kunden immer das Tragen eines Helms, bin aber klar gegen eine Helmpflicht», sagt Buchecker. «Dem Verkauf von E-Bikes wäre ein Obligatorium sicherlich nicht dienlich. 25er-E-Bikes sind per se nicht gefährlicher als normale Velos», sagt Buchecker. «Mit diesen erreicht man locker auf flacher Strecke mehr als 25 Kilometer pro Stunde. Wichtig ist, dass E-Bikes mit guten Scheibenbremsen ausgestattet sind, weil mehr Masse abgebremst werden muss.»
Buchecker ist zudem überzeugt, dass das Unfallproblem effizienter bei der Infrastruktur anzugehen sei: «Was es braucht sind konsequent getrennte Fahrspuren.» Buchecker verweist dabei auf das vielzitierte Kopenhagen-Modell: «Dort sieht man im Übrigen kaum jemanden mit Helm auf dem Velo.»