Im Le Théâtre

«Take That»-Musical «Greatest Days» an Emmenbrücke angepasst

Andréas Härry und Irène Straub auf der Bühne im Le Théâtre in Emmen. (Bild: mre)

Das Musical «Greatest Days» über fünf Riesenfans der Boygroup «Take That» hat vergangene Woche Schweizer Premiere gefeiert. Im Interview erzählen die Musicaldarstellerin Irène Straub und Andréas Härry, der Co-Geschäftsleiter von Le Théâtre in Emmen, ob sie früher auch so grosse Fans gewesen sind.

Noch bis zum 21. Januar spielt das Musical «Greatest Days» im Le Théâtre in Emmen. Das auf Schweizerdeutsch übersetzte und auf Emmen lokalisierte Stück erzählt die Geschichte eines Fankults. «Die Liebe zu den fünf Jungs überstrahlt alles», steht im Programmheft. Mit den Jungs sind die Mitglieder der Boyband «Take That» gemeint.

Der Co-Geschäftsleiter von Le Théâtre Andréas Härry und die Musicaldarstellerin Irène Straub haben das Stück gemeinsam auf Schweizerdeutsch übersetzt. Der 59-jährige Musicalautor und Produzent leitet den Kulturbetrieb zusammen mit Sonja Greber seit der Gründung im Jahr 2006. Auch die 52-jährige Krienserin Irène Straub war von Beginn an dabei – zuerst als künstlerische Koordinatorin und seit 2020 als künstlerische Leitung. Das Ehepaar erzählt im Interview von den Herausforderungen beim Übersetzen, wie dieser extreme Fankult aussieht und weshalb das Le Théâtre das erste Mal im Ausland nach Schauspielern suchte.

zentralplus: Wie kam es dazu, dass das Le Théâtre «Greatest Days» aufführt?

Andréas Härry: Ou, das ist eine heikle Frage. Meine Frau und ich sind uns nie einig, wer auf die Idee gekommen ist.

Irène Straub: In diesem konkreten Fall war es aber tatsächlich Andréas. Wir recherchieren beide regelmässig, was gerade so läuft. Unser Ziel ist es, wenn möglich immer Erstaufführungen zu machen, seien es Schweizer, deutsche oder europäische Erstaufführungen. Bereits im Jahr 2018 haben wir einen ersten Versuch gestartet und die Rechte für das Musical angefragt. Dann hat sich aber gerade eine grosser Produzent in Deutschland das Stück unter den Nagel gerissen und es für den deutschsprachigen Raum blockiert. Vergangenes Jahr haben wir es dann nochmals versucht und die Rechte erhalten.

zentralplus: Erst vor wenigen Wochen hat «Take That» ein neues Album veröffentlicht. Ausserdem wurde in diesem Jahr das Musical verfilmt. Haben Sie gwusst, dass das dieses Jahr passieren wird und deshalb das Stück so geplant?

Straub: Nein, das ist Zufall. Wir wollten einfach das Musical. Als wir uns für dieses Stück entschieden haben, hiess es auch noch «The Band». Als der Film mit dem neuen Namen «Greatest Days» veröffentlicht wurde, mussten wir unser Musical auch unbenennen. Wir hatten aber schon alle Werbemittel parat gemacht. Das landete alles im Güsel, und wir mussten neu beginnen.

Härry: Wir finden mittlerweile aber, dass der neue Titel sinnvoller ist. Jetzt ist auch klar, dass es um «Take That» geht. «Greatest Day» ist ja einer ihrer grossen Hits.

Straub: Auch die Bedeutung hinter «Greatest Days» ist wichtig. Junge Frauen erleben in ihrem Fankult die beste Zeit ihres Lebens. Das wird im Musical deutlich.

zentralplus: Für das Musical in Deutschland wurde der Text eins zu eins vom Englischen ins Deutsche übersetzt. Sie haben die englische Version auf Schweizerdeutsch übersetzt und dabei inhaltliche Anpassungen vorgenommen. Weshalb?

Straub: Die grösste Anpassung, die wir vorgenommen haben, ist, dass das Stück in Emmenbrücke spielt. Beim vorherigen Musical «Prom» haben wir gemerkt, dass es das Publikum sehr berührt, wenn wir die Geschichte in die Schweiz holen. Deshalb wollten wir das wieder so machen.

Härry: Bei den ersten Vorstellungen im Dezember haben wir auch gemerkt, dass das Publikum emotional reagiert, wenn lokale Sachen wie der Sedel oder Gersag genannt werden. Damit «erwischt» man die Gäste.

Straub: Auch gibt es viele Witze und vor allem Wortspiele in der englischen Version, die hier nicht funktionieren würden. Diese müssen ans Schweizerdeutsche und an die Ortschaft angepasst werden.

Härry: Viele Witze kann man hier auch nicht genauso bringen, da der englische Humor im Stück häufig sprachbedingt nicht ganz jugendfrei ist. Zum Teil hatten wir anfänglich auch Hemmungen, gewisse Witze zu übernehmen. Beispielsweise Sprüche über eine Frau, die stark zugenommen hat.

zentralplus: Was haben Sie in so einem Fall gemacht? Wie haben Sie entschieden, was drinbleibt und was nicht?

Härry: Bei einigen Passagen haben wir wirklich lange diskutiert, ob wir die so reinnehmen können. Schliesslich hatten wir meistens das Gefühl, dass Freundinnen unter sich aber wirklich genauso reden. Das wollten wir im Musical authentisch darstellen.

Straub: Diese Diskussionen haben wir zwei gemeinsam mit der Regie geführt. Zum Teil waren sogar die Darstellerinnen involviert. Speziell mit einem Witz hatte eine Schauspielerin am Anfang gehadert. Dort haben wir dann auch noch mal gemeinsam besprochen, wie wir mit der Situation umgehen. Diese zum Teil vielleicht etwas «unkorrekten» Witze sind aber extrem wichtig, um die einzelnen Charaktere und somit das Stück zu verstehen. Deshalb wollten wir sie nicht rausstreichen. Dieser Dialog – auch mit den Schauspielerinnen – darf und soll bei uns stattfinden.

zentralplus: Was wollten Sie in der schweizerdeutschen Übersetzung sonst noch unbedingt beibehalten?

Härry: Also ich finde es herrlich, wie die Frauen im Stück miteinander reden. Sie nehmen kein Blatt vor den Mund. Es ist echt. Die Wortwahl ist zum Teil deftig – und das schätze ich. Wir hören auch von Frauen im Publikum, dass sie es schätzen, wie ehrlich beispielsweise über Unsicherheiten in Bezug auf das Aussehen geredet wird. Es wird Tacheles geredet. Das ist aussergewöhnlich in diesem Musical. Es ist nicht nur süss.

Straub: Ich finde es im Musical sehr schön zu sehen, wie die Frauen miteinander streiten und auch, wie sie sich wieder versöhnen. Es ist eine heftige Auseinandersetzung. So miteinander streiten zu können, zeugt von grossem Vertrauen. Das Musical zeigt, dass Streiten nicht darin enden muss, dass man nachher nie mehr miteinander redet. Auch das finde ich sehr echt und aus dem Leben gegriffen.

zentralplus: Im Originalmusical liegt der Fokus klar auf dem Fankult rund um die Band. Wollten Sie das auch für Ihre Version so handhaben?

Straub: Ja, wir haben den Fankult sogar noch verstärkt. Bei uns wird es noch deutlicher, dass es um «Take That» geht. Im Original wird nur von «der Band» geredet. Den Darstellern der Boyband wurden auch klar die einzelnen Personen zugeteilt. Dementsprechend mussten sie unter anderem ihre Frisur beim Coiffeur den Originaljungs angleichen. Da sind sie zum Teil im ersten Moment ein wenig erschrocken.

zentralplus: Für die Audition der «Take That»-Darsteller sind Sie extra nach London gereist.

Härry: Das war das erste Mal, dass wir die Audition bewusst in einem anderen Land durchgeführt haben. Zuerst haben wir eine Audition in der Schweiz gemacht. Das waren perfekte, geschliffene Jungs, die sich vorgestellt haben. Für uns war direkt klar: Das ist nicht «Take That». Nach dem ersten Tag der Audition in der Schweiz hätten wir am liebsten in den Tisch gebissen.

Straub: Es waren ein paar wenige Briten dabei, und da haben wir schnell den Unterschied gesehen: zum einen in der Sprache und zum anderen in der Art, wie sie die Songs gesungen haben. Der Strassenslang und der nicht typische Musicalgesang war das, was uns nach England geführt hat. Dort wurden wir dann fündig.

Härry: Die Jungs können mittlerweile auch die Worte «Schissdräck» und «Gopferdami». Sonst ahnen sie nur, was die Darstellerinnen erzählen. Sie wissen aber natürlich, was im Stück passiert. Das haben wir ihnen selbstverständlich erklärt, und sie haben das englische Buch. Ihre Aufgabe ist vor allem das Singen und das Tanzen.

zentralplus: Für die Produktion waren Sie im Austausch mit dem «Take That»-Fanclub der Schweiz.

Härry: Diese Fans sind Freaks. Das ist absolut unglaublich. Die wissen alles. Ich meine das gar nicht abwertend. Es ist faszinierend. Die Fans haben das Gefühl, die «Take That»-Boys sind immer dabei und begleiten sie bei allem, was sie in ihrem Leben tun.

Straub: Wir Schauspielerinnen konnten vom Austausch sehr profitieren. Bis zum Gespräch haben wir uns gefragt, ob das Musical nicht ein übertriebenes Bild zeigt. Dann haben wir aber gemerkt, dass wir sogar noch mehr übertreiben müssen.

Härry: Wir wollen das gar nicht durch den Kakao ziehen. Die Emotionen der Fans sind real. Ein Fan erzählte mir, dass sich die Trennung der Band für ihn anfühlte wie eine Trennung vom Partner. Diese Gefühle finden wir faszinierend und nehmen sie ernst.

zentralplus: Hätte denn dieser Fankult genauso auch in Emmenbrücke stattfinden können?

Härry: Ja. Absolut. Das hat uns der Fanclub auch bestätigt, und es berührt die Fans auch sehr. Eine Frau hat gesagt, das Musical sei ihre Autobiografie. Genauso habe sie es damals empfunden.

zentralplus: Waren Sie selber mal so intensiv Fan von jemandem?

Straub: Nein. Ich habe damals ein Bild von einem Sonnenuntergang in meinem Zimmer aufgehängt, aber keine Fotos von Stars.

Härry: Ich auch nicht. Vor allem seit mir die Fans von ihren starken Emotionen erzählt haben, ist für mich klar: So etwas habe ich auch im Ansatz noch nie selber erlebt. Für «Take That» sind wir beide ein wenig zu alt. Die Musik fanden wir aber definitiv auch damals bereits ohrwurmig.

Straub: Und tatsächlich muss ich zugeben, dass ich seit noch nicht allzu langer Zeit Fan vom Leadsänger Gary Barlow bin. Ich habe dann herausgefunden, dass er auch Musicals schreibt. Heutzutage schwärme ich tatsächlich ein wenig für ihn. Ich freue mich daher, dass ich im Stück Team-Gary bin – so nennt man das ja.

zentralplus: Frau Straub, Sie spielen im Musical die Rolle des Fans «Zoe». Gab es spezielle Herausforderungen bei dieser Rolle?

Straub: Von den Fans gibt es im Stück ja immer die «junge» und die «ältere» Version. Diese werden jeweils von zwei verschiedenen Schauspielerinnen verkörpert. Ein wichtiger Prozess war dabei die Synchronisation des jüngeren und des älteren Ichs. Dieser Prozess hat alle vier Paare sehr beschäftigt. Wir haben dafür spezielle Proben gehabt. Wir mussten herausfinden, wie sich die andere bewegt, wie sie redet, was sie für Ticks hat. Optisch waren wir von Beginn an gute Matches – aber auch die Gestik, Mimik und eben das ganze Verhalten mussten aufeinander abgestimmt werden. Das Ziel war, dass es für das Publikum direkt klar ist, dass jetzt die ältere Version der gleichen Person kommt. Dieser Prozess hat aber auch sehr viel Spass gemacht. Es war eine schöne Herausforderung, diesen Bezug zu schaffen.

zentralplus: Sie haben zentralplus geschrieben, dass noch nie so viele Taschentücher gebraucht wurden. Und das auch bereits in den Proben. Was meinen Sie damit?

Härry: Oh Irène, da musst du erzählen. Das fing bei dir ja bereits beim Lesen des Stücks an.

Straub: Wir haben tatsächlich sehr viel geweint in den Proben und ich bereits beim Übersetzen des Stücks. Wir Schauspielerinnen waren so berührt von der Geschichte. Für mich war es noch nie so leicht, als Darstellerin in die Emotionen zu gehen wie bei diesem Musical. Es ist derart aus dem Leben gegriffen. Ich muss die Emotionen nicht künstlich über irgendwelche Schauspieltechniken herholen. Wenn ich mich reingebe und einfach Mensch bin, kommen die Emotionen von selber. Auch bezüglich der Freundschaft – wir vier Frauen haben es saugut untereinander. Es ist ein Perfect Match. Da muss man nicht mehr spielen, sondern einfach nur spüren.

Härry: Speziell beim Song «Back for Good» war es um uns geschehen. Dort werden das junge und das alte Ich wieder zusammengeführt. Das schüttelt einen komplett. Auch vom Publikum hört man das Schnäuzen. Das Spezielle an dem Musical ist sicherlich auch, dass es kein Märchen ist. Die meisten Musicals würden sich so nicht im echten Leben abspielen. «Greatest Days» aber schon – und das berührt.

zentralplus: Wen wollen Sie mit dem Musical ansprechen?

Härry: Bei diesem Musical kann man den Fächer extrem breit aufmachen. Insbesondere sprechen wir damit auch Nichtmusicalfans an. Die Thematik ist derart substanziell. Das Buch ist psychologisch und dramaturgisch dermassen gut aufgebaut. Beim Musical stehen häufig zuerst die Songs. Die Geschichte wird dann so ein bisschen drumherum gebaut. Hier merkt man, dass ein preisgekrönter Theatermensch zuerst ein Buch geschrieben hat. Erst im Anschluss wurde wahrscheinlich geschaut, wie man die Musik platzieren kann. Die Texte sind sehr gut. Weiter spricht das Musical sowohl «Take That»-Fans als auch Menschen, die nicht gross etwas mit der Band zu tun haben, an. Einfach, weil das Musical viel mehr ist – weil es berührt. Wenn die Leute rausgehen, ist in der Regel nicht mehr «Take That» das Thema, sondern die Emotionen.

Straub: Kinder sollten schon so sieben oder acht Jahre alt sein – auch einfach, damit sie die Zusammenhänge verstehen. Aber ein Kleinkind würde sich wahrscheinlich ebenfalls wohlfühlen.

zentralplus: Wie sind die Reaktionen auf das Musical bis jetzt?

Härry: Am Anfang hatten wir ein bisschen Bedenken. Für ein Musical ist es anspruchsvoll. Es ist nicht einfach nur Grinsen und Fun von der ersten bis zur letzten Minute. Wir haben die Rückmeldung bekommen, dass man sich in der ersten Viertelstunde wirklich darauf einlassen müsse. Und dann «verwütscht» es jede und jeden. Bis jetzt haben wir tatsächlich noch gar nichts Negatives gehört, was aussergewöhnlich ist. Jeder kann wahrscheinlich ein bisschen etwas für sich rausnehmen. Und die Musik ist natürlich sowieso Kulturgut.

Infos und Vorverkauf unter www.le-theatre.ch

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