Sieben Mitglieder statt fünf hat Vorteile

Der etwas andere Machtkampf im Luzerner Regierungsrat

Aus fünf mach sieben? Der aktuelle Luzerner Regierungsrat. (Bild: jal)

In genau einem Jahr wird im Kanton Luzern der Regierungsrat neu gewählt. Nicht nur die aktuelle Zusammensetzung spricht dafür, eine Erhöhung auf sieben Mitglieder zu diskutieren. Auch die Coronakrise und der Ukraine-Krieg untermauern den Handlungsbedarf.

Fallzahlen, Schutzmassnahmen, Intensivbetten: Zwei Jahre lang war das Gesundheits- und Sozialdepartement (GSD) des Kantons im Corona-Krisenmodus. Und noch bevor der Bundesrat die letzten Massnahmen aufhob, rief die Regierung erneut die Notlage aus – diesmal wegen des Ukraine-Krieges (zentralplus berichtete).

Die Einreise der vielen Flüchtlinge stellt das Departement von Guido Graf (Mitte) erneut vor grosse Herausforderungen. Am Tag nach dem russischen Angriff, inmitten der Luzerner Fasnacht, wurde der Stab ins Büro zurückbeordert. Es braucht Unterkünfte, Anlaufstellen, Regelungen. All das verlangt im Departement Ressourcen und viel Präsenz.

Zwei Jahre im Krisenmodus und es geht im gleichen Stil weiter. Die Pandemie und der Ukraine-Krieg werfen darum die Frage auf: Ist das Luzerner Gesundheits- und Sozialdepartement zu gross?

Grüne fordern sieben Regierungsräte

Es ist eine Frage, die zusätzliche Aktualität erfährt durch einen Vorstoss der Grünen/Jungen Grünen im Kantonsrat. Sie verlangen, dass der Regierungsrat Luzern wieder von fünf auf sieben Mitglieder aufgestockt wird (zentralplus berichtete). Wir erinnern uns: 2002 sagte das Volk an der Urne Ja zur Verkleinerung der Exekutive. Der Entscheid fiel in eine Zeit, in der zahlreiche Kantone ihre Regierungen abspeckten. Inzwischen hat eine knappe Mehrheit fünf Regierungsräte, viele grössere hingegen sieben (siehe Karte).

«Leider bildet sich nur ein sehr kleiner Teil der Luzerner Bevölkerung in der Regierung ab.»

Rahel Estermann, Co-Fraktionschefin Grüne/Junge Grüne

Die Grünen begründen ihre Forderung in erster Linie mit der Vertretung. Heute würden im Regierungsrat von Luzern wichtige Perspektiven fehlen: jene der Frauen, der Stadt, von rechts oder links. «Leider bildet sich nur ein sehr kleiner Teil der Luzerner Bevölkerung in der Regierung ab: Männer ab dem mittleren Alter, nicht aus der Stadt, hauptsächlich in der politischen Mitte angesiedelt», so Co-Fraktionschefin Rahel Estermann in einer Mitteilung.

Die Linken sind bekanntlich seit 2015 nicht mehr im Gremium vertreten. Und es ist möglich, dass dies so bleibt: Ein Jahr vor den Wahlen am 2. April 2023 hat noch keiner der fünf Amtierenden seinen Rücktritt angekündigt. Ohne Vakanz dürfte es für Neue schwierig werden.

Eine Aufstockung auf sieben Mitglieder wäre derweil ohnehin erst per 2027 möglich. Dass mehr Köpfe für eine bessere Repräsentanz sorgen könnten, bestätigt Politologe Tobias Arnold vom Beratungsbüro Interface. «Ein Siebnergremium erleichtert sicher die Abbildung der verschiedenen Gesellschaftsbereiche.» Im konkreten Fall von Luzern habe die Frage zudem eine sehr politische Komponente: Mit sieben Sitzen würden die Linken «mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit» einen Sitz erhalten, so Arnold.

In Zug war die SVP für grösseres Gremium

Es treffe sicher bis zu einem gewissen Grad zu, dass Regierungsräte entlastet würden, wenn die Arbeit auf sieben statt nur fünf Mitglieder verteilt würde, sagt Tobias Arnold. «Gleichzeitig ist jedoch auch zu bedenken, dass die Belastung auf Stufe Amtschefinnen und Amtschefs gleich bleibt.»

Konkrete Forschung zur Leistungsfähigkeit von Fünfer- oder Siebner-Regierungen gebe es nicht, das sei auch sehr schwierig zu messen. Bekannt ist, dass die Staatsausgaben in grösseren Regierungen tendenziell höher sind als in 5er-Regierungen.

In Luzern ging die Verkleinerung auf eine Initiative der SVP zurück. Dass die Fronten politisch nicht immer gleich verlaufen, zeigt der Fall Zug: Dort unterstützt die SVP das grössere Gremium. Sieben Regierungsräte garantierten eine grössere Volksnähe und bessere Erreichbarkeit für Bürger und Unternehmen, sagte ihr Kantonsrat Michael Riboni im Jahr 2017, als Zug über eine Verkleinerung diskutierte. Zug ist bekannt dafür, dass auch mal der Regierungsrat höchstpersönlich das Telefon abnimmt, was viele als Zeichen der schlanken Verwaltung deuten.

Im Kanton Luzern könnte die Idee der Grünen durchaus Chancen haben. Zwar sind SVP und FDP gegen eine Vergrösserung der Regierung, wie ihre Fraktionschefs gegenüber der «Luzerner Zeitung» sagten. Unter anderem wird eine Aufblähung der Verwaltung befürchtet.

«Es ist immer eine Frage der Abläufe und der Organisation. Das ist bei uns im Kanton Luzern sehr gut eingespielt.»

Fabian Peter, Regierungsrat

Bei Mitte-Links stösst das Anliegen hingegen auf offene Ohren. «Die jetzige Regierung macht ihre Arbeit gut», sagt Mitte-Fraktionschef Adrian Nussbaum. «Aber wenn die Arbeit auf sieben Personen verteilt wäre, würde das die Ausgangslage hinsichtlich Arbeitslastverteilung sicher verbessern.» Seine Fraktion verschliesse sich darum nicht der Überprüfung der aktuellen Organisation und Departementsaufteilung. Auch SP-Fraktionschef Marcel Budmiger begrüsst die Diskussion.

Nebst dem GSD von Guido Graf wird auch vielfach das Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement (BUWD) von Fabian Peter als Kandidat für eine Entschlackung genannt. Es entstand als eigentliches Superdepartement im Zuge der Reform vor rund 20 Jahren aus zwei zuvor getrennten Departementen. Doch auch im Bildungs- und Kultur- sowie im Finanzdepartement sind etliche Bereiche angesiedelt, die immer wieder zu reden geben, beispielsweise die Informatik.

«Sowohl das GSD als auch das BUWD umfassen sehr viele Aufgabenbereiche», sagt Marcel Budmiger. «Man kann sich sicher fragen, ob es eine sinnvollere Aufteilung gäbe.» Auch Adrian Nussbaum betont, dass das BUWD unbestritten sehr viele Aufgaben habe. «Das GSD hat wegen der Pandemie und der Flüchtlingskrise aktuell eine hohe Arbeitslast. Ob da Sinn macht, gewisse Aufgaben neu zu organisieren, müsste man im Detail anschauen.» Sicherlich müsste man die Organisation als Ganzes – mitsamt aller fünf Departemente – unter die Lupe nehmen. Nussbaum plädiert dafür, dazu auch die Modelle anderer Kantone zu analysieren.

Die beiden Regierungsräte wollen ihre Dossiers behalten

Wenig begeistert von der Idee scheinen indes die beiden betroffenen Regierungsräte. Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdirektor Fabian Peter (FDP) verneint nicht, dass die Belastung und die Ansprüche tendenziell eher steigen. Das BUWD hält er aber nicht für zu gross. «Weltweit gibt es sehr grosse, funktionierende Konzerne. Das zeigt: Es ist immer eine Frage der Abläufe und Organisation. Diese sind bei uns im Kanton Luzern sehr gut eingespielt.»

Im BUWD sei die Materie in den letzten Jahren komplexer geworden. So müssen laut Fabian Peter gerade im Klimabereich die sachpolitischen Ebenen noch viel stärker ineinander greifen. «Da sehe ich es als Vorteil, wenn die wichtigsten Schnittstellen im selben Departement sind.» 

Auch Gesundheits- und Sozialdirektor Guido Graf erteilte einer Aufteilung seines Departements am Rande einer Medienkonferenz eine Abfuhr. Er bekräftigte, dass er – auch im Angesicht der aktuell anspruchsvollen Lage – seine Themenbereiche als zuständiger Departementschef behalten möchte. «Die Arbeit ist kein Grund, dass ich etwas abgeben will», sagte er gegenüber zentralplus. Innerhalb der Regierung unterstütze man sich und die Zusammenarbeit funktioniere gut.

Dass die Regierungsräte selber nur ungern Macht abgeben, erstaunt kaum. Doch es gibt aktuell gute Gründe, zumindest darüber zu diskutieren.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit den Regierungsräten Fabian Peter und Guido Graf sowie mit Kantonsrat Marcel Budmiger
  • Mailaustausch mit Politologe Tobias Arnold
  • Motion Rahel Estermann (Grüne) für sieben Regierungsratsmitglieder
  • Artikel in der «Luzerner Zeitung»

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4 Kommentare
  • Profilfoto von Urs
    Urs, 02.04.2022, 12:27 Uhr

    5 genügen vollends

    Aber man könnte eine Amtszeitbeschränkung generell diskutieren
    12 Jahre sollte das absolute Maximum sein

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  • Profilfoto von Stadt Luzerner
    Stadt Luzerner, 02.04.2022, 08:11 Uhr

    5 sind definitiv genug! Überarbeiten tut sich auch ganz sicher keiner der fünf! Was aber dringendst angebracht wäre, endlich mindestend zwei der fünf zu ersetzen. Ohne Namen zu nennen, welche zwei…… Der Eine ist als Cüpli-Clown bekannt, der Andere ist ein Selbstdarsteller vor dem Herrn.

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    • Profilfoto von Peter Bitterli
      Peter Bitterli, 02.04.2022, 11:14 Uhr

      Aber sicher doch, StadtLuzerner! Auch Sie haben ja ohne Zweifel einen 16-Stunden-Tag mit 7-Tage-Woche. Handkehrum versteckt sich kaum je ein Regierungsrat hinter einem Pseudonym. Auch ward nie gehört, dass ein Regierungsrat auf perfide Art und Weise namentlich gegen Leute giftet, deren Namen er dann aber pseudoschlau nicht nennt, um sie einen Halbsatz später durch Anpöbeleien zu ersetzen.

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  • Profilfoto von Andreas Bründler, Kriens - Bleiche
    Andreas Bründler, Kriens - Bleiche, 02.04.2022, 05:14 Uhr

    Luzern braucht auf keinen Fall mehr Regierungsräte, zusammen mit ihren Sekretären, Stäben, und Departementen. 5 genügen vollauf. Wir wollen doch keinen Wasserkopf im Regierungsgebäude. Das ist wieder so eine Idee von links, wo die Leute immer noch nicht wissen, dass jeder auszugebende Steuerfranken zuerst hart erarbeitet werden muss. Entgegen der Vorstellung der Linken fällt das Geld immer noch nicht einfach so vom Himmel. Es hat viele Gründe, warum Luzern 5 und nicht 7 Regierungsräte hat. Ein wichtiger ist, dass Luzern übersichtlich ist. Wir sind nicht in der gleichen Liga wie die Wirtschaftsmacht Zürich. Und nur aus politischen Gründen, ohne irgendwelchen weiteren Hintergrund, 2 neue RR anzustellen ist wie Tausendernoten bündelweise die Toilette hinunter spühlen. Die bestehenden 5 RR sind jetzt schon sehr «volksnah». Was immer das in diesem Zusammenhang auch heissen mag. Jedenfalls sind RR Marcel Schwerzmann und auch RR Paul Winiker in Kriens regelmässig anzutreffen. Wir haben gute Leute im Luzerner RR,.

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