Premiere am «Genuss Film Festival» in Zug

Autorin Seraina Kobler über Mord, Genuss und Kochbücher

Ein «geheimer» Garten hat die Autorin Seraina Kobler zu ihrem Bestseller inspiriert. (Bild: Maurice Haas / Diogenes Verlag)

Zum ersten Mal prämiert das «Genuss Film Festival» in Zug nebst Filmen und Köchen auch eine Autorin. zentralplus hat mit der Preisträgerin Seraina Kobler über Krimis, Küche und Konflikte gesprochen.

Obwohl beim «Genuss Film Festival» in Zug jeweils Kulinarik und filmisches Schaffen im Vordergrund stehen, hat das Team um Festivalleiter Matthias Luchsinger für die diesjährige Ausgabe den Horizont erweitert. Zum ersten Mal verleihen sie den «Genuss Buch Award», der hiesiges literarisches Schaffen prämiert. «Mit dem ‹Genuss Buch Award› möchten wir das Schaffen und die Kreativität der Autorinnen und Autoren würdigen, deren Werke mit Kulinarik und Genuss gespickt sind. Literarische Leckerbissen eben», so Luchsinger.

Als erste Preisträgerin hat die Jury die in Zürich lebende Autorin Seraina Kobler mit ihrem Krimi «Tiefes, dunkles Blau» auserkoren. «Das ist eine unbändige Freude», sagt uns Kobler, als wir sie beim Kaffeekochen telefonisch erreichen. «Die Idee, Literatur mit Kulinarik zu verbinden, gibt beidem einen gewissen Stellenwert. Schliesslich hat beides mit Genuss zu tun.»

In ihrem zweiten Roman – und ersten Krimi – geht es nicht nur um einen grausigen Fund, den ein Fischer eines frühen Morgens aus dem Zürichsee angelt, sondern auch um Familie, Gentechnik – und natürlich Kulinarik. Koblers Protagonistin, die Seepolizistin Rosa Zambrano, lebt in einer Wohnung mit grünem Innenhof. Hier wächst und spriesst so manches, was Zambrano in ruhigen Momenten zu sinnlichen Gerichten verquickt.

Leseratte von klein auf

Sowohl die Kulinarik als auch die Polizeiarbeit wurden Kobler quasi in die Wiege gelegt. «Meine Kindheit lässt sich in Bücher und Hund zusammenfassen», erzählt sie. In einem Polizeihaushalt aufgewachsen, hat sie alles verschlungen, was das elterliche Bücherregal und die Dorfbibliothek hergaben. «Vom Jerry Cotton-Kioskroman bis zu Stephen King. Krimis sind immer schon Bestandteil meiner Biografie gewesen.»

«Mich reizt die Alchemie der Küche, die Faszination, aus verschiedenen Zutaten etwas Neues zu kreieren.»

Seraina Kobler, Schriftstellerin

Ebenso Kochbücher. «Die habe ich sogar zum Einschlafen gelesen», sagt Kobler gut gelaunt. «Mich reizt die Alchemie der Küche, die Faszination, aus verschiedenen Zutaten etwas Neues zu kreieren.» Beides hat sie nun in ihrem zweiten Roman zu einem stimmigen Ganzen verwoben.

Geschrieben hat Seraina Kobler schon früher. Bis sie sich der Berufung als selbstständige Schriftstellerin annäherte, gingen erst noch einige Jahre ins Land. Kobler war unter anderem als Journalistin bei verschiedenen Tages- und Wochenzeitungen tätig, zuletzt bei der NZZ. 2020 bringt sie im «Landliebe»-Verlag erst ein Sachbuch über Wald- und Wiesenblumen, dann im Zürcher Verlag «Kommode» den dystopischen Roman «Regenschatten» heraus.

Mit ihrem zweiten Roman «Tiefes, dunkles Blau» überzeugte sie nicht nur den renommierten Diogenes-Verlag, sondern auch die Leserschaft. Das Buch hielt sich seit Erscheinen im April dieses Jahres mehrere Monate in den Schweizer Bestellerlisten.

Herausforderungen des Autorinnenlebens

An das selbstständige Schriftstellerinnendasein muss sich Kobler aber noch gewöhnen. «Für mich hat sich eine neue Welt aufgetan, die aufregend und spannend ist.» Plötzlich wird sie in der Bäckerei auf ihr Werk angesprochen, die Lehrerin eines ihrer Kinder hat das Buch auf dem Pult liegen und in Buchhandlungen liegt ihr Krimi aufgetürmt beim Bestsellertisch.

Wo Licht ist, ist aber auch Schatten. Von gelegentlichen Dämpfern, wie einem abwertenden Artikel der «NZZ am Sonntag», ist es vor allem die generelle Unsicherheit des Berufs, mit der Kobler lernen muss, umzugehen. Denn die Buchwelt ist kurzlebiger geworden. «Viele Bücher sind wie Saisongemüse, sie verschwinden leider sehr schnell wieder aus den Regalen.» Hier dauerhaft Fuss zu fassen, sei schwer.

Trotz Bestsellerstatus bescheidene Einnahmen

Selbst als Bestsellerautorin ist das Einkommen eher bescheiden. Gemäss der Interessenvertretung «Autorinnen und Autoren der Schweiz» gilt ein Buch in der Deutschschweiz ab rund 4’000 verkauften Exemplaren als Bestseller. Durchschnittlich erhält ein Autor rund 8 Prozent Tantiemen. Das sind bei einem durchschnittlichen Ladenpreis von 20 Franken pro Buch gerade mal 1,60 Franken pro Buch.

«Man sieht immer nur den Erfolg. Aber der ist mit mehrfachem Scheitern verbunden.»

Kobler bestätigt, dass es ohne finanziellen Support von Stiftungen, Verlagsvorschüsse und dem Einsatz von eigenem Ersparten nicht möglich gewesen wäre, ihren Traum zu verfolgen. «Man sieht immer nur den Erfolg. Aber der ist mit mehrfachem Scheitern verbunden. Hinzu kommt, dass oft auch eine riesengrosse Portion Glück dazugehört.»

Der Weg bis zum ersten Bestseller hat für Seraina Kobler sechs Jahre gedauert. Eine Herausforderung ist für die vierfache Mutter auch, den Schreiballtag mit dem Familienleben zu vereinbaren. Darum schreibt sie mehrheitlich abends und nachts. «Dann habe ich absolute Ruhe und kann voll und ganz in den Text eintauchen. Die paar Stunden bringen mich weiter, als wenn ich den ganzen Tag schreiben würde», ist die Autorin überzeugt.

Die Schriftstellerin Seraina Kobler hat ihren ersten Krimi in Zürich angesiedelt. (Bild: Maurice Haas / Diogenes Verlag)

In «Narnia» wird Seraina Kobler fündig

Rosa Zambrano, Koblers gewiefte Ermittlerin, ist ihr in ihrem Zürcher Schreibatelier förmlich in den Schoss gefallen. «Ich habe mich in diesem Altstadthaus in Zürich eingemietet. Geht man hier durch eine Türe, ist man plötzlich in einem versteckten Garten, einer anderen Welt – fast wie in Narnia.»

Während die Protagonisten in C.S. Lewis Jugendbuchreihe «Narnia» in eine fantasievolle Welt voller Fabelwesen eintauchen, begegnete Kobler hier Zambrano. «Ich habe mich gefragt, wie es wäre, hier zu wohnen. Und dann war plötzlich Rosa Zambrano in meinem Kopf.» Noch in derselben Nacht habe sie die ersten 15 Seiten ihres Buches geschrieben.

Kriminalromane als Zeitzeugen

Der Reiz am Krimi-Genre liegt für Kobler in dessen Vielschichtigkeit. «Verbrechen und menschliche Abgründe sind universell, aber die Art und Weise, damit umzugehen, ist wahnsinnig divers.» Während nordische Krimis meistens eine ziemlich düstere Angelegenheit sind, gibt es mit dem Cozy-Crime-Genre beispielsweise eine ganze Sparte, die wohlig-heimeliges Krimi-Vergnügen bietet, wie es etwa in Agatha Christies «Miss Marple»-Romanen zu finden ist. In Koblers Werk geht es hingegen zur Sache. Mord, Sex, Drama, aber auch eine sinnliche Leichtigkeit.

«Zambrano soll sich weiterentwickeln, sie darf altern und sich verändern. Solange sie das tut, schreibe ich ihr hinterher.»

Was Schweizer Krimis im Speziellen ausmacht, kann Kobler indes nicht genau sagen, schätzt aber ihre Wirkung. «Werke von Glauser oder Dürrenmatt zeigen beispielsweise eine Schweiz von früher, die es heute nicht mehr gibt.» Krimis seien oft Zeitdokumente und Bestandsaufnahmen, ein Spiegelbild der Gesellschaft. Kobler porträtiert in ihrem Roman ein modernes Zürich, das auch für Nichteinheimische greifbar sein soll. Mondän, offen und mehrheitlich frei von Helvetismen. Einen Brissago rauchenden Kommissar mit Regenmantel und Schnurrbart sucht man hier vergebens.

«Tiefes, dunkles Blau» wird nicht Rosa Zambranos einziger Einsatz bleiben, wie Seraina Kobler erklärt. Derzeit schreibt sie gerade an einem zweiten Band, der im nächsten Jahr erscheinen wird. «Und ich habe noch viele Ideen für weitere Fälle. Zambrano soll sich weiterentwickeln, sie darf altern und sich verändern. Solange sie das tut, schreibe ich ihr hinterher.»

Seraina Kobler wird am Sonntag, 2. Oktober, im Rahmen der Preisverleihung des «Genuss Buch Awards» am «Genuss Film Festival» in Zug sein und aus ihrem Roman «Tiefes, dunkles Blau» lesen.

zentralplus ist Medienpartner des Genuss Film Festivals Zug, das dieses Jahr vom 29. September bis 6. Oktober stattfindet.

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Seraina Kobler
  • Artikel in der «NZZ am Sonntag» vom 3. Juli 22
  • Website der Interessensvertretung «Autorinnen und Autoren der Schweiz»
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