«Heute Gemeindeversammlung» im Kleintheater Luzern

Mike Müller nimmt Regierungsrat Schwerzmann auf die Schippe

Mike Müller spielt alle Rollen selber. Als schüchterne Antragsstellerin für subventionierte Kindergeburtstage schreit er ins Mikrofon.

(Bild: Daniela Herzog)

Es wird eingebürgert, umgezont und fusioniert. So unterhaltsam war eine Gemeindeversammlung schon lange nicht mehr. Mike Müller brilliert in seinem neuesten Solostück mit rasanten Rollenwechseln, witziger Situationskomik und einer pointengespickten Parodie unseres kommunalen Milizsystems. Auch die Luzerner Politik muss dran glauben.

Der Kleintheatersaal ist bis auf den letzten Platz gefüllt und die Türen schliessen sich. Da tritt vom Zuschauereingang Mike Müller alias Gemeindepräsident Raoul Furrler herein. Langsam geht er den Publikumsreihen entlang und spricht immer wieder die eine oder andere Person aus dem Publikum an: «Besch ide Ferie gse? Gsesch cheibe guet us.» oder «Du blibsch höt uf Parteilinie, henecht gods um d’Wurst.»

Gleich von Anfang an involviert er die Zuschauer in sein Programm, parodiert hervorragend den volksnahen, etwas ruppigen und doch gutmütigen Gemeindepräsidenten und sorgt damit für die ersten Lacher. In seinem neusten Stück «Heute Gemeindeversammlung» spielt Müller eine ganze Gemeindeversammlung alleine durch, inklusive Figuren, Traktanden und Exzesse.

Klischierte Mundartakrobatik

Müller versteht es nicht nur, die bürokratische Amtssprache à la «Wir danken ihm für die wie immer tadellose Abfassung des Protokolls» zu imitieren, sondern auch die mannigfaltigen Dialekte und klischierten Eigenheiten der unterschiedlichen Figuren zu verkörpern.

Mal spielt er den ewig nörgelnden Neuzuzüger Habegger mit der vorlauten Zürischnurre, mal den faulen Basler-Pepi und Gemeindeschreiber Gianini oder den serbischen, aber im Lorraine-Quartier aufgewachsenen Stojadinovic, der seinen Einbürgerungsantrag in breitem Berndeutsch vorträgt.

«Zürischnurre» Habegger rastet au: Mike Müller ist in allen Rollen stilsicher.

«Zürischnurre» Habegger rastet au: Mike Müller ist in allen Rollen stilsicher.

(Bild: Daniela Herzog)

Gianini passt das gar nicht, man wolle schliesslich keinen Berner, sondern einen Serben einbürgern und fordert von Stojadinovic mehr Authentizität. Er solle doch so sprechen, wie ein Albaner Deutsch spreche. Was von einem Serben doch etwas viel verlangt ist, so Stojadinovic.

Äusserst komisch ist auch Müllers kontrastierte Parodie der beiden Bergler aus dem Muotathal und aus dem Wallis. Der grimmig lakonisch murmelnde Muotathaler Betschart prallt dabei auf einen schleimigen und zum Verkäufer geborenen Fiescher und vermag einzig die pedantische, neoliberale Finanzvorsteherin Karin Roth zu überzeugen.

Müller gelingt es meisterhaft, zwischen den unterschiedlichen Figuren hin und her zu switchen ohne diese miteinander zu vermischen. Dabei überzeugt er nicht nur sprachlich, sondern spielt die Rollen auch mimisch und gestisch äusserst ausdrucksstark und nutzt dafür den ganzen Bühnenraum.

Witzige Situationskomik

Für viel Gelächter im Saal sorgt die Figur der extrem schüchternen, zaghaften und unsicheren Antragstellerin, die sich für subventionierte Kindergeburtstage einsetzt. Ganz leise und ängstlich betritt sie die Bühne und wendet sich zuerst ohne Mikrofon und kaum hörbar an die Versammlung. Als Gianini ein imaginäres Mikrofon organisiert und ihre Stimme schreiend laut erklingt, wirkt das äusserst komisch.

Mike Müller als Raoul Furrler hat nicht nur eine Leidenschaft für Kaffee, sondern auch für Assugrin.

Mike Müller als Raoul Furrler hat nicht nur eine Leidenschaft für Kaffee, sondern auch für Assugrin.

(Bild: Daniela Herzog)

Die übertriebene Political Correctness dieser Figur prallt dabei auf die diskriminierenden und plumpen Sprüche des auf seinen eigenen Vorteilen bedachten Gemeindepräsidenten. Müller bespielt zudem immer wieder die unterschiedlichen politischen Ebenen und macht deutlich, dass es auf der kommunalen Ebene gerade nicht um parteipolitische Machtkämpfe, sondern um lösungsorientiertes «Gschere, Fuerwärche ond Zschlagcho» geht.

Lokale Politsatire

Zum Schluss packt Müller noch ein paar ironische Bemerkungen zu aktuellen politischen Themen rund um Luzern aus. Hochphilosophisch gehe es in Kriens zu und her, wo darüber gewerweisst werde, ob nun ein Ruchbrot, eine Wegge oder ein Penis auf dem Wappen sein soll.

In Luzern herrsche bisweilen das Credo «Sinken die Steuern, sinkt auch das Defizit». Eine Rechnung, die ihn fast durch die Maturaprüfung rasseln liess. In Luzern schaffe man es damit aber in den Regierungsrat.

Das Kleintheater-Publikum findet’s lustig und verabschiedet Müller mit einem langen Applaus. Selten war eine Gemeindeversammlung so gut besucht – und so gut gelaunt.

Hinweis: Alle weiteren Vorstellungen bis 27. Januar im Kleintheater Luzern sind ausverkauft. Eine Wiederaufnahme in der kommenden Spielzeit ist laut Kleintheater in Planung.

Mike Müller als galanter Walliser.

Mike Müller als galanter Walliser.

(Bild: Daniela Herzog)

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