Wie der Bund das Stauproblem lösen will

Kaum noch Platz fürs Auto: Luzern erhält Rückenwind vom Bundesrat

Der Bund will weniger Autos auf den Strassen. Die Städte sollen entsprechend planen. (Bild: Nabeel Syed / Unsplash)

Der Luzerner Stadtrat wird gerne als besonders autofeindlich kritisiert. Nun macht der Bundesrat den Städten deutliche Empfehlungen zur Lenkung des Strassenverkehrs, die in die gleiche Richtung gehen wie die Haltung des Stadtrats – das werden vorab die Autofahrer zu spüren bekommen.

Die städtische Verkehrsplanung gibt in Luzern hüben wie drüben immer wieder Anlass für aufgeheizte Diskussionen. Bestes Beispiel: das Konzept zur Autoparkierung, welches derzeit im Grossen Stadtrat behandelt wird. Für die einen ist der Reglementsentwurf nicht velofreundlich genug, für die anderen Autohass pur (zentralplus berichtete).

Letztere Gruppe sieht hier die links-grünen Kräfte im Stadtrat wirken, welche ihre politische Agenda auf Biegen und Brechen durchzwängen wolle. Angesichts eines nun erschienenen Berichts des Bundesrates muss man jedoch feststellen, dass die städtische Verkehrspolitik der letzten Jahre vieles von dem vorwegnahm, was der Bund nun ebenfalls empfiehlt.

Staus an Schnittstellen lösen

Im Kern des bundesrätlichen Berichts geht es um die Vermeidung von Staus. Um Engpässe auf den Nationalstrassen zu vermeiden, gibt der Bund in den kommenden Jahren Milliarden aus. Beispielsweise investiert er in den Bypass Luzern, welcher die fast täglichen Staus in und um die Stadt Luzern beheben soll (zentralplus berichtete).

«Die Verkehrsmittelwahl soll sich zugunsten des ÖV sowie des Fuss- und Veloverkehrs verändern.»

Aus dem Bericht des Bundesrates

Der Bundesrat schaut nun aber noch genauer hin: Staus entstehen meistens bei den Ein- und Ausfahrten von Autobahnen. Also an der Schnittstelle zwischen dem nationalen und dem lokalen Verkehrsnetz. Um diese «Schnittstellenproblematik» zu beheben, müssten Bund, Kantone und Gemeinden alle ihren Beitrag leisten, schreibt der Bundesrat.

Insbesondere die bundesrätlichen Empfehlungen an die Städte und Gemeinden dürften für die Stadt Luzern von Interesse sein. In Bezug auf die Verkehrsplanung werden mehrere Empfehlungen gemacht, die sich teilweise eins zu eins mit der Stossrichtung decken, die der Luzerner Stadtrat längst eingeschlagen hat.

Ausbau ist keine Option mehr

Die Ansage des Bundes ist klar und deutlich: «Ein genereller Ausbau des Strassennetzes in die Städte hinein ist keine Option», heisst es im vorliegenden Bericht. Und weiter: «Die Verkehrsmittelwahl soll sich zugunsten des ÖV sowie des Fuss- und Veloverkehrs verändern.»

«Auch wenn mir als grünem Politiker verschiedene Personen nicht glauben mögen: Unsere Verkehrsplanung basiert immer auf fundierten Fachberichten und nicht auf persönlichen Einstellungen.»

Adrian Borgula, Luzerner Umwelt- und Mobilitätsdirektor

Bei zu hohen Belastungen durch den motorisierten Individualverkehr seien zudem die Lärm- und Schadstoffbelastungen so hoch, «dass die Lebensqualität für die dort lebende Bevölkerung und Besuchende im städtischen Raum eingeschränkt ist». Die angesprochenen Schnittstellenprobleme liessen sich nicht durch Ausbauten beheben. Das sei weder realistisch noch finanziell sinnvoll. Bevor das Strassennetz ausgebaut wird, seien Massnahmen zur Verkehrsvermeidung, zur Lenkung und zur Steuerung zu ergreifen.

Kein rein städtisches Thema mehr

«Auch wenn mir als grünem Politiker verschiedene Personen nicht glauben mögen: Unsere Verkehrsplanung basiert immer auf fundierten Fachberichten und nicht auf persönlichen Einstellungen», sagt Umwelt- und Mobilitätsdirektor Adrian Borgula auf Anfrage. Der Bericht des Bundesrates sei ein Beleg dafür, dass der Stadtrat keine ideologische Mobilitätsstrategie verfolge.

Es sei ein wichtiges Zeichen, dass die Lösungsvorschläge des Bundes nun ebenfalls in Richtung eines urbanen Verständnisses von Mobilität tendieren, sagt Borgula. «Themen wie Flächeneffizienz, Erreichbarkeit, Belastung oder Aufenthaltsqualität – Themen, für die sich der Stadtrat schon seit längerem einsetzt – sind längst keine rein städtischen mehr, was der Bericht des Bundesrates unterstreicht.»

Städte wurden nicht fürs Auto geplant

Um die Kapazitätsengpässe im Strassennetz, insbesondere auch an den Schnittstellen, zu entschärfen, soll also in erster Linie der motorisierte Individualverkehr (MIV) reduziert werden. So könne bei «verkehrsintensiven Einrichtungen» etwa durch ein Fahrtenmodell der Zugang durch den MIV beschränkt werden. Auch der Anteil an MIV-Pendlerinnen und -Pendlern soll reduziert werden.

«Es gibt einen Punkt, an dem man nicht mehr alle Verkehrsteilnehmer gleich behandeln kann», sagt Stadtrat Borgula dazu. «Historisch gesehen, muss man festhalten, dass die Kernstädte nicht mit dem Auto im Hinterkopf geplant und gebaut wurden – im Gegensatz zu den Siedlungen auf der Landschaft.» Man habe in den letzten 60 Jahren die Städte stark auf das Auto ausgerichtet und entsprechend umgebaut. Die Grenzen dieser Umgestaltung seien längst erreicht worden, weshalb es nun «ein neues Gleichgewicht» brauche, so Borgula.

«Was man einsehen müsste, ist die Tatsache, dass die von uns getroffenen Massnahmen zugunsten der flächeneffizienten Verkehrsmittel immer auch dem Autofahrer, der Autofahrerin zugute kommen.»

Adrian Borgula, Luzerner Umwelt- und Mobilitätsdirektor

Bedeutet dies alles nun die komplette Verdrängung des Autos als Verkehrsmittel in der Stadt? Der motorisierte Individualverkehr habe durchaus seinen Platz in der Stadt, entgegnet Stadtrat Borgula: «Ich denke da beispielsweise an das Gewerbe. Da ist der MIV wichtig und gut, wenn man beispielsweise an die Transportmöglichkeiten denkt.»

Hier sei man letztlich wieder beim Thema der Erreichbarkeit. «Was man einsehen müsste, ist die Tatsache, dass die von uns getroffenen Massnahmen zugunsten der flächeneffizienten Verkehrsmittel immer auch dem Autofahrer, der Autofahrerin zugute kommen», sagt Borgula.

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5 Kommentare
  • Profilfoto von simon.occur
    simon.occur, 29.10.2020, 17:38 Uhr

    Komplett falsch! Lärm, Abgase und Bremsstaub sind mit der Elektromobilität schneller passé als es den Bio-Kommunisten lieb sein wird. Argument 1 ist damit haltlos. Der Platz in der Stadt ist beschränkt – in der Breite aber nicht in der Tiefe und Höhe. Innovative Verkehrskonzepte wie die Initialisierung einer U-Bahn mit P+R-Anbindung wurde von den Bio-Kommunisten einmal mehr negiert. Der Tiefbahnhof, eine Jahrhundert Fehlplanung! Wenig verwunderlich, dass der Platz fehlt, wenn alle Verkehrsverbindungen sternförmig an einen Punkt geführt werden. Ein Ringkonzept welches mit einer U-Bahn die Bahnhöfe Zentrum, Emmen und Ebikon schliesst inkl. P+R-Anbindung sowie einer Ringautobahn mit Spangen Nord! und West! wäre zukunftsträchtig. Das Platzargument 2 befriedigt rein die bio-kommunistische Ideologie.

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    MarcoPolo, 29.10.2020, 09:45 Uhr

    Mag ja sein, dass der Bund das Gleiche vorschlägt. Doch warum die Stadt Luzern ihren Bewohnern die Gebühr fürs Parkieren im Quartier um 200 Franken im Jahr verteuern will, verstehe ich trotzdem nicht. In Zürich zahlt man für eine Jahreskarte in der blauen Zone einen Viertel von Luzern. In Luzern zahlte man bisher 600.- für die Jahreskarte auf öffentlichem Grund im Quartier. Nun also noch teurer. Das finde ich asozial. Bekommen wir deshalb mehr Lohn? Nein. Einfach Schikane.

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    Lucommenter, 29.10.2020, 08:12 Uhr

    schöne Worte – wenn man aber sieht, dass die Luzerner Busse zu den Spitzenzeiten regelmässig im Stau stecken und ein Bau eines Busperrons am Bahnhof über 10 Jahren dauert, spürt man wenig von attraktivem ÖV. Hier muss zügig und umfassend gehandelt werden. Stillstand ist Rückschritt!

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    Martin Grunder, 29.10.2020, 08:07 Uhr

    Das macht ja alles Sinn. Doch weshalb sich die Stadt gegen so vehement gegen den Bypass wehrt, der ja genau den Verkehr um die Stadt herum führen will, verstehe ich auch nach diesem Artikel nicht. Ganz im Gegenteil, Borgula müsste ja begeistert sein!

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      Lena Berger, 29.10.2020, 10:26 Uhr

      Die Stadt Luzern ist für den Bypass. Sie fordert in einer Einsprache aber flankierende Massnahmen für die Umwelt sowie eine durchgehende Busspur vom Kupferhammer bis zum Luzernerhof. Wieso, das erklärte Adrian Borgula zuletzt am zentralplus-Podium zum Thema.

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