Fasnacht kompakt, aber heftig

Die wohl niedlichste Fasnacht der Zentralschweiz

Niedlich ist fast alles an dieser Fasnacht. Ausgenommen von Eingeweiden und Gülle-Rinnsal. (Bild: wia)

Während anderswo Tage über Tage, ja beinahe Wochen Fasnacht gefeiert wird, findet in Alosen bei Oberägeri die wohl kompakteste Fasnacht des Kantons Zug statt. Weniger aufregend ist sie dadurch nicht. Auch wenn die wenigsten gemerkt haben dürften, dass eine Zuger Regierungsrätin beim Umzug mitgemacht hat.

Zugegeben, bis zu diesem Güdelmontag hegten wir den leisen Verdacht, dass der Ort Alosen bloss ein Gerücht sei. Respektive dass dieser nur aus den wenigen gedrungen stehenden, in die Jahre gekommenen Häuser besteht, welche die Hauptstrasse säumen. Nun wurden wir eines Besseren belehrt. Und zwar zünftig.

Denn wer vom Tal her den Abzweiger nach links nimmt, gelangt nicht nur ins Funkloch, sondern auch in ein etwas höhergelegenes, niedliches Dorf, das hellwach ist. Zumindest an einem von 365 Tagen. Am Fasnachtsmontag findet hier jedes Jahr ein Umzug sowie ein grosses Fest statt, das sich gemessen an der Grösse des Orts durchaus sehen lassen kann. Bis zu 2'000 Menschen pilgern dafür jeweils ins 500-Seelen-Dorf.

Frack und Zylinder sind Pflicht

Bereits zwei Stunden vor dem Start tummelt sich das Volk in Oberalosen, mampft Bratwürste, genehmigt sich ein Bier. Kur vor dem Mittagessen treffen wir Roman Meier, den neuen Präsidenten der Fasnachtsgesellschaft und Legorenvater. Dieser übernahm das Zepter von Marco Meier, der das Amt während elf Jahren innehatte. «Man muss fast hier oben aufgewachsen sein, um einmal Legorenvater werden zu können», sagt Meier, der zur Feier des Tages im traditionellen Frack steckt. Zylinder inklusive.

Nicht nur ist er von klein auf ein «Hiesiger»; auch seine ganze heutige Lebenswelt spielt sich in der unmittelbaren Region ab. Mit seiner Hauswartungsfirma kommt er insbesondere im Ägerital herum. «An der Luzerner Fasnacht war ich hingegen noch nie», sagt er achselzuckend.

Roman (l.), der neue Legorenvater, und Kilian Meier, Presseverantwortlicher der Fasnachtsgesellschaft Alosen. (Bild: wia)

Die Alösler Fasnacht – ein «Riesen-Phänomen»

Stattdessen bezeichnet er die Alösler Fasnacht als «Riesen-Phänomen», bei dem er seit klein auf involviert ist. Im Moment hätte Roman Meier auch gar keine Zeit für Fasi-Ausflüge nach Luzern und Co. Im vergangenen Oktober begannen für den Vorstand die Sitzungen, ab Januar suchte die Gesellschaft nach einem geeigneten Motto respektive nach Wagenthemen. Ebenso wurden Geschichten fürs «Bühnenspiel» gesammelt, bei dem alle Alösler aufs Korn genommen werden, denen im vergangenen Jahr ein Missgeschick passiert ist.

«Ä wahri Freud» steht auf Roman Meiers Backen geschrieben. Der tiefere Sinn dahinter: «Es handelt sich um das aktuelle Motto. Zum einen, weil wir endlich wieder normal fasnachten können. Zum anderen, weil gerade erst ein neues Mehrzweckgebäude gebaut wurde für unsere Dorfvereine.» Tatsächlich, der grosse Bau mitten im Ort fällt auf.

Helene Fischer vor dem Frühstück

Speziell bei der Alösler Fasnacht: Sogenannte Bettler gehen einige Wochen vor der Fasnacht von Haushalt zu Haushalt, um das nötige Geld für den Anlass zusammenzutreiben. «Die meisten Einwohner sind in irgendeiner Weise bei der Fasnacht mit dabei. Man fängt als Kind als Täfeliträger an und ist im Ruhestand noch als Päcklichef dabei», ergänzt Vorstandsmitglied Kilian Meier.

«Die Fasnacht ist quasi unser Integrationsprogramm.»

Kilian Meier, Vorstandsmitglied Fasnachtsgesellschaft

Gerade für Kinder sei die Alosen-Fasnacht besonders wichtig. «Dass die Eltern die Skiferien um die Fasnacht herum planen, ist für die meisten klar. Sonst bekommen sie Krach mit ihren Kindern», sagt Kilian Meier. Und er ergänzt: «Auch gibt es natürlich immer wieder Zuzüger, die bei der Fasnacht mitmachen. Sie ist quasi unser Integrationsprogramm.»

100 Jahre Disney: Wer's nicht wusste, der weiss es seit diesem Wagen und der ulkigen Meerjungfrau. (Bild: wia)

Roman Meiers Tag hat am Güdelmontag früh begonnen. 52 Kinder haben ihn – und mit ihm gleich das ganze Dorf – mit Pfannen und Kesseln und grossem Radau um 4.30 Uhr aus den Federn geholt. «Nachher standen alle vor dem Haus und haben für mich ‹Atemlos› gesungen. Ich bin ein riesiger Helene-Fischer-Fan! Es lässt sich kaum in Worte fassen, was das für mich bedeutet hat», sagt Roman Meier. Mit Wonne lud Meier die Kinder zum traditionellen Frühstück ein.

Warten mit dem Stinktier – bevor es tatsächlich zu stinken beginnt

Der Umzug naht, der Legorenvater und sein Gefolge sind eingespannt. Wir lassen ihn ziehen und warten zusammen mit Quallen, Pikachu, einem Stinktier, dem Froschkönig, einer Ananas und mehreren Glücksbärchis auf den Umzug.

13 Uhr: Möge die grosse Strassensause beginnen. Das tut sie gleich zweimal, denn mangels Strecke führt der Umzug vom Dorf bis hinunter zur Hauptstrasse und von da noch einmal zurück.

Das neue Mehrzweckgebäude steht nicht nur im Dorf, sondern auch auf Rädern. (Bild: wia)

Dass man die Nummern gleich zweimal zu sehen bekommt, ist nicht unbedingt verkehrt. Die 16 Wagen wurden allesamt liebevoll und detailreich gestaltet, die Umzugsteilnehmerinnen verkörpern ihre Rollen mit Inbrunst. Dass man sich über das neue Mehrzweckgebäude freut, zeigt sich nicht nur im Motto. Auch ein Wagen wurde zu Ehren des Neubaus gestaltet. Auf diesem wurde das Haus mannshoch nachgebaut, dahinter sitzt der Legorenrat auf funktionierenden «Gigampfis», grüsst die Menge und wirft Orangen zum Volk.

Roger Federers Abgang und seine extravaganten Baupläne werden auf die Schippe genommen, die Junglegoren tanzen ein Bennissimo-Comeback, Viola, am Herd, kocht Rösti, während Elisabeth einen «Baume schneidet». Hinter dem Polit-Wagen spaziert eine (harmlose) Persiflage der neugewählten Regierungsrätin Laura Dittli her und verteilt Häppchen. Das ist insofern besonders witzig, als die richtige Laura Dittli tatsächlich Teil des Umzugs ist. Dies sehr inkognito, als gut verkleidete Musikantin der Oberägerer Harmoniemusik.

Auch Teil der Alösler Fasnacht: Echte Innereien, die live verhackt wurden. (Bild: wia)

Ein kompaktes, wildes Fest

Auch der längste Reisezug der Welt wurde extra für den Umzug nachgebaut. Mehrere Wagen reihen sich aneinander und geben Einblick in dessen Inneres. Besonders keck: Am Ende des Zugs wurde ein (besetztes) Klo angebracht. Die Sauce, die daraus und auf die Strasse rinnt, ist definitiv nicht Schokoladencreme. Nun ja. Die Bauern müssen ihre Gülle ja auch irgendwie loswerden. Die Geruchsnote, die der Alösler Umzug dadurch erhält, ist jedoch wenig charmant. Immerhin weiss man definitiv, dass man sich auf dem Lande befindet.

Apropos Igitt: Der Pfadi-Wagen, auf dem ein irr anmutender Pfadikoch echte, blutige Innereien schnätzelt, verlangt den Zuschauern Einiges ab.

Der Umzug – allez retour – ist nach rund einer Stunde vorbei. Es folgt das Bühnenspiel. Wenn man sich die Stimmung besieht, dürfte es nicht mehr lange dauern, bis auf den Bänken in den verschiedenen Festlokalitäten getanzt wird. Schliesslich muss man hier die ganze Fasnacht an einem Tag unter einen Hut bringen.

Elisabeth Baume-Schneider schneidet einen Baume zurecht. (Bild: wia)
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Karin Wyss
    Karin Wyss, 21.02.2023, 09:47 Uhr

    Das ist ein super geschriebener Bericht! D’Journalischtin sell läbä immenä beständigä Wohlsii und immenä drüüfachä Läbi! Hoch, hoch, hoch, äxtra hoch!

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