«Ich kann mit über 30 nicht mehr über billigen Vodka aus dem Coop rappen»
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Emm und Kackmusikk haben vergangene Woche ihr Debutalbum, eine Symbiose aus Rap und Electronica, herausgegeben. Im Interview sprechen sie über Torschlusspanik, die 041er-Crew und weshalb sie nicht am B-Sides Festival spielen.
Mario Wälti, alias Emm, und Raphael Spiess, alias Kackmusikk, sitzen im Helvetia und kurbeln den Verkauf für ihr neues Album «Thank God it’s Monday» an. Die sozialen Netze richtig zu bespielen, hilft und funktioniert – innerhalb der «041» Szene auch aus Loyalität – bringt der eine etwas raus, teilen es ein Dutzend andere. Unter dem Namen «041» hat sich die aktuell boomende Luzerner Hip Hop-Szene zusammengeschlossen (zentral+ berichtete). Der Rapper und der Produzent gehören mit ihren knapp über 30 zu den Älteren der Bewegung.
Dass genau diese zwei zusammen eine Produktion herausgeben überrascht, denn ihre Lebensentwürfe sind ziemlich unterschiedlich: Während Wältis zielstrebig die Karriereleiter hochstieg, wusste Spiess nie so recht, wo er beruflich hingehörte. Nach einer Lehre im Reisebüro arbeitete er als Versicherungsvertreter und jobbt nun temporär bei der Kantonsarchäologie.
Musikalisch hatten jedoch beide schon früh den Dreh raus: Emm ist seit über zehn Jahren Teil des Schweizer Hip-Hop-Kuchens während Kackmusikk sich als Electronica-Produzent etabliert hat. Die Beats und Lyrics der beiden vereinen sich auf einer Platte, die dem Zeitgeist entspricht und trotzdem ausserhalb von Konventionen steht.
Neben der 041er Crew bekommt man auf der Platte auch Muriel Rhyner von den Delilahs oder den Luzerner Singer und Songwriter Damian Lynn zu hören.
zentral+: Was darf man von der Platte erwarten?
Emm: Inhaltlich ist es ein klassisches Generation Y Album mit 30 Plus struggle Themen. Es war ein Grundsatzentscheid, über unser echtes Leben und nicht über unser Traumleben zu rappen. Zu 99 Prozent hören wir völlig anderen Rap: Dort dreht sich alles um Autos, Knarren, Ketten, Frauen. Immer die Hände oben und so schwarz wie es nur geht. Auf der Platte befassen wir uns hingegen mit dem Sinn des Lebens, der Liebe oder den Systemgegebenheiten, wie im Track Pitbull:
«Ufgwachse imne Land voller Druchschnitt
Dronder daffsch ned, dröber packsch ned, d Mönsche
Werded so lang glichgschalte bis ne Wurst isch
So viel wegknallt am Wochenend bis nömme wössed was de Durscht isch
Ich bruch en Ufstieg, aber d Medie
Lueged dass mis Hirni zwösche Angst und Dummheit versuft mer
Bliebed gfange zwösche Drock und em Usbroch
Hipster sii isch Usdrock für wiiter ufe brucht’s no
Meh Chraft und ich ha sie nömm, und dorom machi jetzt
Nix gang do nor go schaffe während ich im Kafi setz»
zentral+: Musikalisch hast Du die Fäden in der Hand, Kackmusikk. Woher holst Du deine Inspiration?
Kackmusikk: Ich höre keinen Schweizer Rap und hole meine Inspiration auch nicht da, sondern von verschiedensten elektronischen Genres. Mein Anspruch ist es, mit Emm total anders zu klingen. Das mag arrogant klingen, so bin ich aber überhaupt nicht. Die Beats in der Schweiz sind mir einfach zu langweilig. Es gibt zwar gute Produktionen, doch es ist immer das Gleiche: Die Schweizer Rap Produzenten brechen in der Regel nicht aus.
zentral+: Welchem Hip Hop Klischee entsprecht ihr?
Kackmusikk: Keinem, weil ich einen komplett anderen Lifestyle habe. Ich sehe mich nicht als Hip Hopper, da ich aus elektronischen Kreisen komme und auch oft an Rockkonzerte gehe.
Emm: Schau dich doch mal an! Du bist ja wohl 100 Prozent Hiphop. Jeder der heute aussieht wie Hip Hop vor acht Jahren ist in unseren Augen uncool.
zentral+: Welches ist der Radiohit auf eurem Album?
Emm: Los Angeles
Kackmusik: Omega
Emm: Obwohl Mäntig und Lucky Luke könnten wegen Muriel Rhyner und Damian Lynn auch gespielt werden. Omega und Los Angeles sind aber so programmiert.
zentral+: Und welches ist euer Lieblingssong auf der Platte?
Emm: Armageddon oder Pitbull
Kackmusikk: Mäntig
Emm: Es ist lustig, dass dein Lieblingssong poppiger ist als mein Lieblingssong. Sonst ist das umgekehrt. Du bist sonst eher der Kunst-Typ.
zentral+: Wie enstehen eure Songs?
Emm: Meist liefert Kackmusikk zuerst den Beat, ich komme dann textlich irgendwo hin und wir nehmen auf. Wichtig ist zu erkennen, was man kann und was man nicht kann. Muriel und Damian wären nicht auf der Platte, wenn ich das gesanglich selbst hingekriegt hätte.
zentral+: Ihr habt ziemlich unterschiedliche Lebensentwürfe. Wie funktioniert das?
Emm: Das funktioniert sehr gut, denn emotional sind unsere Lebensentwürfe extrem ähnlich. Auch wenn wir karrieretechnisch andere Wege gewählt haben, beschäftigen uns doch die selben Themen.
zentral+: Habt ihr mit über 30 Torschlusspanik? Andere in eurem Alter planen Familie und Kinder …
Kackmusikk: Es war mal ein Thema, mittlerweile habe ich es zur Seite geschoben. Das ist genau so okey, wie mit 30 Vater zu werden.
Emm: Diese Angst ist auch ein Thema auf der Platte. Es stimmt schon, dass es ohne Beziehung manchmal ein wenig einsam ist – Sonntag Abend als Single ist doch Scheisse. Am Ende der Plattenaufnahme waren wir beide ja in einer sexlosen Ehe. Jetzt ist es wieder angenehmer.
zentral+: Emm, inwiefern hast Du Vorarbeit geleistet für die 041er Bewegung?
Emm: Vor ein paar Jahren habe ich den einen oder anderen Streit vom Zaun gebrochen mit Radio 3Fach oder Radio Pilatus, weil die damals nur Indie Rock gespielt haben. Vielleicht habe ich damit Vorarbeit geleistet, behaupte aber nicht, dass der Boom ohne mich nicht zustande gekommen wäre.
zentral+: Kackmusikk, zählst Du dich überhaupt zur 041er Crew?
Emm: Schau mal sein Käppi an.
Kackmusikk: Ja ich zähle mich sehr wohl zu dem 041er Kern, obwohl ich eher aus der elektronischen Ecke komme. Ich habe zwar etwa zur gleichen Zeit mit Rap angefangen wie Emm, jedoch mit Leuten aus der Besetzungsszene. Unsere Musik war Dada – wir wollten mit inhaltslosen Texten provozieren. Dann bin ich in die elektronische Szene gerutscht und Emm hat mich wieder zurückgeholt.
zentral+: Wie ist die Rollenverteilung innerhalb der 041er Crew?
Kackmusikk: Die Rollenverteilung ergibt sich automatisch.
Emm: Ich kann mit über 30 nicht mehr über billigen Vodka aus dem Coop rappen. Das heisst nicht, dass die jungen Rapper nicht alle supererfrischend und bereichernd sind.
Kackmusikk: Nur weil das Album erwachsener und überlegter klingt, heisst das nicht, dass wir keinen Spass-Rap machen können.
zentral+: Kackmusikk, hast Du weitere musikalische Projekte?
Kackmusikk: Nach «2041» wollten viele Rapper Beats, hauptächlich waren dies jedoch «Rüümli Rapper». Das hätte zwar Geld gegeben, doch da bin ich ein genug grosser Musiknazi. Wenn jemand meinen Geschmack nicht trifft, mache ich nicht mit. Ich produziere für Marash und Dave, Mimiks, Greis und Steff la Cheffe. Auch für die elektronische Ecke remixe ich und weitere Releases sind geplant. Und das mit Emm geht weiter – wir haben eine Live-Band mit der wir Konzerte spielen.
Ich fühle mich im weissen Schaf nicht weniger als Künstler als die Typen im Meyers.
Emm, Rapper
zentral+: Emm, wann spielst Du am B-Sides Festival?
Emm: Ich würde mit Handkuss am B-Sides spielen, gehe aber nicht auf die Knie. Das Festival versteht sich als sehr künstlerorientiert – versteht uns aber offenbar nicht als Künstler.
Kackmusikk: Ich habe manchmal das Gefühl, die Luzerner Musikszene sei ein in sich geschlossenes System. Ich glaube auch, dass man uns zu wenig hört und würde mir von dieser Szene mehr Austausch wünschen. Ich bin offen für Kritik, dann wüsste ich, dass sie uns als Künstler wahrnehmen. Gerade in einer Stadt die nicht riesig, aber musikalisch aktiv ist, ist das schade.
Emm: Wir hängen halt nicht mit diesen Leuten ab, wir nennen uns nicht immer Künstler und gehen mit ihnen nicht ins sprichwörtliche Bett. Ich fühle mich übrigens im weissen Schaf nicht weniger als Künstler als die Typen im Meyers.
zentral+: Welche lokalen Musiker ausserhalb von Hip Hop empfehlt ihr?
Kackmusikk: Evje, Les Yeux Sans Visage – wenn sie noch etwas machen würden. Und Savenberg macht erstaunlich geilen Sound. Und Johnny Burn, den feier ich auch voll ab, vor allem als Mensch, der Typ ist so erfrischend.
Emm: Damian Lynn. Auch Gaia find ich abartig geil, die sollen die verdammte EP machen und zwar schnell.
Mit ihrer Promo wollen Emm und Kackmusikk «entwaffnend» wirken und haben auch gleich ein Magazin mit Songtexten und Interviews drucken lassen. Die Gäste reichen von Musikern wie Greis oder Muriel Rhyner zu Freunden wie Burgerboss Tyler, Kkade oder Ex-Juso-Präsident David Roth. Hier ein Auszug:
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